„Weltelite verfügt über gesamtes Potenzial an Nahrung“

Wirtschaftswissenschaftler zeichnet beim Bauerntag in Bruchsal düsteres Zukunftsbild von der Landwirtschaft
Radermacher plädiert für öko-soziale Marktwirtschaft
Von unserem Mitarbeiter Klaus Müller
Bruchsal. Allein die Vorstellung lässt einen schaudern: 2050 kommt es infolge von „Übernutzung“, von jahrelangem Raubbau zum „Kollaps“ auf der Erde. Krieg und Terror, der Kampf um die immer weniger werdenden Ressourcen beherrschen von nun an das Geschehen. Nein, bei dem Bild handelt es sich keineswegs um eine sehr verkürzte Zusammenfassung eines Drehbuches für einen Science-Fiction-Film. Dieses Bild von einer aufgewühlten Welt im Kollaps entwarf gestern im beschaulichen Bürgerzentrum von Bruchsal beim ebenso beschaulichen Kreisbauerntag Professor Franz Josef Radermacher. „Chancen der heimischen Landwirtschaft im globalisierten Markt“ lautete der Arbeitstitel seines Referates. Radermacher machte und macht sich unter anderem im Zusammenhang mit der „Globalen-Marshall-Plan-Initiative“ (siehe auch „Stichwort“) nicht nur in Deutschland einen Namen.

Die Alternative zum Kollaps, die der Mathematiker und Wirtschaftswissenschaftler den Landwirten im Bürgenzentrum anbot, dürfte genauso wenig jemanden richtig erfreut haben. „Uns gelingt es, das Schlimmste zu verhindern.“ Aber auf welche Kosten? Auf Kosten der meisten Menschen. „Eine Weltelite wird über das gesamte Potenzial an Energie und Nahrung verfügen.“ Der Großteil der Menschen freilich, und das in Abhängigkeit zu diesen neuen „Feudalherrschern“, werde verarmen. Radermacher räumt diesem Zukunftsszenario relativ gute Chancen ein, das es in dieser oder ähnlicher Form eintreten könnte.
Entwicklungen in diese Richtung – auch als „Brasilianisierung“ bezeichnet – gebe es doch schon längst. Die Schere zwischen den wenigen, die von der Globalisierung („Aufschwung“) profitieren, und denjenigen, die davon eben nicht profitieren, werde immer größer. „Die Entwicklung hat mittlerweile auch reiche Länder wie Deutschland erreicht.“ Und nun? Die Antwort folgt prompt. „Es gibt noch eine dritte Möglichkeit. Und zwar in Form einer globalen öko-sozialen Marktwirtschaft“, meint Radermacher. Dafür notwendig seien wiederum „vernünftige“ – und ganz wichtig – „weltweit gültige Standards“. Eben jene „dritte Möglichkeit“ bietet nach Radermacher der Landwirtschaft, auch der heimischen, die meisten Chancen; besonders vor dem Hintergrund, dass 2050 zehn Milliarden Menschen ernährt werden müssten.

Die Produktion von Lebensmittel, nicht aber die Produktion von Biomasse oder Futtermittel, stellte der Wissenschaftler in den Mittelpunkt landwirtschaftlicher Aufgaben. Beispiel Futtermittel: In vielen armen Ländern würden gewaltige Regenwaldgebiete abgefackelt, um darauf Soja anzubauen; Soja, das auch in die Futtermittelproduktion fließt; Futtermittel, das beispielsweise an Rinder verfüttert wird, damit die Menschen in den „reichen Ländern“ ein Steak auf den Teller bekommen. Gleichzeitig verhungern täglich 24 000 Menschen.

Die Themen dieses Tages in einem anderen Jahr :

Print Friendly, PDF & Email
Dieser Beitrag wurde unter Sonstiges abgelegt und mit , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Eine Antwort zu „Weltelite verfügt über gesamtes Potenzial an Nahrung“

  1. -fc- sagt:

    Meiner Beobachtung nach wird auf den Feldern nicht das angebaut was der Markt tatsächlich benötigt, sondern Pflanzen, die gerade durch die EU subventioniert werden.

    Lebensmittel in Selbstvermarktung (vor Ort) bringen höhere Preise, weniger Transportaufwand , weniger teuren Investitionen und weniger Abhängigkeit gegenüber den Banken – im Gegensatz zu den Rohstoffen die nur über den Handel und einen entsprechenden Preisdiktat vermarktet werden können.

    Vielleicht lässt sich von den Pfälzern was lernen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert