Flächenverbrauch steigt weiter

Umweltministerium kritisiert kurzsichtige Ausweisung von Wohn- und Gewerbegebieten
Stuttgart (dpa/lsw). Erstmals seit fünf Jahren werden in Baden-Württemberg wieder zunehmend freie Flächen zugebaut. Grund für diese Trendwende seien der stärkere Wettbewerb der Städte und Gemeinden um junge Familien sowie um Betriebe, erläuterte Umweltministerin Tanja Gönner (CDU). Auch die gute Konjunktur und der auf 41 Quadratmeter pro Kopf gewachsene Wohnraumbedarf tragen zum Flächenfraß bei. Trotz vieler brach liegender Areale böten zahlreiche Kommunen günstig neues Bauland an. „Die Entwicklung ist Besorgnis erregend“, sagte Gönner. „Das Zupflastern, Asphaltieren und Zubetonieren naturnaher Lebensräume bedroht die biologische Artenvielfalt und geht zu Lasten der Lebensqualität der Menschen.“

Im Jahr 2005 wurden täglich 8,8 Hektar und damit 13 Fußballfelder für Verkehrs- und Siedlungsprojekte umgenutzt. Im Jahr 2006 seien es schon 14 Fußballfelder (9,4 Hektar) gewesen. Die CDU/FDP-Landesregierung strebe jedoch beim Flächenverbrauch langfristig eine „Netto-Null“ an. Dann dürfen unterm Strich keine naturnahen Flächen mehr „umgenutzt“ werden. Da die Bevölkerungszahl voraussichtlich vom Jahr 2012 an zurückgeht und es einen Trend zum Leben in der Stadt gebe, sei es „kurzsichtig“ neue Wohn- und Gewerbegebiete auszuweisen, sagte Gönner.

Die oppositionelle SPD im Landtag wertete den wachsenden Flächenverbrauch als politisches Versagen der Landesregierung. Der Karlsruher SPD-Abgeordnete Johannes Stober forderte, keine Landesmittel mehr für die Erschließung von Baugebieten auf der grünen Wiese zu zahlen. Agrarminister Peter Hauk (CDU) wies auf ein Modellprojekt hin, mit dem Gemeinden unterstützt werden, die Brachflächen statt naturnaher Gebiete nutzen.

Ministerin Gönner setzt trotz der Entwicklung weiter auf Aufklären und Werben statt auf Verpflichtung der Kommunen. Der Städtebau-Experte Sebastian Wilske von der Universität Karlsruhe hatte vor kurzem genauere Vorgaben der Landesregierung gefordert: „Es führt kein Weg daran vorbei, restriktiver mit Neubaugebieten zu sein, um die Konkurrenz der Gemeinden um junge Familien untereinander zu dämpfen.“ Als Folge des Wettbewerbs flössen private Mittel vor allem in Eigenheimsiedlungen. Für die Dorfkerne bleibe kein Kapital übrig und sie verödeten zusehends.

Gönner stellte gemeinsam mit der Präsidentin des Statistischen Landesamtes, Gisela Meister-Scheufelen, ein neues Modell zur Bewertung kommunaler Siedlungspolitik vor. Die Daten sind beim Statistischen Landesamt für alle 1108 Gemeinden im Südwesten abrufbar. (Internet: www.statistik-bw.de)

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7 Antworten zu Flächenverbrauch steigt weiter

  1. Qua. sagt:

    Es muss ihr doch schon seit geraumer Zeit den Mund ob ihrer Flächensparaufrufe zerrissen haben.

  2. rt sagt:

    Spektakulös ist, dass immer wieder was rauskommt.

  3. Herb. Kl. sagt:

    Was Frau Gönner aus dem Mund läßt, ist nicht gerade geistreich, eher geisttötend.

  4. l-rd sagt:

    Da hat man nun eine negative Entwicklung nach fünf Jahren und setzt trotzdem weiterhin auf Aufklärung und Werbung statt auf Verpflichtung der Kommunen.
    Wer das für richtig hält, der muß ein ganz besonderes Verständnis für die Belange der Umwelt besitzen.

  5. Th. sagt:

    Der verbale Spagat zwischen Dichtung und Wahrheit fällt inzwischen jedermann auf.

  6. jos.pr. sagt:

    Schon jetzt eine Geschichte aus dem Märchenbuch der CDU/FDP-Landesregierung. Sie will LANGFRISTIG beim Flächenverbrauch eine „Netto-Null“ anstreben. Dann dürfen unterm Strich keine naturnahen Flächen mehr „umgenutzt“ werden.

    Erstmals seit fünf Jahren werden wieder zunehmend freie Flächen zugebaut. Es ist eine Trendwende. Kann mir jemand mal erklären, wie man nach einer solchen Zeit LANGFRISTIG „Null“ erreichen kann.

    Märchen und Sagen kommen wieder in Mode!

  7. mm sagt:

    „Ministerin Gönner setzt trotz der Entwicklung weiter auf Aufklären und Werben statt auf Verpflichtung der Kommunen.“
    Also bleibt alles wie es ist, oder glaubt jemand, dass sich ein Paul Metzger durch „Aufklären“ oder „Werben“ am Flächenverbrauch hindern lässt? Man schaue sich nur die Ausweisung von Flächen der letzten 12 Monate in Bretten einmal an, der Steiner Pfad ist noch nicht bebaut und schon werden weitere Baugebiete ausgewiesen. Das ist doch alles ein schlechter Witz !

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