Gezielte Förderung für kleine Überflieger

In Bretten wird das Kompetenzzentrum „Sapienticium“ für hochbegabte Kinder eröffnet
Brettens erstes hochbegabtes Kind war Philipp Melanchthon
Von unserer Mitarbeiterin Miriam Steinbach
Bretten. Das erste bekannte hochbegabte Kind Brettens wurde 1497 geboren: Bereits mit zwölf Jahren begann der äußert kluge Junge sein Studium an der Universität in Heidelberg und wechselte mit 15 Jahren aus Altersgründen nach Tübingen, wo er Astronomie, Musik, Arithmetik und Geometrie studierte. Dabei hatte der Überflieger Glück, dass seine Familie ihn unterstütze und auch sein Lehrer Erasmus von Rotterdam seine Begabung erkannte.
An diesen Werdegang Philipp Melanchthons erinnerte Claudia Keller von der Kinder- und Jugend-Uni Bretten bei der Eröffnung des Kompetenzzentrums für Hochbegabung namens „Sapienticium“ (Weisheit, Klugheit oder auch Philosophie) im Bürgersaal des Alten Rathauses. „Wir wollen mit dieser Einrichtung Kinder mit hoher Intelligenz unterstützen, die in letzter Zeit oft in Vergessenheit geraten sind.“

Die Idee die Kinder- und Jugend-Uni zu erweitern und mit dem Kompetenzzentrum den überdurchschnittlich begabten Kindern eine Plattform zu bieten, kam Keller im Oktober vergangenen Jahres bei der Jubiläumsfeier des Diakonischen Werks. „Ich bin dort mit Eltern von hochbegabten Kindern ins Gespräch gekommen und viele haben von Ängsten, Überforderung oder Schuldgefühlen berichtet“, erzählt Keller. Denn ein hochbegabtes Kind sei zwar ein „Geschenk des Himmels, aber selten ist die Freude ungetrübt.“

Die Kinder hätten andere Ideen und Gedanken, seien in der Schule oft unterfordert und langweilten sich, weiß auch Brettens stellvertretender Oberbürgermeister Gerhard Mayer. „Deshalb benötigen sie Anregungen und Kontakte, damit die Fähigkeiten gezielt gefördert werden und es zu keiner Verkümmerung der Intelligenz kommt.“

Genau hier möchte das Kompetenzzentrum anknüpfen. Außer Vorlesungen für Hochbegabte in den Wahlfächern Natur- und Geisteswissenschaften, Technik oder Kreativität, die mit den Pflichtfächern Rhetorik und Kommunikation und einwandfreie Umgangsformen kombiniert werden müssen, bestehe auch für die Eltern die Möglichkeit, ihre Kinder einschätzen zu lassen und je nach Bedarf Testungen in Bretten durchzuführen. „Die Testungen sind zwar keine Voraussetzung, aber für Kinder im Vorschulalter sinnvoll“, sagt Keller.
Damit nicht nur finanziell starke Eltern ihre Kinder testen und das Angebot des Kompetenzzentrums wahrnehmen können, hofft Claudia Keller auf Sponsoren, damit auch jedes hochbegabte Kind seine gerechte Förderung erfahren kann.

Nicht immer einfach sei es aber für Eltern oder auch Lehrer, ein hochbegabtes Kind überhaupt zu erkennen. Denn das Kind muss nicht automatisch auch hervorragende Schulnoten haben. Professorin Gabriele Weigand von der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe, die die Festrede hielt, erzählt von einem Jungen, der bei einem Wissensquiz jede Frage beantworten konnte, aber die sechste Klasse wegen Nebenfächern wie Erdkunde letztlich nicht geschafft habe.
Deshalb zeigte sie den vielen Interessierten im Bürgersaal, darunter Erzieherinnen, Lehrern und Eltern, Verhaltensweisen auf, woran sie ein hochbegabtes Kind erkennen können. Beispielsweise „haben viele Kinder ein sehr hohes Detailwissen, können sich schnell Fakten merken, bevorzugen Bücher die über ihre Altersstufe hinausgehen und akzeptieren keine Meinung von Autoritäten, ohne sie kritisch zu prüfen“, erzählt Professorin Weigand. Vorurteile, wie das Hochbegabte meist unsportlich, sozial isoliert seien oder häufig Ohrenschmerzen hätten, seien dagegen nichts weiter als Stigmatisierungen.

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Eine Antwort zu Gezielte Förderung für kleine Überflieger

  1. mm sagt:

    Brettens zweites Wunderkind heißt auch P. M., was für ein Zufall! Selbst der stellvertretende Oberbürgermeister „langweilte sich“ wohl in der Schule und ist deshalb auch hochbegabt?

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