Stadtwerke verklagen Bank

Geschäft mit Zinsspekulationen geht nach hinten los – SWP-Chef spricht von „Fehlberatung“
PFORZHEIM. Nicht nur die Stadt Pforzheim, auch die Stadtwerke haben bei riskanten Derivat-Geschäften mit der Deutschen Bank Federn gelassen. Die SWP sprechen von „eklatanter Falschberatung“ und ziehen vor Gericht.

Wenn die großen Banken an ihren Finanzprodukten basteln, muss man sich das wohl so ähnlich vorstellen wie in einem Chemie-Labor. Das gilt besonders für so genannte Derivate: eine im Lauf der Zeit wechselnde Kombination von festen und flexiblen Zinssätzen, die vor allem eines sein sollen – billiger als das, was man sonst an Zinsen zahlen muss, wenn man sich Geld leiht. Was die Deutsche Bank in ihrem Labor zusammengemixt und den Stadtwerken Pforzheim verabreicht hat, ist offenkundig außer Kontrolle geraten.

„Wir haben eine kompetente Beratung erwartet und haben ein untaugliches Produkt bekommen“, sagt Stadtwerke-Geschäftsführer Wolf-Kersten Meyer. Begonnen hatte die Geschichte Ende 2004. Auch als Folge damals noch guter Erfahrungen der Stadt Pforzheim, der die Stadtwerke immer noch zu etwa zwei Dritteln gehören, hatte sich das Pforzheimer Versorgungsunternehmen mit dem Thema befasst, wie die Zinsausgaben gesenkt werden könnten. „Wir standen unter ziemlichem Kostendruck,“, erinnert sich Meyer. Die SWP hatten Kredite über rund 32 Millionen Euro laufen, der durchschnittliche Zinssatz betrug rund 5,9 Prozent, rund anderthalb Millionen mussten die SWP jährlich an Zinsen zahlen. Man suchte Rat bei der Deutschen Bank. Vor allem, weil im eigenen Haus zwar durchaus Diplom- Volkswirte arbeiten, die sich mit Krediten auskennen. Das Spezialwissen über Derivate aber war nicht da. „Auch deshalb sind wir zum größten deutschen Finanzinstitut gegangen, weil wir gerade von dort eine kompetente Beratung erwarteten“.

Anfang 2005 empfahlen die Berater der Deutschen Bank ein Derivat aus dem eigenen Haus. Zu Beginn sollte die Zinsersparnis garantierte 250 000 Euro je Halbjahr betrragen, wie Meyer schildert. Später sollte die Ersparnis von der Entwicklung des Derivats abhängig sein. Der Vertrag sah eine Laufzeit bis 2012 vor, und die Bank habe vorgerechnet, dass die Stadtwerke im allerschlechtesten Fall innerhalb dieser sieben Jahre 300 000 Euro sparen würden. Zudem gebe es kurzfristige Kündigungsmöglichkeiten.

Doch es kam anders. Die Deutsche Bank hatte im August 2005 gerade die ersten 250 000 Euro überwiesen, da fielen den SWP-Leuten Unstimmigkeiten auf. Die Vorhersagen für die Entwicklung des Derivats änderten sich, und das nicht zum Guten. Erste besorgte Anrufe habe die Bank beschwichtigend abgetan. Selbst als der Marktwert weiter absackte, hätten die Berater immer noch nicht empfohlen auszusteigen. Die SWP wollten zu diesem Zeitpunkt schon nichts anderes, als alles rückgängig zu machen. Die Bank, so schildert es Meyer, ließ sie nicht, überwies die zweiten 250 000 Euro an festgeschriebener Zins-Ersparnis, als wäre nichts geschehen. Und ein halbes Jahr später noch einmal 100 000 Euro. Dann trat ein, was die SWP hatten kommen sehen: Das Geschäft kippte. Die Zinsen waren nicht mehr billiger, sondern teurer, und die Deutsche Bank forderte 400 000 Euro von den Stadtwerken. Daraufhin entschlossen sich die SWP zur Klage und beauftragten die auf solche Fälle spezialisierte Münchner Kanzlei Rössner, die vor dem Landgericht Stuttgart Klage einreichte.

