Lehrer setzen auf Polizei

Zusammenarbeit umstritten
Düsseldorf. Angst vor Amokläufen, Gewaltausbrüchen und Aggressionen: Lehrer setzen zunehmend auf die Unterstützung der Polizei, um ihrer Schüler noch Herr zu werden. Seit dem Blutbad von Emsdetten im November 2006 hat vor allem die nordrhein-westfälische Landesregierung die Zusammenarbeit von Schule und Polizeibehörden deutlich ausgebaut. Experten fordern jedoch auch eine Rückbesinnung auf pädagogische Ziele. Als wichtigste und zugleich umstrittene Neuregelung in Nordrhein-Westfalen gilt die bundesweit bislang einmalige Anzeigepflicht für Schulen bei Vorfällen wie schwerer Körperverletzung, Raubdelikten, Sachbeschädigung oder Nötigung.


„Wir brauchen klare Regeln und kurze Drähte zur Polizei, denn Gewalt an unseren Schulen gibt es nun mal, und es macht keinen Sinn, davor die Augen zu verschließen“, erklärt Andrej Priboschek, Sprecher des Schulministeriums. Verstärkt wurde die „Kultur des Hinsehens“ auch durch die Einrichtung von festen Ansprechpartnern bei der Polizei für alle 6 800 Schulen des Landes.
Als „glatte Fehlentwicklung“ bezeichnet jedoch der Kriminologe Michael Walter von der Universität Köln die starke Konzentration auf die Zusammenarbeit mit der Polizei. Statt zunehmend als Hilfssheriffs sollten Lehrer lieber wieder als Pädagogen agieren. „Wir müssen in der Schule wieder mehr erziehen, Regeln und Werte vermitteln und auf Einsicht und Verständnis setzen — das Strafrecht braucht man dazu erst einmal nicht.“
Ginge es nach Carmen Trenz von der Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz, sollten nicht nur Polizisten, sondern auch andere, die Lehrer unterstützende Berufsgruppen wie Psychologen oder Sozialarbeiter Teil des Schulalltags werden. „Die Lehrkräfte sind überfordert im Umgang mit Kindern, die immer öfter aus armen schwierigen Verhältnissen stammen und ihre ganzen persönlichen Probleme mit in die Schule tragen.“
Die Gewerkschaft Erziehung Wissenschaft (GEW) wäre schon allein für die Einrichtung zusätzlicher Lehrerstellen dankbar: „Mit dem derzeitigen Personal können wir uns gar nicht ausreichend mit den Schülern und deren Situation beschäftigen“, kritisiert Renate Boese, Leiterin der Arbeitsgemeinschaft Arbeits- und Gesundheitsschutz der GEW in Nordrhein-Westfalen. „Solange wir die Nährböden für die wachsende Gewalt nicht beseitigen, müssen wir wohl auch die polizeiliche Präsenz an unseren Schulen akzeptieren.“ Daniela Pegna

Die Themen dieses Tages in einem anderen Jahr :

Print Friendly, PDF & Email
Dieser Beitrag wurde unter Sonstiges abgelegt und mit , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

7 Antworten zu Lehrer setzen auf Polizei

  1. fr.-zurh. sagt:

    Ein großer Anteil an den Gründen und Ursachen liegt in den trostlosen Berufs- und Lebens-Perspektiven dieser jungen Menschen.

  2. äth. sagt:

    Wo ist hier die (Verkehrs-)Polizei?

  3. za. sagt:

    Und man spricht auch weiterhin von „Kavaliersdelikten“.

  4. v/Z sagt:

    50 Jahre Flensburger Verkehrssünderkartei bringt eben nicht genug!

  5. a-s sagt:

    Schauen Sie sich einmal die Situation im deutschen Straßenverkehr an. Da sehen Sie das echte Spiegelbild.

    Fahrlässigkeit, Vorsatz und Nötigung lassen regelmäßig in absolutem Übermaß grüßen.

  6. RL sagt:

    Ich hatte schon in den 80ern an einer Brettener Schule ein Messer am Hals. Damals wurde das von den Lehrkörpern ins lächerliche gezogen und abgewiegelt. Der Messerschwinger kam Jahre später in den Knast weil er sein Messer bei einen Streit dem Kontrahenten wirklich in den Bauch gedrückt hat…

    Das eingestehen eines Gewaltproblems an Schulen scheint ja endlich eingestanden zu werden. Das kann man nur hoffen!

    Und ich kann auch nur Hoffen, dass man sich dabei nicht als populistische Lösung auf die bösen Videospiele oder Filme versteift! Außer Zensur und Demokratieabbau bringt das nämlich überhaupt nix. Die Lösung sind Perspektiven und Investitionen für unsere Jugend. Das liegt noch nicht mal beim Kultusminister, sondern beim Finanzminister. Der gibt dem Kultusminister nämlich den Handlungsspielraum über Budget…

  7. -az- sagt:

    “Wir brauchen klare Regeln und kurze Drähte zur Polizei, denn Gewalt an unseren Schulen gibt es nun mal, und es macht keinen Sinn, davor die Augen zu verschließen“,…

    Endlich Klartext!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert