Sofort alle Ehrenrechte aberkannt

Gemeinderat in Maulbronn beschließt einstimmig formelle Tilgung des NS-Diktators Hitler aus der Liste der Ehrenbürger
MAULBRONN/MÜHLACKER. Mit einer „weitestgehenden Distanzierung“ hat am Abend der Gemeinderat in Maulbronn NS-Diktator Adolf Hitler formell das Ehrenbürgerrecht aberkannt. Einstimmig fasste das Gremium die Resolution.

„Es wird nichts unter den Teppich gekehrt. Maulbronn unter dem Hakenkreuz ist ein Teil der Stadtgeschichte“, kündigte Bürgermeister Andreas Felchle vor dem 18-köpfigen Gremium an, das ohne jede Aussprache stumm und ohne Regung einstimmig die vorgelegte einseitige Resolution verabschiedete. „Adolf Hitler wird mit sofortiger Wirkung das Ehrenbürgerrecht aberkannt“, lautete der Kernsatz des Beschlusses. Der Text bezeichnete diese Konsequenz als „pure Selbstverständlichkeit“. Allerdings hielt die Entschließung ebenso fest, dass ähnlich wie die Stadt Maulbronn mehr als 4000 Kommunen im ehemaligen Deutschen Reich „verblendet, manipuliert und verführt von vermeintlichen Anfangserfolgen den damaligen Reichskanzler und selbst ernannten Führer Adolf Hitler“ zum Ehrenbürger ernannt hätten. Die Resolution sprach aber ebenso von „dummer, menschenverachtender Begeisterung in erheblichen Teilen der Bevölkerung“ als Motiv für diese Auszeichnung.

Historiker: Mutige Entscheidung
Die Leiterin des Stadtarchivs des Mittelzentrums, Marlis Lippik, sagte gestern, Mühlacker habe NS-Diktator Adolf Hitler die Ehrenbürgerwürde im Dritten Reich nicht verliehen. Im Juni 1945 seien vom Bürgermeister in der Stadt auf Geheiß der alliierten Militärverwaltung alle nach NS-Größen benannten Straßen wie der Adolf-Hitler-Damm oder die Hindenburg-Hitler-Anlage an der Löffelstelz, die damals eine Freizeitanlage war, mit neuen Namen bezeichnet worden. Alle Bezeichnungen mit Bezug auf die Nazi-Zeit seien restlos gestrichen worden.

Die Stadthistorikerin sagte, in der damals selbstständigen Gemeinde Großglattbach habe sich mit Wilhelm Gayer als Schultes ein Dorfoberhaupt erfolgreich dem Nazi-Regime widersetzen können. Er sei erstmals in den zwanziger Jahren gewählt worden und habe dann dieses Amt ununterbrochen bis in die sechziger Jahre ausgeübt. Andere Historiker nannten es eine „mutige Entscheidung der Stadt Maulbronn“, sich formell und politisch von der Verleihung der Ehrenbürgerwürde an Hitler so öffentlich und deutlich zu distanzieren. Mit dem Tod sei juristisch bereits das Ehrenbürgerrecht erloschen. Die Verleihung des Titels an Hitler sowie die Benennung von Straßen nach dem NS-Diktator hätten von der Reichsregierung genehmigt werden müssen. Aus dem Landratsamt des Enzkreises war gestern zu hören, nur wenige Dörfer und Städte des heutigen Enzkreises wie Maulbronn seien von Hitler in der Zeit des Dritten Reichs überhaupt besucht worden. Der Gemeinderats-Beschluss in Maulbronn wies am Abend ebenso auf die demokratische Aufbauleistung der Bürger hin, die aus der „unseligen Geschichte gelernt und die überragenden Werte des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats verinnerlicht“ hätten.

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3 Antworten zu Sofort alle Ehrenrechte aberkannt

  1. k-St. sagt:

    Bei denen hat es langsam gedämmert!

  2. -an-i- sagt:

    „…verblendet, manipuliert und verführt…“

    Eine grundsätzliche Frage:
    Geht diesen Begriffen nicht zuerst eine Lüge voraus, die sich am besten über die unkritische Nachrichtenmedien verbreiten lässt?

  3. mm sagt:

    wie ich sie bewundere, die mutigen Kämpfer aus Maulbronn. „Sofort“ hat man alle Ehrenrechte aberkannt, „stumm und ohne Regung einstimmig“ wurde dem Diktator die Stirn geboten, ohne allerdings zu versäumen, auf die anderen 4000 Städte und Gemeinden hinzuweisen, die ebenso „verblendet, manipuliert und verführt“ wurden. Nach 62 Jahren hat man das nun auch in Maulbronn geschnallt und medienwirksam reagiert. Jetzt kann ich mir sicher sein : so etwas kann in Deutschland nie mehr geschehen!?

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