Krise der Autobauer erfasst die Region

Rezession schlägt auf den Arbeitsmarkt durch – Leiharbeiter verlieren zuerst ihre Jobs – Kurzarbeit droht.
Enzkreis – Die Krise der Automobilindustrie macht sich verstärkt in der Region bemerkbar. Bei den Zulieferern im Raum Mühlacker herrscht Verunsicherung. Die Entlassung von Leiharbeitern und ein Rückgang bei den Stellenangeboten sind erste unheilvolle Vorboten einer größeren Krise.
VON MAIK DISSELHOFF

Das Unternehmen MWK in Maulbronn will sich bis zum Jahresende von 24 Leiharbeitern trennen. Das bestätigt der kaufmännische Geschäftsführer der Metallwerke, Georg Stierle, auf Nachfrage unserer Zeitung. Die Krise der Automobilindustrie macht dem Zulieferbetrieb zu schaffen. „Wir haben einen Rückgang bei den Aufträgen“, sagt Stierle. Weitere Entlassungen, auch von regulär Beschäftigten, könne er für Arbeitnehmer mit befristeten Verträgen nicht ausschließen, so der kaufmännische Geschäftsführer. Er schätzt, dass die Auftragslage im ersten Quartal des nächsten Jahres schwierig bleibt. Ob sie sich danach eventuell wieder aufhelle, sei ungewiss. Zu den Kunden von MWK gehören namhafte Autohersteller – unter anderem auch Opel. „Von Opel sind die Abrufe deutlich zurückgegangen“, berichtet der MWK-Chef.

Die Gewerkschaft in der Region ist alarmiert. Der Geschäftsführer der IG Metall Pforzheim-Enzkreis, Martin Kunzmann, weiß, dass zurzeit viele Betriebe die Leiharbeit zurückfahren. „Wir haben mit Betriebsräten in der Region geredet. Teilweise beschäftigen Unternehmen gar keine Leiharbeiter mehr.“ Noch gebe es zwar keine große Entlassungswelle, doch „im neuen Jahr werden wir mit der ein oder anderen Maßnahme zur Beschäftigungssicherung zu tun haben“, schätzt Kunzmann.

Behr steht vor einem schwierigen Jahr 2009
Tragisch sei, dass die Leiharbeiter, für die sich nach einer Entlassung kein alternativer Job finde, bei niedrigem Lohn in die Arbeitslosigkeit kämen. „Ohne HartzIV geht es da gar nicht. Da werden Leute in die Armut getrieben“, beklagt Kunzmann.

Auch den größten Arbeitgeber in Mühlacker hat die Krise erfasst. Seit Oktober gebe es einen „Einbruch“ bei den Abrufen für Modelle, die in Serie seien, teilt die Pressesprecherin der Firma Behr, Stephanie Reuter, mit. Und auch das kommende Jahr werde schwierig. „2009 wird uns in der Region Mühlacker einiges abverlangen. Wir haben viele Neuanläufe, inklusive neuer Fertigungsverfahren. Uns stehen nur begrenzte Mittel zur Verfügung, das heißt, wir müssen sparen, wo immer es möglich ist.“ Behr müsse sich den Herausforderungen eines rückläufigen Marktes mit nur schwer planbaren Abrufen stellen. In der Pkw-Sparte rechnet der Betrieb im Verlauf des nächsten Jahres mit einem Rückgang der Auslastung von 15 Prozent. Bei den Nutzfahrzeugen sieht die Prognose noch schlechter aus. Eine Folge der schwierigen Lage: „Behr Deutschland macht eine längere Weihnachtspause“, so Reuter.

Ein weiteres Indiz für die angeschlagene Autobranche: „Im Bezirk unserer Geschäftsstelle in Mühlacker sind im vergangenen halben Jahr viel weniger Leiharbeiter nachgefragt worden als in den Vorjahren“, berichtet der Chef der Agentur für Arbeit in Pforzheim, Walter Reiber. Allein im Raum Mühlacker seien in den Sommermonaten 600 Stellen, die normalerweise nachgefragt würden, weggebrochen. Auch bei den regulären Stellen mache sich die Krise bemerkbar – allerdings weniger stark. „Seit Oktober wurden im Raum Mühlacker zehn Stellenangebote zurückgezogen. Acht davon im Bereich der Automobilzulieferer“, sagt Reiber.

Die Arbeitsagentur stelle sich auf einen Beschäftigungsabbau ein. Noch seien viele Betriebe tarifvertraglich gebunden. „Doch die Anfragen nach Kurzarbeit steigen signifikant“, macht der Agenturchef deutlich. Seit vier Wochen gebe es im Schnitt täglich fünf Betriebe, die sich in dieser Richtung bei der Agentur erkundigten. „Viele fragen nur vorsorglich nach“, ordnet Reiber die Entwicklung ein und fügt hinzu, dass der Enzkreis natürlich von den Problemen der Automobilindustrie betroffen sei, aber „die anderen Branchen so gut wie gar nicht von der Krise erfasst sind“. Die Zahl der Arbeitslosen, die im Enzkreis derzeit bei rund 1300 liege, werde im kommenden Frühjahr deutlich zunehmen, prognostiziert Reiber. „Doch im Herbst rechnen wir mit einer Erholung und Beruhigung.“ Auch der stellvertretende Geschäftsführer der IHK Nordschwarzwald, Thomas Walter, will die Krise bei den Zulieferern „nicht verniedlichen“. Doch die IHK schaue optimistisch in die Zukunft. Natürlich fehlten in der Region die Aufträge, wenn Betriebe wie Daimler die Beschäftigten in eine verlängerte Weihnachtspause schicke. „Doch die vergangenen Jahre sind im Automobilbereich gut gelaufen. Wir haben einen Rückgang von einem relativ hohen Niveau.“

Vieles werde dramatisiert, betont Walter, der die staatlichen Hilfen für den Autobauer Opel skeptisch sieht. „Wenn die Politik das Fass bei Opel aufmacht, dann kann sie bei kleinen und mittleren Unternehmen vor Ort, die in Schieflage geraten, eigentlich nicht Halt machen. Wir müssen höllisch aufpassen, dass wir nicht in eine Staatswirtschaft abgleiten.“

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4 Antworten zu Krise der Autobauer erfasst die Region

  1. Z-/-A sagt:

    Sie werden mittelfristig die Krisen verschärfen!

  2. imre sagt:

    Parallel dazu wurden jedoch technologische und umweltpolitische Fehlentwicklungen festgeschrieben.

  3. ürk- sagt:

    Mit Verweis auf die gefährdeten Arbeitsplätze wird der Staat um Hilfe gebeten.
    Und diese wird ziemlich leicht gewährt (s. letzten Absatz: Autobauer Opel).

  4. mers.st. sagt:

    Krise nicht nur in der Automobilindustrie. 🙁

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