Neue Voraussetzungen

Bauen auf der grünen Wiese lohnt sich meist für Kommunen nicht mehr, doch die Innenentwicklung ist aufwendig
VON STEFANIE SCHLÜTER
Stuttgart/Walldorf. Neubaugebiete rentieren sich für die Kommunen meist nicht mehr. Dennoch ist der Flächenverbrauch weiterhin sehr hoch. In Baden-Württemberg waren es im Jahr 2006 9,6 Hektar am Tag. Tendenz steigend. Bei Regionalkonferenzen geht es deshalb um die Frage nach Kommunalentwicklung und Flächenverbrauch. Nächster Termin ist am 8. Mai in Walldorf im Regierungsbezirk Karlsruhe.

Lohnen sich Neubaugebiete?
Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung lohnen sich Neubaugebiete unterm Strich fiskalisch gesehen häufig nicht mehr, zumindest wenn alle Gestehungs- und Folgekosten eingerechnet werden. Konnten die Stadtoberen bis vor wenigen Jahren noch sicher sein, dass Neubaugebiete, wenn sie nicht völlig peripher lagen, auf Nachfrage stießen, kann heute nicht mehr damit gerechnet werden. In vielen Kommunen stagniert die Bevölkerungszahl bereits, lediglich in 14 Stadt- und Landkreisen in Baden-Württemberg gibt es aktuell noch einen Bevölkerungszuwachs. Beim Ausweisen von neuen Baugebieten muss nach Ansicht von Fachleuten das fiskalische Risiko deshalb intensiv geprüft werden.

Nach Untersuchungen des Wissenschaftlers Stefan Siedentop vom Institut für Raumordnung und Entwicklungsplanung an der Universität Stuttgart wird beispielsweise allein der Zeitraum von der Bereitstellung eines Neubaugebiets bis zum Verkauf des letzten Bauplatzes häufig unterschätzt. Doch dies wirkt sich bereits auf die Kosten aus. Auch müsse sich eine Kommune stets fragen, woher die Leute kommen, die in diese Neubaugebiete ziehen. Denn die erwarteten höheren Zuweisungen bei der Einkommensteuer erhalten die Gemeinden lediglich, wenn die Bewohner der Neubaugebiete aus anderen Gemeinden zugezogen sind. Doch die Untersuchungen von Wissenschaftlern zeigen: Häufig ist das nicht der Fall.

Gibt es nicht bereits genügend Leerstand?
„Die Leerstände wurden lange unterschätzt“, sagt Baubürgermeister Holger Keppel aus Rottenburg. Abgesehen davon, dass in den Kommunen in absehbarer Zeit auch wieder einiges an Wohnraum auf den Markt kommen wird. Keppel nennt Untersuchungen aus Rottenburg, Horb und Sulz am Neckar. Danach sind allein in diesen drei Gemeinden 40 bis 50 Prozent aller Hausbesitzer bereits heute über 60 Jahre alt, die Hälfte davon sogar über 70. Sein Fazit ist klar: „Wir haben genug erschlossenes Bauland.“

Warum setzen die Kommunen nicht alle in erster Linie auf die Innenentwicklung?
„Das ist keine thematische Ignoranz bei den Kommunen“, sagt Stefan Siedentop von der Universität Stuttgart. Auch den kommunalen Planern sei klar, dass sie durch die Innenentwicklung viel Geld sparen könnten. Die Innenentwicklung ist allerdings deutlich mühsamer und zeitaufwendiger als das Ausweisen von Neubaugebieten. Die Besitzverhältnisse sind in der Regel schwieriger. Bahn und Post beispielsweise, in deren Besitz sich viele interessante Grundstücke in den Ortskernen befänden, seien für die Kommunen keine einfachen Partner. Die Preisvorstellungen, was den Wert der Grundstücke angeht, lägen oft deutlich auseinander.
Auch das Thema Altlasten und Sanierung von Böden spielt bei innerstädtischen Brachen eine Rolle. Dennoch könne hier eine Menge Geld gespart werden, trotz deutlich höherer Bodenpreise. Denn die Infrastruktur ist bereits vor Ort. Längerfristige
ökonomische Rechnungen zeigen: Die Innenentwicklung ist sinnvoller, so Siedentop. Dies wird auch von Baubürgermeister Keppel unterstützt. In Rottenburg wird seit fast 30 Jahren die Innenentwicklung vorangetrieben. „Das ist nicht vergnügungssteuerpflichtig“, so seine Erfahrungen. Dennoch lohne sich die Arbeit.

Wie ist die Situation für Gewerbegebiete?
Grundsätzlich ähnlich. Nach Aussage von Bernd Steinacher vom Regionalverband Stuttgart suchen 19 von 20 Unternehmen einen Platz in einem bestehenden Gewerbegebiet. Auf die Grüne Wiese ziehe es in erster Linie Logistik und produzierendes Gewerbe. Hier wird es für die Kommunen künftig nach Ansicht von Fachleuten in erster Linie auf das Bestandsmanagement ankommen. Sie müssen ihre Gewerbegebiete attraktiv halten, um auch neue Unternehmen anzusiedeln. Wo neue Gewerbe- oder Baugebiete dennoch ausgewiesen werden müssen, werden Kooperationen zwischen den Kommunen zunehmend wichtiger.

Kann die Politik die Kommunen zur Innenentwicklung zwingen?
Zumindest nicht durch direkte Verbote. Das würde schon der kommunalen Planungshoheit widersprechen. Doch Politiker in Land und Bund haben die Möglichkeit, zumindest die Rahmenbedingungen zu beeinflussen, etwa durch Änderungen im Landesplanungsgesetz oder im Raumordnungsgesetz. Hier kann beispielsweise ein Vorrang für die Innenentwicklung festgeschrieben werden.
Auch durch Steuervergünstigungen oder verbesserte Abschreibemöglichkeiten kann die Innenentwicklung gefördert werden.
So hat das Kabinett beispielsweise im November vergangenen Jahres im Strategieprogramm des Landes zur Reduktion des Flächenverbrauchs strengere Maßstäbe bei den Genehmigungsverfahren für Neubaugebiete festgeschrieben.
Dennoch: „Wir wollen nicht mit einem Restriktionskurs arbeiten, sondern setzen primär auf Bewusstseinswandel“, sagt Stefan Gloger, Referatsleiter Forschung,Umwelttechnik und Ökologie im Umweltministerium Baden-Württemberg.

05.05.2008

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3 Antworten zu Neue Voraussetzungen

  1. Crixius sagt:

    An
    mm am 8. Mai, 2008 21:53

    Vielleicht sollte dieser Bericht Pflichtlektüre werden:
    Die Medien sind unser Feind
    http://alles-schallundrauch.blogspot.com/2007/08/die-medien-sind-unser-feind.html

    oder
    vielleicht sollte dieser Film besser Pflicht werden:
    Zeitgeist

    http://video.google.de/videosearch?q=zeitgeist+deutsch&sitesearch=

    Auch dies ist wieder ein Artikel um Schäfchen zu beschäftigen.

  2. Crixius sagt:

    Hallo
    mm am 8. Mai, 2008 21:53

    Pflichtlektüre um die Schäfchen weiter zu beschäftigen?

    Wie wäre es mal mit diesem Film:
    Zeitgeist
    http://video.google.de/videosearch?q=zeitgeist+deutsch&sitesearch=

    Noch immer will das BAK in Bretten nicht auf die wahren Probleme eingehen und füttert seine Schäfchen mit Ablenkungslektüre.

    Paule kann heute wieder ruhig ins Bett gehen.
    BAK hat brav reagiert 🙂

  3. mm sagt:

    der Artikel sollte Pflichtlektüre für die Brettener Gemeinderäte werden, beim Vorsitzenden kann man da eine Ausnahme machen, bei ihm ist Hopfen und Malz verloren (bzw. in zu hohen Dosen vorhanden)

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