Kommunen buhlen um junge Familien

Vergünstigungen reichen vom Baukostenzuschuss für jedes Kind bis zum Rabatt beim Grundstück
Weg ins Eigenheim wurde noch steiniger
Einwohnerschwund teurer als Förderung
München (BNN). Die demografische Entwicklung wirkt sich bereits jetzt auf das Förderverhalten der Kommunen aus. Haldensleben in Sachsen-Anhalt, zwischen Wolfsburg und Magdeburg gelegen, macht spektakulär vor, wie es gehen kann. Unter dem Motto „Haldensleben macht Bau-Platz“ bietet die 20 000-Einwohner-Stadt laut „Aktion pro Eigenheim“ Familiengrundstücke zum Kauf oder zur Erbpacht an. Die günstigsten Parzellen werden für gerade mal einen Euro verkauft. Dafür gibt es zwar keine Filetgrundstücke in Bestlage, „aber das sind keine Ladenhüter“, betont Lutz Zimmermann, der in Haldensleben für das Stadtmarketing zuständig ist.

Seit der Staat den Häuslebauern finanziell nicht mehr unter die Arme greift und die Mehrwertsteuer erhöht hat, ist der Weg ins Eigenheim noch steiniger geworden. Junge Familien mit Kindern können den finanziellen Kraftakt meist nicht mehr alleine stemmen und müssen sich etwas einfallen lassen.
Der Bewohnerschwund in vielen Städten und Gemeinden Deutschlands kommt ihnen dabei entgegen. „Angesichts der demografischen Entwicklung drohen unserer Stadt deutliche Einwohnerverluste. Um junge Familien bei uns zu halten, müssen wir etwas unternehmen“, nennt Grit Strobel vom Stadtplanungsamt Haldensleben das Motiv.

Der Wettbewerb um junge Familien hat bereits eingesetzt. „Im Werben der Kommunen um Menschen spricht man sogar schon von Einwohnerkannibalismus“, sagt Stefan Bosse, Oberbürgermeister von Kaufbeuren. Die 42 000-Einwohner-Stadt im Allgäu gilt als eine Art Trendsetter für familienfreundliche Maßnahmen. Anfang 2006 startete sie die Kampagne „Familienziel Kaufbeuren“, die neben einer Reihe von Vergünstigungen für Familien auch eine kommunale Eigenheimzulage umfasst: Es gibt Rabatte von bis zu 20 000 Euro auf städtische Wohnbaugrundstücke oder Baukostenzuschüsse von 5 000 Euro pro Kind. Damit wirbt Kaufbeuren auch um junge Eltern, die in München oder Augsburg arbeiten und bereit sind zu pendeln. Auch andere Gemeinden und sogar Großstädte wie Hannover locken aus diesem Grund Häuslebauer mit Geld und Rabatten. Das Angebot ist vielfältig. Am häufigsten werden verbilligte Grundstücke verkauft, oft gibt es auch direkte Zuschüsse oder subventionierte Baudarlehen. Dabei gilt in der Regel: Je mehr Kinder, desto üppiger fällt der Bonus aus. Gefördert werden auch Gutverdiener, die Einkommensgrenzen sind vielfach großzügig gesteckt.

Die niedersächsische Landeshauptstadt bietet mit ihrem „Hannover-Kinder-Bauland-Bonus“ einen Rabatt von zehn Prozent je Kind auf städtische Eigenheim-Grundstücke. In Böblingen zahlen Familien mit Kindern für Baugrundstücke 45 Euro pro Quadratmeter weniger, außerdem gibt es pro Kind 9 000 Euro Zuschuss.
Aber wie überschaut man bei all diesen Vergünstigungen das Angebot? Einen schnellen Überblick über die verschiedenen Varianten von Baugeld für Familien gab es bislang nicht. Jetzt hat die „Aktion pro Eigenheim“ diese Hürde beseitigt und eine Internet-Datenbank (www.aktion-pro-eigenheim.de) mit allen Förderprogrammen erstellt. 242 Städte und Gemeinden sind erfasst, mit Fördermodalitäten und Kontaktadressen. Dadurch lassen sich solche Programme vergleichen und sie werden transparenter, sowohl für künftige Bauherren als auch für Stadtplaner.
„Wir wünschen uns, dass unsere Beispiele durch die Aufmerksamkeit jetzt Schule machen, und weitere Kommunen folgen werden“, sagt Max Schierer, Präsident des Bundesverbands Deutscher Baustoff-Fachhandel und Mit-Initiator der „Aktion pro Eigenheim“. Man wolle damit Mut machen, jungen Familien die Bildung von Wohneigentum zu ermöglichen. Zu verschenken haben die Kommunen angesichts ihrer Finanzlage nach wie vor nichts.

Doch Einwohnerschwund ist teurer als eine Familienförderung. Bevölkerungsexperten gehen davon aus, dass jeder abgewanderte Einwohner eine Stadt bis zu 1 000 Euro pro Jahr an verlorenen Steuern und Gebühren kostet. „Die Haldenslebener Kämmerei hat errechnet, dass sich das am Ende sogar refinanziert – dadurch, dass die Leute nicht wegziehen, sondern hier bauen und sich an den Standort binden“, verdeutlicht Zimmermann.

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6 Antworten zu Kommunen buhlen um junge Familien

  1. -an-i- sagt:

    Die von der Stadt aufgekauften Grundstücke zahlt der Steuerzahler und die Gemeinde verkauft sie „für gerade mal einen Euro“…
    Da werden die begünstigten Häuslebauer doch anschließend als Steuerzahler (durch erhöhte Gebühren, Steuern etc.) wenigstens einen Teil ihrer Grundstücke mit finanzieren.
    Müssen für die Restsumme dann die Steuerzahler zusätzlich auch bei der Familienplanung aushelfen und dazu noch die Vergnügungssteuer entrichten?

  2. rt sagt:

    Tatsache ist, „jeder abgewanderte Einwohner kostet eine Stadt bis zu 1 000 Euro pro Jahr an verlorenen Steuern und Gebühren“.

    Nachzulesen oben im letzten Absatz des sehr informativen Berichts der Badischen Neuesten Nachrichten.

  3. Lud sagt:

    Im Amtsblatt der Gemeinde Neulingen-Bauschlott wurde ein Foto einer dortigen Familie (Vater, Mutter und zwei Kinder) veröffentlicht.

    Die beiden Kinder hielten jeweils einen Scheck mit entsprechendem Förderbetrag in die Kamera.

    Die Wirksamkeit für die Gemeinde ist kaum zu übertreffen.

  4. dr sagt:

    Natürlich hält sich die Stadt Bretten bei der Familienförderung (Grundstücke und Eigenheime) nicht vornehm zurück.

  5. L.K. sagt:

    In der Gemeinde Sternenfels (Enzkreis) hat man dieses Thema ebenso aufgegriffen.
    Dort will man voll in die Familienförderung einsteigen.

  6. jörg. sagt:

    Nun wissen wir es ganz genau, warum die Kommunen die jungen Familien entdecken und und mit Fördergeldern belohnen: Es geht um den „Einwohnerkannibalismus“. Was das ist: S. oberhalb Absatz 3!

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