Auf Konfrontation

Brüssel stellt Selbstständigkeit der Gemeinden in Frage
Die interkommunale Zusammenarbeit hat eine lange Tradition in Deutschland, vor allem auch im Südwesten. Die Gründungsväter der Bundesrepublik haben dem Föderalismus und dem Subsidiaritätsprinzip großes Gewicht beigemessen. Daraus ergibt sich ein Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden, das sogar im Grundgesetz festgeschrieben ist (Artikel 28). Gerade in Zeiten knapper Kassen und komplexer werdender Aufgaben hat sich das Prinzip bewährt. In Brüssel hingegen wird
diese Erfolgsgeschichte anders bewertet. Die Europäische Kommission versteht sich als Wettbewerbshüterin, und in diesem Zusammenhang hat sie sich auf das Instrument der interkommunalen Zusammenarbeit eingeschossen.

Mehr und mehr soll auch der öffentlich-rechtliche Bereich durch Ausschreibungen liberalisiert werden, was nicht ohne Folgen bleiben wird. „In Deutschland dürfen Gemeinden selbst entscheiden, ob sie eine Aufgabe der kommunalen Daseinsvorsorge allein erfüllen möchten oder lieber in Zusammenarbeit mit anderen Kommunen“, sagt David Linse, Leiter des Brüssel-Büros der baden-württembergischen Kommunalverbände. Dabei handele es sich nicht um Leistungen, bei denen die Gemeinden auf den Markt angewiesen seien, sondern um Leistungen von Kommunen für Kommunen.

„Diese sogenannten In-House-Geschäfte stehen außerhalb der Marktgeschehnisse“, erklärt Linse. Das könne zum Beispiel der gemeinsame Betrieb einer Kläranlage sein oder der Winterdienst, den eine Gemeinde für die andere mitmache. Er ist der Meinung, dass viele dieser Leistungen für private Unternehmen nicht interessant sind. Deshalb sollten sie vom Vergaberecht unberührt bleiben, findet auch die Bundesregierung. Die Europäische Kommission beruft sich hingegen auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom Januar 2005. Damals hatten die Richter festgestellt, Spanien verstoße in seinem Vergabegesetz gegen europäisches Recht. Die Regierung in Madrid hatte zuvor Kooperationsvereinbarungen zwischen öffentlichen Einrichtungen vollkommen vom Anwendungsbereich des Vergaberechts ausgenommen.

Doch nach Ansicht der Kommission ist es egal, ob der Vertragspartner der Kommune „öffentlichen, privaten oder gemischtwirtschaftlichen Status hat“ – das Gemeinschaftsrecht über öffentliche Aufträge und Konzessionen gilt unabhängig davon. Auch gegen die Bundesrepublik Deutschland leitete die EU Vertragsverletzungsverfahren ein. „Die Kommission glaubt Studien, die besagen, dass im Bereich öffentlicher Beschaffungen ein unglaubliches Potenzial für Private liegt“, sagt Heide Rühle, binnenmarktpolitische Sprecherin der Grünen im Europaparlament. Vor lauter Marktwirtschaft berücksichtige die Kommission leider nicht, dass es gut funktionierende nationale Gesetze gebe. Setzt sich Brüssel mit der Liberalisierung durch, sieht Rühle auf die Kommunen einen Wust an Bürokratie zukommen.
„Bevor die Gemeinden Dienstleistungskonzessionen europaweit ausschreiben, werden sie sich lieber aus kommunalen Aufgaben zurückziehen“, prophezeit die Politikerin. Folge für die Bürger: Die flächendeckende Versorgung mit Basisdienstleistungen wird schlechter und teurer – gerade im ländlichen Raum.

Abgesehen von den Meinungsverschiedenheiten bei den öffentlich-öffentlichen Partnerschaften, gibt es auch Probleme bei den öffentlich-privaten Kooperationen, den sogenannten Public Private Partnership (PPP). Da in diesem Fall private Unternehmen mit im Spiel sind, ist zwar klar, dass öffentlich ausgeschrieben werden muss, doch die Frage ist: wie oft? Geht es nach der EU, muss zum einen die PPP-Maßnahme an sich ausgeschrieben werden – zum Beispiel der Bau eines Bürogebäudes – und zum anderen die damit verbundene Dienstleistungskonzession – also der Betrieb des Gebäudes.
„Allerdings macht eine doppelte Ausschreibung wenig Sinn“, sagt David Linse, „denn nur wenn Bau und Betrieb im Paket von einem Privaten übernommen werden, rechnet sich das für ihn.“ Er unterstützt die Forderung, beides in einer Ausschreibung zu vergeben.
Wie es weitergeht im Vergaberechtsstreit, hat die Europäische Kommission bereits vorgegeben: Noch in diesem Jahr will sie Lösungsvorschläge machen.

Christoph Häring

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4 Antworten zu Auf Konfrontation

  1. Arth. Br. sagt:

    In Bretten bewegt der Vorsitzende etwas (aktiv). Die Mitglieder lassen sich allzu gern und oft bewegen (passiv).

  2. volk.-zer. sagt:

    Wer sich selbst nicht bewegt, wird auch nichts bewegen können.

  3. tors. sagt:

    Ich frage mich, was oder wen denn Brettens Stadträte bewegen sollten.

  4. P.-G. sagt:

    Diesen sehr guten Bericht müßte sich schon längst der Brettener Gemeinderat reingezogen und seinen Vorsitzenden mit den Vorschlägen in Bewegung gebracht haben.

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