Bürgermeister müssen verstärkt mit Abgang rechnen

20.09.2007 Stuttgart. Das Ende kommt immer unerwartet. Wer sich als Bürgermeister im Südwesten zur Wiederwahl stellt, der vermutet fast nie, dass etwas schiefgehen könnte. Schließlich durften sich die Amtsinhaber jahrzehntelang darauf verlassen, erneut auf den Chefsessel im Rathaus gewählt zu werden. Doch immer mehr Bürgermeister scheitern.

In einer Studie hat der Tübinger Politikwissenschaftler Timm Kern herausgefunden, dass die Wähler in Baden-Württemberg wechselfreudiger geworden sind. Niederlagen werden für die Amtsinhaber häufiger – und bedeuten oft einen persönlichen Schock, sagt Kern: «Viele Ex-Bürgermeister haben lange gebraucht, um mit ihrer Abwahl fertig zu werden.»

Viel Zeit
Dabei gibt es im Südwesten gar keine Abwahl im Wortsinn, wie Kern klarstellt. Denn ein Bürgermeister hat nach seiner Wahl acht Jahre lang das Sagen im Rathaus – ganz gleich, was Gemeinderat oder Bürgerschaft von seiner Amtsführung halten. Dass es keine Möglichkeit zur vorzeitigen Abwahl gibt, sei typisch für die starke Stellung des Bürgermeisters in Baden-Württemberg: «Kein anderes Wahlamt ist so unangreifbar», sagt Kern. Der Schultes ist Vorsitzender des Gemeinderats, er steht an der Spitze der kommunalen Verwaltung und vertritt zudem die Gemeinde nach innen und außen – eine beachtliche Amtsfülle.

Hinzu kommt die außergewöhnliche lange Amtszeit von acht Jahren. Das bedeutet viel Zeit, um politisch zu gestalten und Konflikte auszugleichen. In acht Jahren kann sich ein Schultes aber auch mit vielen über Kreuz legen – und dadurch seine Wahlaussichten ramponieren. So wie der Rastatter Bürgermeister Klaus-Eckhard Walker, der nach umstrittenen Äußerungen über Asylbewerber um seine Wiederwahl am 30. September bangen muss. Oder wie Jörg Nonnenmann, der im Juni seinen Chefposten im Rathaus von Althengstett (Kreis Calw) verloren hat. Vorausgegangen war eine Affäre um beleidigende Briefe an politische Gegner.

Rehabilitiert
In anderen Kommunen ist die nächste Bürgermeisterwahl noch weit entfernt – zum Bedauern der Wähler. Ärger gibt es beispielsweise in Pfronstetten (Kreis Reutlingen): Die Albgemeinde wurde deutschlandweit bekannt, nachdem sich Schultes Michael Waibel über Monate hinweg krankmeldete. Mit großer Mehrheit forderte der Gemeinderat Waibel zum Rücktritt auf – doch ein solches Misstrauensvotum hat keine Rechtskraft. Im Juli verurteilte das Amtsgericht Münsingen den Pfronstetter Bürgermeister dann zu einer Geldstrafe – unter anderem, weil er Briefe an Gemeinderäte und Kommunalaufsicht vernichtet hatte. In der Albgemeinde schütteln die Bürger nur noch mit dem Kopf. Mehr können sie auch nicht tun: Erst in fünf Jahren ist Waibels Amtszeit vorüber. Bis dahin sind den Wählern die Hände gebunden.

Dagegen dürfen die Bürger von Kappel-Grafenhausen mit Neuwahlen rechnen. Vier Monate nach seiner Suspendierung räumt der dortige Bürgermeister Armin Klausmann (41) freiwillig seinen Posten. Man habe sich außergerichtlich geeinigt, teilte das Landratsamt Ortenaukreis mit. Die Vorwürfe, Mitarbeiter diskriminiert und illegal in den Wahlkampf eingegriffen zu haben, würden nicht aufrechterhalten. Klausmann gilt damit als rehabilitiert. Er hatte die Vorwürfe bestritten.

red

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