Orte fressen sich in die Landschaft

Von Reto Bosch
Bodenversiegelung – Die Gesellschaft hat Hunger. Nach Boden. Im Landkreis Heilbronn verwandeln die Menschen durchschnittlich pro Jahr knapp 200 Hektar Land in Siedlungs- und Verkehrsflächen. Das entspricht fast 400 Fußballfeldern. Für Bauern und Naturschützer ist das deutlich zuviel. Behörden und Bürgermeister halten den Bodenverbrauch im Unterland dagegen für angemessen.

Flächen für Gebäude, Betriebe, Erholung oder Straßen: Im Landkreis summieren sich diese auf über 18 300 Hektar (Stand 2006). Das sind 16,6 Prozent der Gesamtfläche, zehn Jahre zuvor waren es noch 14,9 Prozent. Im Stadtkreis stieg dieser Anteil von 33,3 auf 35,3 Prozent. Die Kommunen weisen ganz unterschiedliche Strukturen auf. Neckarsulm hat einen Siedlungs- und Verkehrsflächenanteil von rund 38 Prozent. In Hardthausen sind es nur 9,3 Prozent. Eines haben alle Städte und Gemeinden gemein: Dieser Anteil ist gewachsen.

Verdichtung „Im Landkreis Heilbronn stellt der Bodenverbrauch kein Problem dar“, sagt Harry Brunnet, Vorsitzender des Gemeindetag-Kreisverbands und verweist auf dichter besiedelte Ballungsgebiete wie den Mittleren Neckarraum. Der Hohenlohekreis kommt dagegen auf 12,6, der Neckar-Odenwald-Kreis auf 10,4 Prozent. Nach Ansicht von Brunnet bemühen sich die Kommunen, die Besiedlung in den Ortskernen zu verdichten. „Viele haben beim Landessanierungsprogramm mitgemacht, um die Kernorte attraktiver zu machen.“ Auch das so genannte Melap-Programm zielt darauf ab, Wohnflächen in bestehenden Baugebieten zu aktivieren. Nach Ansicht Brunnets ist ein Mix aus solchen Projekten und Neubaugebieten der richtige Weg. Zudem sei bei Bauherren noch kein Umdenken festzustellen. „Es ist viel leichter, eine Baufläche im Grünen als in der Ortsmitte zu verkaufen.“ Er glaubt angesichts der demografischen Entwicklung, dass die Nachfrage deutlich nachlassen wird.

Das sieht auch Ekkehard Hein so. Der Direktor des Regionalverbands Heilbronn-Franken erwartet ebenfalls einen stark zurückgehenden Bedarf an Bauflächen. Er weist darauf hin, dass die Regionalplanung mit zwei Entscheidungen auf den Flächenverbrauch reagiert. Zum einen dürften die Kommunen ihre Eigenentwicklung nur noch um 0,7, statt um ein Prozent der Gesamtfläche vorantreiben. Und: Die Vorgaben in Sachen Siedlungsdichte seien verschärft worden.

Gottfried May-Stürmer beurteilt die Situation ganz anders. Der Geschäftsführer des BUND-Regionalverbands Heilbronn-Franken fordert, dass der Flächenverbrauch bis 2015 auf Null zurückgefahren werden muss. In Deutschland gebe es nur ein Bundesland, das dichter besiedelt sei als Baden-Württemberg. Er sieht unter den Kommunen den „Kampf um die letzten Bauherren“ entbrannt. Sie schafften heute für viel Geld Infrastruktur, für die in einigen Jahren die Steuer- und Gebührenzahler fehlten.

Der Naturschützer sieht drei Wege im Kampf gegen Flächenverbrauch: Zum einen eine restriktive Genehmigungspolitik von Flächennutzungsplänen. Zuständig ist dafür meist das Landratsamt Heilbronn. Wegen zu hohem Bodenverbrauch wurde dort laut Pressesprecher Hubert Waldenberger noch kein Plan abgelehnt. Es gebe im Vorfeld direkte Gespräche mit den Kommunen. May-Stürmer schlägt weiter vor, die Einkommensteuer anders zu verteilen, um den Anreiz, ständige neue Bürger anzusiedeln, abzustellen. Außerdem gebe es Vorschläge, einen Zertifikathandel für Flächenversiegelung einzuführen.

Ackerböden „Der Bodenverbrauch ist für uns ein großes Problem“, sagt Helmut Eberle, stellvertretender Vorsitzender des Kreisbauernverbands Heilbronn-Ludwigsburg. Die Landwirte verlieren wertvolle Ackerböden, ihre Flächen werden zerstückelt. „Wir leiden gleich doppelt“, sagt Eberle. Grund: Wenn Kommunen Baugebiete ausweisen, geht Boden verloren. Deshalb müssen sie Ausgleichsflächen schaffen, etwa Obstbaumwiesen anlegen. Und diese Ausgleichsflächen fehlen den Landwirten oft auch noch.

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Eine Antwort zu Orte fressen sich in die Landschaft

  1. mm sagt:

    man darf gespannt sein, wann der Landkreis Karlsruhe ähnliche Überlegungen anstellt. Das Beispiel Bretten wird dabei sofort ins Auge springen : einen ähnlich hohen Flächenverbrauch (ca 200ha in 20 Jahren) dürfte keine Gemeinde vorzuweisen haben!

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