Streit über Flächenfraß im Südwesten

Nabu: Entwicklung ist erschreckend und blamabel
Stuttgart (dpa/lsw). Trotz gegenteiliger Ankündigungen der Landesregierung zerstört der Flächenfraß in Baden-Württemberg immer mehr die Natur. Tag für Tag wurde im vergangenen Jahr eine Fläche von 15 Fußballfeldern oder 10,3 Hektar neu genutzt — für Straßen, Schienen, Wege, Industrieansiedlungen, Gewerbegebiete, Grundstücke oder Erholungsflächen. 2006 waren es noch 9,4 Hektar pro Tag. Immerhin hätten die Städte und Gemeinden nach ersten Zahlen nicht mehr Baugebiete ausgewiesen als 2006, sagte Umweltministerin Tanja Gönner (CDU) in Stuttgart. Mehr Platz verbrauchten dagegen Straßenbau und Erholungsflächen.


Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) hatte vor zwei Jahren in einer Regierungserklärung angekündigt, den Flächenverbrauch im Land auf Null zu senken. Gönner sagte: „Trotz erster positiver Anzeichen im Gebäudesektor ist die Gesamtentwicklung weiterhin Besorgnis erregend.“ Sie appellierte an die Kommunen, gemeinsam mit dem Land gegen den Flächenfraß vorzugehen: „Es muss noch breiter gelingen, die wirtschaftliche Entwicklung von der Inanspruchnahme neuer Flächen abzukoppeln.“
Der Städtetag wehrte sich gegen die Kritik. Es könne nicht angehen, dass der Umfang des Flächenverbrauchs in den Städten von oben verordnet werde, sagte ein Sprecher des Kommunalverbandes. Dies wäre ein Eingriff in die kommunale Planungshoheit. Die Städte würden bei der Stadtentwicklung bereits die Belange des Umweltschutzes angemessen berücksichtigen.
Als �erschreckend und blamabel“ bezeichnete der Naturschutzbund Nabu die neuen Daten zum Flächenverbrauch. Nabu-Landeschef Andre Baumann sagte, pro Sekunde verschwänden im Südwesten 1,2 Quadratmeter unter Asphalt und Beton. Für diesen verschwenderischen Umgang mit den Freiflächen müssten die Baden-Württemberger einen hohen Preis bezahlen: „Zunehmende Hochwasser und der dramatische Verlust der biologischen Vielfalt — unserer Lebensgrundlage — sind nur einige Folgen dieser Entwicklung.“
Die Grünen griffen Oettinger scharf an. „Sein Flächen-Nullverbrauch wird zur Lachnummer“, sagte die Karlsruher Landtagsabgeordnete Gisela Splett. Dieses Ziel des Regierungschefs stehe auch im Widerspruch zu seiner Forderung nach mehr Straßen. Mit Appellen und Freiwilligkeit allein sei der Trend nicht zu stoppen. Gönner lehnte rigide Vorschriften ab. Sie setze auf eine wachsende Erkenntnis bei Städten und Gemeinden. Immer mehr Kommunalvertreter würden erkennen, dass sie auch im Interesse der Lebensqualität ihrer Bürger bei Bauland und Gewerbegebieten stärker zusammenarbeiten müssen.

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10 Antworten zu Streit über Flächenfraß im Südwesten

  1. mm sagt:

    Politik als hohe Schule der Volksverdummung! Wir können alles, ausser Flächen sparen!!

  2. a sagt:

    Menschen (Politiker) lügen – Zahlen nicht! 🙂

  3. Naiv. Ling sagt:

    „Gönner lehnte rigide Vorschriften ab. Sie setze auf eine wachsende Erkenntnis bei Städten und Gemeinden. Immer mehr Kommunalvertreter würden erkennen, dass sie auch im Interesse der Lebensqualität ihrer Bürger bei Bauland und Gewerbegebieten stärker zusammenarbeiten müssen.“
    Hier lügt Frau Gönner das Blaue vom Himmel herunter. Von politischer Blindheit geschlagen will sie die ungebremste Ausweisung von Baugebieten nicht sehen! Man kann davon ausgehen, dass Frau Gönner solange appellieren wird, bis der letzte Quadratmeter Gemarkungsfläche zugebaut ist.
    Flächenverbrauch der Stadt Bretten (Gemarkungsfläche)

  4. H.A. sagt:

    „Die Grünen griffen Oettinger scharf an. Sein Flächen-Nullverbrauch wird zur Lachnummer, sagte die Karlsruher Landtagsabgeordnete Gisela Splett.“ Leider hat Frau Splett Recht: Die heiße Luft, die Oettinger beim Thema Flächenverbrauch produziert, würde ausreichen, um alle Wälder, Wiesen und Felder unsers Landes auszutrocknen!

  5. A. Terra sagt:

    „Der Städtetag wehrte sich gegen die Kritik. Es könne nicht angehen, dass der Umfang des Flächenverbrauchs in den Städten von oben verordnet werde, sagte ein Sprecher des Kommunalverbandes. Dies wäre ein Eingriff in die kommunale Planungshoheit. Die Städte würden bei der Stadtentwicklung bereits die Belange des Umweltschutzes angemessen berücksichtigen.“
    Diese Aussage ist eine durch nichts zu überbietende Lüge und bodenlose Unverschämtheit!
    Nachzulesen auf der BAK-Seite unter Flächenverbrauch der Stadt Bretten.
    Oder im Klartext: Frau Gönner darf als Umweltministerin in die „kommunale Planungshoheit“ nicht eingreifen!!

  6. gho sagt:

    „Umweltministerin Gönner appellierte an die Kommunen, gemeinsam mit dem Land gegen den Flächenfraß vorzugehen.“ Ist Frau Gönner wirklich so naiv, dass sie immer noch nicht gemerkt hat wie wirkungslos Appelle an Kommunen – sprich (Ober-) bürgermeister – sind?

  7. Quercus sagt:

    „Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) hatte vor zwei Jahren in einer Regierungserklärung angekündigt, den Flächenverbrauch im Land auf Null zu senken“.
    Steht auch Oettinger, da er gleich nach dieser Aussage die Abholzung des Rüdtwaldes zugelassen hat, jetzt auch als Lügner da?

  8. Naseweis sagt:

    Liebe Frau Gönner sagen Sie uns doch bitte wie viele Gemeinden auf wie viele Hektar bereits geplante Baugebiete – dank Ihrer Appelle – verzichtet haben! Es wäre nett von Ihnen, wenn Sie uns landesweite konkrete Flächenangaben darüber machen könnten. Falls Sie dabei Bretten einbeziehen könnten, würden wir uns noch mehr freuen.
    Zum Bericht der Brettener Woche vom Donnerstag 3. April 2008 „OB Metzger bei Gönner, Brettens flächenschonende Stadtentwicklung gewürdigt“ und zum Flächenverbrauch der Stadt Bretten

  9. ürk- sagt:

    Unglaubwürdige Umweltpolitik im „Musterländle“ Baden-Württemberg.

  10. -az- sagt:

    „Für diesen verschwenderischen Umgang mit den Freiflächen müssten die Baden-Württemberger einen hohen Preis bezahlen: “Zunehmende Hochwasser und der dramatische Verlust der biologischen Vielfalt – unserer Lebensgrundlage – sind nur einige Folgen dieser Entwicklung.“

    Liegt der abgeholzte Rüdtwald (22ha!)nicht auch in Baden-Württemberg?

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