Kritiker laufen Sturm gegen Konzentration auf elf dezentrale Standorte im Land / Karlsruher Unterlagen sollen in Maulbronn lagern
Von unserem Redaktionsmitglied Wolfgang Voigt
Stuttgart. Die von der Landesregierung geplante Konzentration der Grundbuchämter auf nur noch elf Standorte im Land stößt auf erheblichen Widerstand. Der Landesverband Badischer Haus-, Wohnung- und Grundeigentümer (Haus & Grund) warnt vor einem „völligen Verlust an Bürgernähe“.
Ins selbe Horn stößt die SPD im Landtag. Auf Antrag der Sozialdemokraten befassen sich Experten am morgigen Donnerstag bei einer Anhörung im Landtag mit dem Thema.
Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Rainer Stickelberger, sieht eine Reihe offener Fragen bei der künftigen Finanzierung und Organisation. Die Landesregierung hatte die Kosten für das Vorhaben auf höchstens 60 bis 70 Millionen Euro veranschlagt. Die tatsächlichen Kosten der Reform hingen jedoch von ihrer konkreten Umsetzung ab, erklärte die Regierung auf eine Parlamentsinitiative der Oppositionsfraktion. Aus Sicht von Achim Müller (siehe „4 Fragen an…“), dem Vorsitzenden des Landesverbands deutscher Rechtspfleger, riskiert Justizminister Ulrich Goll (FDP) mit der Reform auch eine Demotivation der Mitarbeiter. Außerdem, so mutmaßt Müller, braucht das Land an jedem der neuen Standorte einen Neubau, um die gigantische Menge an Grundbuch-Akten lagern zu können.
Nach Golls Vorstellung werden die bislang 662 bei den Kommunen angesiedelten sowie die elf staatlichen Grundbuchämter des Landes im badischen Landesteil bis spätestens 2018 auf elf Standorte im ganzen Land konzentriert. Die Führung der Dokumente soll dann auf die Amtsgerichte Tauberbischofsheim, Maulbronn, Achern, Emmendingen, Villingen-Schwenningen, Schwäbisch Gmünd, Heilbronn, Waiblingen, Böblingen, Sigmaringen und Ulm übergehen. Bis zum Stichtag will der Justizminister die Akten digitalisieren. Damit bildet Baden-Württemberg im Bundesvergleich zusammen mit Schleswig-Holstein das Schlusslicht. Für die Bürger werde sich nichts ändern, verspricht Goll. Geplant sei, dass die Gemeinden künftig eine so genannte Grundbuch-Einsichts-Stelle vorhalten könnten. „Wo die Grundbuchführung stattfindet, ist letztlich unerheblich, solange der Bürger vor Ort bequem Einsicht in das – dann elektronische – Grundbuch nehmen kann“, behauptet der Minister.
Von Karlsruhe aus müssten sich die Kunden künftig zum Amtsgericht nach Maulbronn begeben, von Mannheim aus nach Tauberbischofsheim. Für Baden-Baden und Offenburg wäre Achern zuständig, für Freiburg Emmendingen, und die Grundbücher von Konstanz und Waldshut würden in Villingen-Schwenningen verwaltet. „Es war uns wichtig, auch strukturschwächere Regionen zu berücksichtigen“, sagt Justizminister Goll. Bewusst habe man nicht vorrangig Ballungszentren bedacht.
Die Kritiker halten das für den größten Geburtsfehler der Neu-Organisation. Schließlich wurde die Standort-Entscheidung nicht isoliert getroffen sondern mit der Festlegung der Standorte für die Schulämter sowie die Dienststellen zur Flur-Neuordnung verbunden. Das gehe auf kaum glaubliche Weise am Service-Gedanken vorbei. „Hilft mir ein Schulamt, wenn ich eine Grundbuchauskunft benötige?“, fragt rhetorisch Achim Müller. Mit einem Bestand von rund 5,8 Millionen Grundbüchern für die 2,3 Millionen Wohngebäude im Land rangiert Baden-Württemberg etwa auf dem Niveau von Bayern, wo etwa 5,7 Millionen Grundbücher verwaltet werden. Im Freistaat sind die Grundbuchämter bei den 73 Amtsgerichten untergebracht, rund 700 Mitarbeiter werden gebraucht. Der Vergleich zeigt den Kritikern der hiesigen Reform: Um personelle Einsparungen zu erzielen, ist eine Konzentration nicht erforderlich. Und noch etwas machen sie geltend. Entgegen der Empfehlung des Landesrechnungshofs werde keiner der bisherigen Standorte erhalten – obschon die öffentliche Hand dort viel Geld investiert hat.