Ministerin rügt Flächenfraß

Wohn und Gewerbeflächen: Eine Medaille mit zwei Seiten – Podiumsdiskussion in Remchingen
REMCHINGEN/ENZKREIS. Umweltministerin Tanja Gönner (CDU) warnt ausdrücklich vor einem „Wettlauf der Kommunen, wenn Wohn- und Gewerbegebiete ausgewiesen werden, ohne dass sie gebraucht“ würden.
Wie sehr beim Thema Flächenversiegelung auch im Enzkreis die Interessen auseinander gehen, zeigt eine Podiumsdiskussion im Gymnasium Remchingen.
„Täglich werden in Baden-Württemberg landwirtschaftliche Flächen so groß wie 14 Fußballfelder für neue Wohn- und Gewerbegebiete sowie Straßen erschlossen“, bestätigte Gönner die mahnenden Begrüßungsworte von Martin Gegenheimer (Junge Union Remchingen). Diese Entwicklung stehe „in klarem Gegensatz“ zu einer nachhaltigen Politik, monierte Gegenheimer.

„Es geht um Arbeitsplätze“
„Wegen der Gewerbesteuer siedeln wir kein Unternehmen am Ort an. Es geht uns um die Arbeitsplätze“, sagte Wolfgang Oechsle, parteiloser Bürgermeister Remchingens. Ferner verwies er darauf, dass „Gewerbe auf der grünen Wiese meistens die einzige Möglichkeit“ sei, die Unternehmen am Ort zu halten, wenn Probleme mit der Nachbarschaft vorliegen würden. Oechsle reagierte damit auf harsche Wortbeiträge aus den Zuhörerreihen.

„Es ist im Enzkreis Mode geworden, dass die Gemeinden Gewerbegebiete ausweisen“, meinte ein Besucher der Podiumsdiskussion. Mit starkem Beifall bedacht wurde das Plädoyer eines Landwirtes. Ihm zufolge sei es ein „sündhaftes Verhalten, wenn gute Böden versiegelt werden, die dann für unsere nächsten Generationen für immer weg sind. So die Gemeindekassen zu sanieren, das ist zu kurz gedacht.“

Auf der Bühne bezeichnete es Ulrich Hauser vom Kreisbauernverbund als „Aktionismus, dass die Gemeinden im Enzkreis gerade noch Gewerbegebiete ausweisen, solange sie es noch dürfen.“ Fläche sei endlich. Ein Bürger gab zu bedenken: „Wenn ich auf den Remchinger Höhen spazieren gehe, sehe ich nur noch Industriegebiete und muss Straßen überqueren.“ Darunter leide die Wohnqualität.

„Finanzielle Belastung für Jahre“
„Es geht um intelligentes Flächenmanagement“, forderte Tanja Gönner. Gerade in den Gemeinderäten müsse angesprochen werden, ob der Bedarf und die Notwendigkeit neuer Wohn- und Gewerbegebiete vorhanden seien. „Kosten der Überdimensionierungen bleiben für die Gemeinden über Jahre eine finanzielle Belastung“, ermahnte die Ministerin die Kommunalpolitiker.

„Im Unterschied zur Umweltministerin muss der Ministerpräsident auch andere Interessen bedenken“, hielt Rathauschef Oechsle den Ausführungen Gönners entgegen. Nach Oechsles Dafürhalten wäre es „eine schlechte Situation, wenn sich die Gemeinden davor drücken würden, neue Gewerbegebiete auszuweisen.“ Tanja Gönner antwortete Oechsle mit der Regierungserklärung Günther Oettingers aus dem vergangenen Jahr. Darin hatte der Ministerpräsident das Ziel ausgegeben, beim Flächenverbrauch eine „Nettonull“ anzustreben. Zudem müsste nach Gönners Meinung den Gemeinden ebenso wie auch den Unternehmen an den „weichen Faktoren“ eines Ansiedlungsortes gelegen sein, um das nötige Fachpersonal an sich zu binden. „Es gibt Möglichkeiten Familien anzusiedeln, ohne sofort auf der Grünen Wiese neue Wohngebiete auszuweisen“, befand Gönner.

Mit den Förderrichtlinien für Altbausanierungen habe die Landesregierung „klare Signale“ gesetzt, um die Ortskerne vor dem Ausbluten zu schützen. „Die Innenentwicklung muss konsequent Vorrang vor der Ausweisung neuer Wohn- und Gewerbegebiete erhalten“, lautet der Satz, den Gönner als Leitlinie wiederholt an diesem Abend ausgegeben hat.

