Gericht ist gefordert

Das Spekulieren darüber, ob die Staatsanwaltschaft Karlsruhe Anklage gegen die ehemaligen Führungsleute der Familienheim-Genossenschaft erheben wird oder nicht — es hat ein Ende. Der ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende Günther Rüssel, der Vorstandschef Siegfried Lenz sowie die beiden nebenamtlichen Vorstände Emil Gaiser und Reinhold Kästel sind angeklagt, die Genossenschaft geschädigt zu haben, vornehmlich durch falsche Spesenrechnungen und zu Unrecht ausbezahlte Sitzungsgelder. Ein Schöffengericht beim Amtsgericht Karlsruhe hat jetzt die Aufgabe, Hunderte von Taten aufzuklären. Die Schadenssumme der den Angeklagten zur Last gelegten Vergehen liegt unter 100 000 Euro, da im Wesentlichen Geschäftsvorgänge zwischen 2003 und 2005 für die Anklage herangezogen wurden, frühere Zahlungen seien bereits verjährt, so die Staatsanwaltschaft.


Das Verfahren ist notwendig, um Klarheit zu bekommen, was in der Genossenschaft Familienheim tatsächlich vorgefallen ist. Günther Rüssel war über Jahre der tatsächliche Herrscher im Unternehmen, obwohl er eigentlich „nur“ den Vorstand kontrollieren sollte. Jetzt geht es darum, dass der Aufsichtsratschef erstmals sein Handeln kontrollieren lassen muss: von einem Gericht. Nur so hat Rüssel eine Chance auf Rehabilitierung. Und so kann in der Öffentlichkeit der Verdacht ausgeräumt werden, man müsse nur die richtigen Freunde haben, dann passiere einem schon nichts.
Freilich ist zu hoffen, dass das Gericht tatsächlich in eine Verhandlung eintritt. Denn Rüssel ist schwer krank und offensichtlich nicht vernehmungsfähig. Zudem kennt man aus anderen Verfahren die „Verständigungsbemühungen“ zwischen Gericht und Verteidigung, zu einem schnellen Urteil zu kommen, um nicht Hunderte von Fällen behandeln und Dutzende von Zeugen hören zu müssen. Die Öffentlichkeit wird genau hinschauen, wie viel Mühe sich die Justiz bei der Wahrheitsfindung in diesem Fall gibt.

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2 Antworten zu Gericht ist gefordert

  1. J-N sagt:

    Nicht nur das Gefühl stimmt, auch die Verfahren mit sogenannten Prominenten zeigen das sehr deutlich.

  2. -nz- sagt:

    „…wie viel Mühe sich die Justiz bei der Wahrheitsfindung in diesem Fall gibt.“

    Man bekommt immer mehr das Gefühl, dass die Justiz mit Personen die in der Öffentlichkeit stehen, umständlicher und milder umgeht, als mit dem „Otto-Normalverbraucher“.
    Sind wirklich alle vor dem Gezetz gleich oder sind manche „gleicher“?

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