Ähnlich wie den Stadtwerken Pforzheim erging es bereits der Stadt Pforzheim und laut SWP mehreren hundert Städten, kommunalen Versorgungsunternehmen und auch privaten mittelständischen Unternehmen. Erster prominenter Fall in Süden Deutschlands war die Stadt Würzburg, erst gestern berichtete die „Stuttgarter Zeitung“ von der städtischen Wohnbaugesellschaft Ulm. Der „Stuttgarter Zeitung“ gegenüber hatte die Deutsche Bank gesagt, sie gebe in dieser Sache zum Einzelfall keine Auskunft. Auch die PZ wartete gestern vergeblich auf einen Rückruf aus Frankfurt.

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17 Antworten zu Stadtwerke verklagen Bank

  1. tors. sagt:

    Im Streit um Schadensersatz für riskante Zinsgeschäfte hat die Deutsche Bank einen juristischen Erfolg errungen.

    Das Landgericht Magdeburg hat die Klage des kommunalen Wasserversorgers Heidewasser abgelehnt.

    In der Begründung heißt es, die Bank hat das Unternehmen hinsichtlich sogenannter Zins-Swap-Geschäfte anleger- und anlagegerecht beraten. Die Bank hat mehrfach darauf hingewiesen, dass dabei ein in seiner Höhe theoretisch unbegrenztes Risiko besteht.

  2. Wern.-St. sagt:

    Man fühlt sich ja schließlich im Recht!

  3. Id./SCHM. sagt:

    Personelle Konsequenzen – Fehlanzeige! Warum denn auch?

  4. er. mei. sagt:

    Die Deutsche Bank zu verklagen, nicht minder.

  5. pp sagt:

    Mit Kundengeldern spekulieren. Das macht Spaß.

  6. -A-H. sagt:

    Die Kunden der Stadtwerke Pforzheim müssen sich einmal folgendes vor Augen halten.

    Das Produkt der Deutschen Bank ist der höchsten Risikoklasse zuzuordnen. Der Spread Ladder Swap ist bezogen auf die Risikostruktur ein hoch spekulatives Termingeschäft – wie ein Leerverkauf von Optionen.

  7. - Cath.D. sagt:

    Die in die Wetten eingebauten Hebel wirken aus Kundensicht im Verlustfall stärker als im Gewinnfall!

  8. Ottm. Schu. sagt:

    Was darauf folgte, war in den vergangenen 30 Jahren fast Naturgesetz: Die kurzfristigen Zinsen stiegen stärker als die langfristigen.

    Und die Zinsstrukturkurve wurde flacher.

  9. mfr. sagt:

    Mit dem Produkt hat man darauf gewettet, dass die langfristigen Zinsen weiter deutlich über den kurzfristigen liegen, also auf eine recht steile Zinsstrukturkurve. Doch im Dezember 2005 begann die Europäische Zentralbank – wie allgemein erwartet – mit Zinserhöhungen.

  10. -az- sagt:

    Warum spekulieren die Entscheider nicht mit ihrem eigenen Geld?

  11. tors. sagt:

    Wie gewonnen, so zerronnen.

  12. tors. sagt:

    Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.

  13. tors. sagt:

    Die Dummheit kommt nie aus der Mode.

  14. S. sagt:

    Wer das Risiko trotz Beratung der Bank nicht richtig einschätzen konnte, hat sicherlich die falsche Kapitalanlage gewählt.

  15. Chr./Leh. sagt:

    Für mich müssen eigentlich die Stadtwerke Pforzheim die Beklagten und nicht die Kläger sein.

  16. N./P. sagt:

    Wer Kundengelder am Kapitalmarkt zur Spekulation einsetzt, darf sich nicht wundern, wenn er zu dumm ist und sich verspekuliert.

  17. Ils.St. sagt:

    Lachhaft!

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