Erstellt am: 18.10.2007

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10 Antworten zu Ministerin rügt Flächenfraß

  1. Cor. sagt:

    Warum war Frau Gönner in Remchingen aber nicht in Bretten? Fürchtet Sie sich vor dem Anblick eines unnötig gerodeten Waldes? Oder ist Sie gar der Meinung, dass man die Brettener Gemeinderäte nicht „ermahnen“ muss? Aber bekanntlich hackt ja eine Krähe einer anderen kein Auge aus.

  2. Quercus sagt:

    Die „Kosten der Überdimensionierungen bleiben für die Gemeinden über Jahre eine finanzielle Belastung“ ermahnte die Ministerin die Kommunalpolitiker. Dies ist richtig und kann nicht oft und deutlich genug gesagt werden. Kommunalpolitiker wissen das seit Jahren, halten aber trotzdem an den „Erfolgsrezepten“ der 60er Jahre fest.
    Ermahnungen ohne die Androhung von schmerzhaften Konsequenzen kann man sich ersparen, weil man sich sonst zum Gespött macht.

  3. Fragezeichen sagt:

    Warum ist die Flächeninanspruchnahme durch die Gemeinden so hoch? Doch nur deshalb, weil die Gemeinden immer noch über den Bedarf hinaus und ohne Notwendigkeit neue Wohn- und Gewerbegebiete ausweisen! Die Forderung von Frau Gönner, dass die Gemeinderäte diesbezüglich „angesprochen werden“ müssen, wird ohne Wirkung bleiben.
    Nur klare Gesetze gegen den Flächenverbrauch können die Gemeinden zur Raison bringen!
    Ein(e) Umweltminister(in), der wie ein Hund mit Maulkorb an der Kette liegt und nur leise knurren darf, nützt der Umwelt nichts.

  4. W.Sch. sagt:

    Umweltministerin Tanja Gönner (CDU) warnt ausdrücklich vor einem „Wettlauf der Kommunen, wenn Wohn- und Gewerbegebiete ausgewiesen werden, ohne dass sie gebraucht“ würden. Aber gleichzeitig lässt sie die Kommunen ungebremst weiter Flächen versiegeln! Wie passt das zusammen?

  5. L.W. sagt:

    Mit starkem Beifall bedacht wurde das Plädoyer eines Landwirtes. Ihm zufolge sei es ein „sündhaftes Verhalten, wenn gute Böden versiegelt werden, die dann für unsere nächsten Generationen für immer weg sind. So die Gemeindekassen zu sanieren, das ist zu kurz gedacht.“
    Dem kann man nur zustimmen! Frau Gönner muss man aber daran erinnern, dass ihr eigenes Ministerium schon seit Jahren den Boden als das „Tafelsilber des Landes“ bezeichnet, das es unbedingt zu erhalten gilt. Schon vergessen?

  6. g-h-o sagt:

    Frau Gönner behauptet es ginge ihr „um intelligentes Flächenmanagement“. Das sieht dann beispielsweise so aus wie am Beispiel Rüdtwald in Bretten. Dort hat sie die Abholzung von Naturparkwald stillschweigend geduldet, weil ihr Parteifreund, der Brettener Oberbürgermeister Paul Metzger, 20 ha Wald für ein Gewerbegebiet fordert. Und dies obwohl weit und breit kein Investor in Sicht ist und die Gemeinde Oberderdingen der Stadt Bretten eine entsprechende bereits erschlossene Gewerbefläche anbietet. Trotzdem durfte Metzger bereits sechs Hektar roden – gegen den ausdrücklichen Willen von 6000 Bürgern . „Intelligentes Flächenmanagement“ ? Frau Gönner, ihre Sprüche glaubt Ihnen keiner mehr!

  7. l-rd sagt:

    „Ministerin rügt Flächenfraß“ – in der Podiumsdiskussion.

    Mit der Folge, in Wirklichkeit nichts zu tun.

  8. si/z sagt:

    Wenn ihrem Reden auch ihre Taten folgen würden, dann erst könnten die Leser und Bürger zur Umweltministerin aufschauen.

  9. g/L sagt:

    Reden ist eine Sache, Tun eine völlig andere!

  10. mm sagt:

    Was sind diese Rügen und Appelle eigentlich noch wert, wenn gleichzeitig am 11.10.2007, die Abholzung von 22ha Rüdtwald mit der Ablehnung der Petition dagegen endgültig vom Land Baden-Württemberg legalisiert wurde ? Heuchelei, Unwissenheit, Volksverdummung ??

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