„Wir sind doch keine Ausbeuter”

Helmut und Hans-Jürgen Deuerer über die von der NGG angestrebte Gründung eines Betriebsrates
Mitarbeiter schrieben an die Geschäftsleitung
Von unserem Redaktionsmitglied Thilo Kampf
Bretten. Für Murat Altiok fing der Arbeitstag bei der Firma Deuerer nicht gut an: „Als ich am Samstagmorgen in die Firma wollte, hieß es, dass meine Zugangskarte gesperrt ist“. Auch der Pförtner habe ihn nicht hereingelassen, erzählt Altiok, der seit fünf Jahren beim Brettener Tiernahrungsmittel-Hersteller beschäftigt ist. Am Montag danach habe er die Kündigung erhalten — mit der Begründung, er sei ja nicht zur Arbeit erschienen. Ähnliches erlebte Firdes Balgün, der man fristlos gekündigt und eine Abfindung angeboten habe. Als Grund für diesen Schritt vermuten die beiden Mitarbeiter ihr Engagement in der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), die bei der Firma einen Betriebsrat installieren will (die BNN berichteten).


Insgesamt vier Personen sei jüngst gekündigt worden, berichtet Gewerkschaftssekretär Christian Schick, alle Mitglieder der NGG. Um auf die Lage aufmerksam zu machen, habe die Gewerkschaft bei der Stadtverwaltung beantragt, entweder am 13. oder am 20. September einen Info-Stand auf dem Marktplatz aufstellen zu dürfen. Als „immerhin erfreulich“ wertet Schick die Unterstützung aus den Reihen der Gewerkschaften im DGB: „Bisher kamen rund 1 000 Euro an Spenden für die Kollegen zusammen.“
Dass den Mitarbeitern gekündigt worden sei, bestätigt Firmengründer Helmut Deuerer den BNN. Zu den näheren Umständen wolle er indes nichts sagen, da es sich um derzeit vor dem Arbeitsgericht Karlsruhe laufende Verfahren handele. Gegen die Einrichtung eines Betriebsrates habe er nach wie vor nichts, erklärt Deuerer weiter, doch müsse der von seinen Leuten tatsächlich gewollt sein. Das habe er in einer von der Geschäftsführung einberufenen Betriebsversammlung aber nicht bemerkt: „Da ist keiner aufgestanden und hat gesagt: Wir wollen einen Betriebsrat“.
Wenn die Gewerkschaft vorher zu ihm gekommen wäre, sagt Deuerer weiter, hätte man über das Ganze reden können. Aber die Art und Weise, wie dann agiert worden sei, könne er nicht dulden. Wie berichtet, hatten Firmenangehörige nachts unerlaubt auf dem Betriebsgelände Handzettel verteilt.
Mehrere Dutzend Mitarbeiter wandten sich inzwischen in einem Brief an die Geschäftsleitung, in dem sie darauf verwiesen, dass sie „mit großer Sorge“ die „Verschärfung des Streits gegen unseren Betrieb durch die Gewerkschaft zur Kenntnis nehmen“. Von „unwürdigen Arbeitsbedingungen“ könne nicht die Rede sein: „Wir können uns nicht erklären“, heißt es in dem von zahlreichen Mitarbeitern unterschriebenen Brief weiter, „weshalb hier von außen mit falschen Behauptungen die Erfolgsgeschichte unseres Betriebes beleidigt werden soll“.
Da alle „mit Freude und Spaß bei der Tiernahrung Deuerer arbeiten und sehr froh darüber sind, einen sicheren und guten Arbeitsplatz zu haben“, hätte sich die Belegschaft „einstimmig dafür ausgesprochen, keinen Betriebsrat einrichten zu wollen“. Die Unterzeichner appellieren an die NGG, „diese Kampagne gegen unseren Betrieb und damit auch gegen uns einzustellen“.
„Von dem Brief wussten wir nichts, aber dass es den gibt, freut uns natürlich“, erklärt Geschäftsführer Hans-Jürgen Deuerer. Auch er könne den angeblich schlechten Ruf seines Unternehmens nicht nachvollziehen: „Wir sind doch keine Ausbeuter. Wenn wir es wären, dann wären doch viele unserer Mitarbeiter nicht 20, 30 Jahre oder länger bei uns geblieben“. Im Übrigen könnte die Geschäftsleitung „leicht 350 Mitarbeiter wegrationalisieren. Aber wenn wir die Wahl haben: Maschine oder Mensch haben wir uns immer für den Menschen entschieden. Wir haben hier auch eine Verantwortung in der Region“.
Die von der katholischen Kirche beauftragten Arbeitnehmer-Seelsorger ruderten nach Angaben von Helmut Deuerer inzwischen zurück: In einem Schreiben des Erzbischöflichen Ordinariats an die Deuerer-Anwälte gaben sie zu Protokoll, dass sie zwar am Rande eines Treffens von Gewerkschaftern und betroffenen Mitarbeitern mit den BNN gesprochen hätten, aber nicht davon ausgegangen seien, dass ihre Aussagen veröffentlicht würden.

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4 Antworten zu „Wir sind doch keine Ausbeuter”

  1. mm sagt:

    „Die Wirtschaftselite ist unsozial – und glaubt, mit ein bisschen Sponsoring sei der sozialen Verantwortung genüge getan“, sagt der Sozialethiker Friedhelm Hengsbach.
    Passt in diesem Falle, wie die Faust aufs Auge!

  2. -an-i- sagt:

    Sollte tatsächlich jemand Interesse an einer solchen Lösung (wie von mir beschrieben) haben, so kann er sich über den BAK mit mir in Verbindung setzen. 🙂

  3. -an-i- sagt:

    Es gibt nur eine Lösung: Bezahlung pro Stück und nicht nach Anwesenheitsstunden. Das ist gerecht, weil alles Andere manipulierbar ist.
    Bis es so weit ist, muss zuerst wohl alles über die Wupper gehen – weil weder die Firmen noch die Gewerkschaften lernfähig sind. PISA lässt grüßen.

  4. Ralph sagt:

    Na wer geht den da über Leichen (Arbeitsplätze) um seinen Betriebsrat zu installieren.

    Da gibt es eine Firma die zeigt wie es geht hunterten von Menschen einen Arbeitsplatz zu geben damit sie ihre Familien ernähren können, und das in einer Zeit wo andere Firmen nur noch Personal reduzieren oder sogar ganz schließen müssen. Ich nenne das eine Hochleistung. Damit so etwas klappt muss nicht nur der Chef so eine Leistung erbringen sondern auch seine Angestellten sonst ist so etwas überhaupt nicht möglich.
    Sicher muss auch jeder mehr geben als normal! Aber sicher hat das auch nichts mit Sklaverei zu tun.(Das sollte man doch prüfen können)
    Wenn ich aus meiner Firma geflogen wäre hätte ich sicher auch kein gutes Wort mehr für sie übrig und würde nicht sehr positiv darüber sprechen.
    Und wenn zwei Mitarbeiter ihre Mitgliedschaft bei der Gewerkschaft gekündigt haben und wieder beim Deuerer arbeiten zeigt es doch nur was im Moment für sie wichtiger ist und wer es ihnen bieten kann oder ?
    Meiner Meinung nach eine gute Entscheidung! So haben wir zwei Arbeitslose weniger, die die Gewerkschaft produziert hat.

    Außerdem vieleicht sind es 5, oder 10 Mitarbeiter von denen da die Rede ist, (jedenfalls habe ich noch nicht von viel mehr gelesen) aber was ist den das für ein Verhältnis zu ca.1000 Mitarbeitern die gibt es in jedem Betrieb mit oder ohne Betriebsrat.
    Sollte dieser Betriebsrat eingeführt werden,
    wo ich mal davon ausgehe das es so kommen wird. Wird auch die Firma Deuerer umdenken müssen ob sie will oder nicht.
    Was glauben sie den warum sich das ganze hier so rauszieht?
    Weil die Firma Deuerer nicht weiß das man sich dagegen nicht wehren kann ???
    Nein ich denke nicht man braucht Zeit ein Notfallplan muss her weil es keinen dafür gab.Viele entscheidungen werden fallen.
    Sie wird sicher nicht mehr so expantieren können, was jede Menge weitere Arbeitsplätze geschaffen hätte. Ebenso werden sie wie alle anderen Firmen darauf angewiesen sein, Kosten einzusparen sprich auch Personalkosten und da wird kein Betriebsrat und auch keine Gewerkschaft was machen können.Denn wenn sich ein Geschäft nicht mehr lohnt muss man die Tore schließen.
    So weit wird es sicher nicht kommen aber es wir bestimmt jede Menge Entlassungen geben.

    Schade!
    Denn wenn ich mir überlege das wir Steuerzahler für diese Kosten aufkommen müssen. Kann ich nur sagen
    Vielen Vielen Dank!

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