Vorladung für Schul-Rebellen

Von unserem Mitarbeiter Frank van Bebber
Ravensburg/Stuttgart. Nach einer in Baden-Württemberg bislang einmaligen Rebellion von 96 Schulleitern gegen das dreigliedrige Schulsystem und Kultusminister Helmut Rau (CDU) lädt die Schulaufsicht die vier Initiatoren vor. Das Regierungspräsidium Tübingen als zuständige Behörde werde mit ihnen ein Gespräch über den Stil des Protestes führen, kündigte ein Sprecher des Ministers an. Daraus werde sich alles weitere ergeben, sagte er.
Die Grünen im Landtag warfen Rau autoritäres und obrigkeitsstaatliches Verhalten vor. Sie wollen eine Debatte im Landtag erzwingen. Einer der Initiatoren, der Ravensburger Hauptschulrektor Rudolf Bosch, sagte unserer Redaktion am Donnerstag: „Ich habe keine Angst.“ Es gebe seit Tagen aus allen Richtungen Lob und Ermutigung. „Wir erleben eine ungeheure und unerwartete Zustimmung“, berichtete er.

Bosch und drei weitere Pädagogen aus Oberschwaben hatten in einem offenen Brief an Rau die Abkehr vom dreigliedrigen Schulsystem gefordert und sich für eine gemeinsame Schule über die vierte Klasse hinaus ausgesprochen. 96 Leiter von Haupt- und Grundschulen aus den Kreisen Ravensburg und Bodensee hatten mitunterzeichnet. Nach dem ungewohnt deutlichen Brief aus dem konservativen und CDU-nahen Oberschwaben ist die Debatte über die Zukunft der Hauptschule im Südwesten entbrannt wie lange nicht mehr. Während die Opposition aus SPD („schallende Ohrfeige“) und Grüne („beispielloses Alarmsignal“) die Lehrer unterstützen, ließ Rau erklären: „Es bleibt beim dreigliedrigen Schulsystem.“ Zugleich wies er den Vorwurf zurück, er verpasse kritischen Rektoren einen Maulkorb. Es gehe ihm aber um den von ihm abgelehnten Stil eines offenen Briefes.
Bosch sagte, die Zeit sei sowohl für das Thema wie für „eine gewisse Vehemenz“ reif gewesen. Auch die Schulleiter erführen von Initiativen des Ministers aus der Presse. Ziel sei es, die Diskussion nun dauerhaft fortzuführen. Er rechne damit, der Minister lasse sich auf einen Dialog ein. Der Brief könnte Thema in Eltern- und Lehrerkonferenzen werden.

Die Themen dieses Tages in einem anderen Jahr :

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7 Antworten zu Vorladung für Schul-Rebellen

  1. Siegb. Querf. sagt:

    Mit der Fremdsprache Französisch an der Rheinschiene in Baden-Württemberg hat der Kultusminister eine wirkliche Glanzleistung hingelegt und so seine Fähigkeiten unter Beweis gestellt.

    Mit der Beibehaltung des dreigliedrigen Schulsystems (s. Kommentare 2. bis 4.) behält er seine Fähigkeiten. Darauf kann er erneut stolz sein.

  2. Norb. Sch. sagt:

    Eltern und Lehrer scheinen bei der Art und Weise des Vorgehens von Herrn Rau draußen vor zu bleiben.
    Für wen hält er sich denn eigentlich?

  3. Ottm. Schu. sagt:

    „Vorladung für Schul-Rebellen“

    Es handelt sich bei den „Initiatoren“ nicht um Rebellen, sondern richtigerweise um Erneuerer, die eine Schul-Angelegenheit sinnvoll neu gestalten lassen wollen.

    Weil die Überlegungen einer längst überfälligen Reform nicht von Kultusminister Rau stammen, darf das alles so nicht sein. Und bei Fragen des Stils ist eine seltsame Ministermanier erkennbar.

  4. g-/-f sagt:

    Heute werden die Schulkinder schon nach vier Schuljahren eingeteilt in die (ca. 20 bis 30 Prozent), welche irgendwann einmal zur führenden Klasse der Bevölkerung gehören sollen. Dann in die (ca. 40 Prozent), welche als Facharbeiter und ähnliches arbeiten sollen und letztlich in die (ca. 30 Prozent), welche scheinbar für nichts zu gebrauchen sind und in der Gruppe der voraussichtlich Arbeitslosen landen werden.

    Einmal nach diesem (vorgegebenen) Schema eingeteilt, bleiben ca. 90 Prozent der Kinder erfahrungsgemäß in dem ihnen im Alter von zehn Jahren zugewiesenen Schultyp hängen.

  5. Gust./Fo. sagt:

    Die schulpolitischen Fehlentscheidungen offenbaren das schon seit vielen Jahren. Die Pisa-Studien sind der Beweis dafür.
    Die viel zu frühe Differenzierung und Einsortierung der Schulkinder sind fehl am Platze.

  6. ber.-sch. sagt:

    Nach Jahren der Trockenlegung der Schulart (Volksschule) stieg die Zahl der Schüler zum Gymnasium. Die Realschule wurde zwischen Hauptschule und Gymnasium eingeschoben. Die Bildung sollte weiter differenziert werden.
    Das geschah in einer Zeit, in der man die Kinder schon mit zehn Lebensjahren auseinander dividierte. Es wäre besser gewesen, ihrer individuellen Entwicklungszeit entsprechend zu verfahren und ihnen mehr gemeinsame Erfahrungen zu gönnen.
    Und zwar über die vierte Klasse hinaus, wie es von den 96 Schulleitern gefordert wird.

  7. K-DV sagt:

    Schulpolitik im Lande läuft nach dem Schema ab: Ich (Rau) hier oben, die (96 Schulleiter) da unten!
    Und funktioniert (noch)!

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