Entlarvende Reaktionen

MICHAEL LEHNER
Die Rentner sind schon wieder die Dummen. Die Blamage mit der viel beworbenen und von den Politikern immer hoch gepriesenen Riester-Rente ist nur ein Baustein der politisch angezettelten Altersarmut. Aber sie wirkt besonders dreist, weil die Verantwortlichen das Problem verniedlichen und vertuschen, wie jetzt wieder zu erleben ist.
Ernsthaft die Sorgen der Bürger aufzunehmen, ist etwas anderes als das, was gerade läuft. Das Vertrauen in den Staat muss darunter leiden. Die Botschaft ist eindeutig: Wer den Appellen folgt und selber zusätzlich fürs Alter vorsorgt, ist der Dumme. Denn in Wahrheit sparen Normalverdiener wohl hauptsächlich zur Sanierung der Rentenkassen, die ein halbes Jahrhundert für sachfremde Leistungen geplündert wurden – zuletzt zur Finanzierung der deutschen Wiedervereinigung, vorher schon zur Mitfinanzierung von Vorruhestands-Orgien, mit denen auch Unternehmen von Weltruf einem hemmungslosen Jugendwahn frönten.

Gemeinsinn kann nur schwer gedeihen, wenn beim Bürger der Verdacht entsteht, dass Parteien und Regierungen die Folgen ihres Handelns verschleiern. Insofern sind die Reaktionen auf die Enthüllungen zum wahren Wesen der Riester-Rente entlarvend: Der Kern des Vorwurfs, dass Ärmere in Wahrheit draufzahlen, ist nicht zu entkräften. Dennoch lassen die rot-grünen Erfinder der Vorsorge-Falle berechtigte Kritik kaum gelten. Statt dessen gibt es heftige Kritik an denen, die das Problem benennen und öffentlich machen.

Das Verfahren erinnert fatal an die öffentlich noch kaum wahrgenommene Falle, dass auch auf Zusatz-Renten in aller Regel Krankenversicherungsbeiträge fällig werden. Wer für ein Alter ohne Armut gespart hat, steht nicht selten als der Dumme da – und die Politik, die solche Zumutungen ausheckt, gerät in den Verdacht, dass sie ihre Opfer gezielt unter Wehrlosen sucht.
Auf der Strecke bleibt zudem Vertrauen auch ins Grundgesetz, das die Republik zum rechtsstaatlichen Handeln verpflichtet. Wenn die Menschen immer wieder erleben, dass Treu und Glauben im Zweifelsfall nur wenig wert sind, liegt Gegenwehr in Form von Misstrauen nahe.

Und breites Misstrauen seiner Bürger ist das Schlimmste, was einem Gemeinwesen wiederfahren kann. Dieser Staat baut auch auf das Vertrauen seiner Bürger auf. Jene, die in Sonntagsreden den Bürgersinn beschwören, sollten es bedenken, wenn sie sich die nächsten Tricks zum Schaden des Volkes ausdenken statt jene Sparsamkeit zu leben, die den Wählern wie selbstverständlich abverlangt wird.

Die Themen dieses Tages in einem anderen Jahr :

• Stadtbahn fährt vom September an - 1992
• Neujahrsempfang der Stadt Bretten - 2004
• Herwig Utescheny hofft auf Investor - 2005