Dickes Minusgeschäft

Karlsruhe schießt jährlich 13 Millionen Euro zu – Stadträte offen für Kooperationen auf Landesebene
VON MARCUS DISCHINGER , KARLSRUHE
K A R L S RU H E . Den Investitionen zufolge, die in den Aus- und Neubau von Messestandorten gesteckt werden, muss das Geschäft eigentlich extrem lukrativ sein. Es garantiert nationale oder gar internationale Aufmerksamkeit, die regionale Wirtschaft wird über die sogenannte Umwegrentabilität gestärkt. Die Voraussetzung dafür: Das Messegeschäft sollte auch brummen. Das Gegenteil ist der Fall: Es ist ein Minusgeschäft in nicht unbeträchtlichem Ausmaß. Beispiel Karlsruhe: Rund 13 Millionen Euro muss aus dem städtischen Haushalt derzeit pro Jahr zugeschossen werden, um den Standort überhaupt am Leben zu erhalten.
Anderen Städten geht es nicht viel besser, insbesondere übt die Eröffnung der Landesmesse auf den Fildern in Stuttgart enormen Druck aus. Weil die verschiedenen Standorte im Bundesland sich jetzt schon gegenseitig das Geschäft kaputt machen und sich Messen „abluchsen“, hatte Wirtschaftsminister Ernst Pfister (FDP) ein Gutachten in Auftrag gegeben, das die Möglichkeiten von Kooperationen und Fusionen zwischen verschiedenen Messestandorten ausloten soll.
Einige Vorschläge sind schon durchgesickert. Zum Beispiel jener:
Nach noch nicht einmal einjährigem Betrieb soll die Neue Messe auf den Fildern von aktuell 105 000 Quadratmetern Fläche auf rund 130 000 Quadratmeter erweitert werden. Das wurde von Michael Föll (CDU), Finanzbürgermeister von Stuttgart und Aufsichtsrat der Landesmesse, allerdings bereits kategorisch abgelehnt. Auch der CDU-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Stefan Mappus, hält von solchen Überlegungen nichts.

In Karlsruhe wolle man sich zu der inzwischen „sehr konträr geführten Erweiterungsdebatte nicht äußern“, sagt der Sprecher der Karlsruher Messe- und Kongress- GmbH (KMK), Martin Wacker. Direkter werden die Stellungnahmen, wenn es um das Thema Fusion geht: „Nach unserem Sachstand geht es im vorliegenden Gutachten nicht um einen ‚Einkauf ‘ einer Messegesellschaft durch eine andere“, meint Wacker zu einer Äußerung von Föll in der „Stuttgarter Zeitung“, man werde „keinen Verlustbringer wie die Messe Karlsruhe einkaufen“.

Kooperationen möglich
Eher auf Harmonie ausgerichtet und trotzdem genau kalkuliert klingen die Worte der Aufsichtsratsvorsitzenden der KMK, Margret Mergen (CDU), gleichzeitig Finanz- und Wirtschaftsbürgermeisterin der Stadt: „Die KMK ist aufgeschlossen für Modelle, die das Messeland Baden-Württemberg voranbringen und insbesondere dem Standort Karlsruhe nützen.“ Eine mögliche Option könnten dabei laut Mergen Kooperationen bilden – wie sie ja generell auf dem Messemarkt diskutiert würden. „Alle Vorschläge zu Kooperationen im Messeland Baden- Württemberg müssen aber nicht nur anhand der Frage nach betriebswirtschaftlichen Verbesserungen bei den Beteiligten bewertet werden“, führt die Bürgermeisterin weiter aus. Es gelte vor allem, den volkswirtschaftlichen Nutzen für die jeweilige Region zu erhöhen. Und der ist nach Ansicht einer Studie, die Experten der Prognos AG für die KMK erstellt haben, trotz aller Schwierigkeiten hoch (siehe Infokasten).

Bei der Etablierung von Messen können die Messeverantwortlichen in Karlsruhe immerhin darauf verweisen, dass die „art Karlsruhe“ innerhalb kurzer Zeit zu einer der wichtigsten Messen für zeitgenössische Kunst im deutschsprachigen Raum geworden ist. Weitere wirklich prestigeträchtige und zugkräftige Messen fehlen allerdings im Portfolio. Bei Kongressen und Tagungen läuft es deutlich besser. So gut wie aufgegeben hat man in Karlsruhe dagegen mittlerweile das Geschäft mit Konzerten und Events in der Veranstaltungsarena, die den Messehallen angeschlossenen ist. Denn dort müssten jedes Mal teure Tribünen angemietet werden, Konzertveranstalter würden dieses Risiko scheuen.

Der Neubau einer Arena in Mannheim hat Karlsruhe zudem bereits innerhalb kürzester Zeit den Rang abgelaufen. Nach einem echten „Messe-Knaller“ streckt man in Karlsruhe bisher also vergebens die Fühler aus. Dazu fehlt es auch an Größe: Mit 52 000 Quadratmetern Fläche hat man lediglich begrenzte Möglichkeiten. Für viele Veranstalter im Nischenbereich ist diese Größenordnung wiederum zu hoch gegriffen. Die Folge: Die Hallen stehen zu lange und zu oft leer – zumindest nach Ansicht der Kritiker unter den Stadträten.
Mittlerweile übrigens auch in den Fraktionen, die dem Bau der Messe einst mit Begeisterung zugestimmt hatten. Aufgrund der anhaltend hohen Defizite haben die Bürgervertreter bei ihren Wählern inzwischen ein Argumentationsproblem und sehen die Gesamtentwicklung mit Sorge. In diesem Jahr wurde im Gemeinderat bereits zweimal über die Zukunft des Messestandorts Karlsruhe diskutiert – auch unter Einbeziehung der Vorschläge aus Pfisters Gutachten, das offiziell erst Anfang Mai komplett vorgestellt werden soll. Tenor der Diskussionen: So könne es mit dem letztlich aus Steuermitteln finanzierten Wettbewerb unter den Messen im Land nicht weitergehen.

Interessen vertreten
Überlegungen für Kooperationen auf Landesebene könnten gerne angestellt werden. Skepsis herrscht bei einer Mehrheit allerdings gegenüber einer möglichen Fusion. Auch bei Oberbürgermeister Heinz Fenrich (CDU): „Wir werden sehr sorgfältig unsere Interessen vertreten“, sagte er in einer der Debatten zu diesem Thema.

Die Themen dieses Tages in einem anderen Jahr :

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6 Antworten zu Dickes Minusgeschäft

  1. G. H. sagt:

    WIRTSCHAFT
    BNN 5. Juli 2013
    „Rekordjahr für Messe in Friedrichshafen“

    …“Denn auch die Stadt, der zu über 90 Prozent die Messe gehört, kann sich über einen Geldsegen freuen: Mit 8,9 Millionen Euro überwies die Messe eine Rekordmietzahlung an die Besitzgesellschaft…
    …Die Messe Friedrichshafen ist von der Größe nach Stuttgart die Nummer zwei in Baden-Württemberg. Danach folgt die Messe Karlsruhe“.

    Woran mag das Minus in Karlsruhe von 13,5 Millionen Euro, das dort den Steuerzahlern aufgebrummt wird, wohl liegen?
    Dennoch macht dort die Messe weiterhin Freude!
    Verkehrte Welt und verkehrtes (Zahlen-)Verständnis in Nordbaden oder Südbaden und obendrein beides in Baden-Württemberg? 🙂

  2. G. H. sagt:

    BNN AUS DER REGION 28. Juni 2013

    „Die Messe macht Freude“

    „Fast schon eitel Freude herrschte im Verwaltungsausschuss des Kreistages…

    …Das Problem des Unternehmens ist, dass gleichwohl ein Fehlbetrag von 13,5 Millionen Euro bleibt: Für Miete und Gebäudeunterhalt müssen allein neun Millionen aufgewandt werden“.

    13,5 Millionen Defizit werden den Steuerzahlern aufgebrummt und deren Vertreter im Kreistag finden Anlass zur Freude.
    Hat es überhaupt jemals bei diesem – aus der Sicht der Defizite der vergangenen Jahre – überflüssigen Unternehmen einen positiven Jahresabschluss gegeben? 🙁

  3. -A-H. sagt:

    Hotels und Pensionen, welche bei tatsächlich stattfindenden Messen von einer mehr als durchschnittlichen Belegung profitieren, dürfen ebenso von Werbetrommeln für die Karlsruher Messe Gebrauch machen.

  4. n-Or sagt:

    Handwerkskammern, Industrie- und Handelskammern sowie Arbeitgerberverbände können ihre Interessen jederzeit mit der Messe-Gesellschaft koordinieren.

  5. -is- sagt:

    Fusionen und Kooperationen helfen da nicht weiter.

  6. B-L sagt:

    Der Karlsruher Bürgerschaft, welcher die Stadträte verpflichtet sind, wenn ein überflüssiges Minus von 13 Millionen Euro vorliegt, bringt die Messegesellschaft so viel wie Nichts ein.

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