Zu viel Kontrolle

Was technisch machbar ist, muss nicht zwingend angewendet werden. Deutschland hat keine Nuklearwaffen. Das Klonen von Menschen darf nicht in Frage kommen. Dagegen ist das Scannen von Seniorenkarten sicherlich eine lässliche Sünde – gleichwohl ist sie ärgerlich. Da hilft den Propagandisten der totalen Kontrolle auch nicht das Zeigen auf andere schlechte Beispiele. Was anderswo gemacht wird, hat am Hort badischer Liberalität nicht so ohne Weiteres seine Berechtigung. Auch die Einbahnstraße „Fortschritt“ unterliegt der kritischen Kontrolle menschlicher Vernunft.
Es stellt sich die Frage nach dem Nutzen, nach der Verhältnismäßigkeit und nach dem Schaden? Seit Jahr und Tag gehört das Erschleichen von Beförderungsleistungen zu den Vergehen in der Straßenbahn, die nicht bagatellisiert werden sollen. Immer wird es einen Schüler auf Schwarzfahrt geben und einen Rentner mit falscher Karte. Doch seit vielen Jahren ist bekannt, dass das Schwarzfahren in der Großstadt Karlsruhe gerade wegen der herkömmlichen Kontrollen ein vergleichsweise kleines Problem darstellt. Zudem dauert die Kontrolle mit dem Scanner in der rüttelnden Bahn eher länger und ist für den Kunden, der seine Karte aus der Hand geben muss, auch nicht effektiver. Man behandelt seine (Fahr)-Gäste nicht mit generellem Misstrauen, wenn es auch anders gut geht. Die Fahrt einer 80-jährigen Seniorin vom Kolpingplatz zur Herrenstraße erfordert nicht die Überwachung wie eine Eisenbahnfahrt nach Frankfurt oder ein Flug nach Rio – auch wenn das technisch heute möglich ist.

Rupert Hustede

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