Bei säumigen Zahlern bleibt der Fernseher dunkel

Stadtwerke Bretten ließen 2006 bei mehr als 100 Kunden den Strom sperren / Kleck: Steigende Tendenz
Von unserem Redaktionsmitglied Joachim Schultz
Bretten. Wenn sich Ewald Fichtner am Stromzähler zu schaffen macht, dann bleiben Fernseher und Lampen dunkel, der Kühlschrank taut auf und die Elektro-Heizung erkaltet. Bei etwa zehn Stromkunden der Brettener Stadtwerke greift Fichtner jeden Monat im Auftrag seines Arbeitgebers durch. Ohne Strom läuft dann in der Wohnung von säumigen Zahlern nicht mehr viel. Wenn Haushalte ihre Stromrechnungen für mehrere Wochen nicht mehr bezahlen, dann dreht der Stadtwerke-Mitarbeiter Fichtner dort den Saft ab. Rund 120-mal seien 2006 Stromsperrungen veranlasst worden, berichtet Stadtwerke-Geschäftsführer Stefan Kleck. „Mit einer steigenden Tendenz in den vergangenen Jahren“, ergänzt er.
Einen Schraubenzieher und eine kleine Zange – das ist alles an Werkzeug, was Außendienstler Fichtner bei seinen Besuchen bei sich hat. In wenigen Sekunden ist die Sache erledigt. „Üblicherweise wird der Hauptschalter für die Wohnung auf Aus gestellt und mit einer Plombe versiegelt.“ Der Schuldner sitzt damit ohne Strom in seiner Wohnung. „Absperrkassierer“ Fichtner, so die offizielle Bezeichnung seiner Tätigkeit bei den Stadtwerken, hat gut zu tun, wie er selbst sagt. „Seit drei Jahren nimmt die Zahl der Menschen ständig zu, die ihre Stromrechnungen verspätet oder nicht bezahlen“, sagt Fichtner. 400 Mahnungen schickt der Brettener Stromlieferant nach eigenen Angaben jeden Monat an säumige Kunden, davon erhält etwa die Hälfte vier Wochen nach der Mahnung eine Androhung, dass die Stromzufuhr abgestellt wird.

„Bei vielen Bürger reicht das Geld nicht mehr. Das betrifft heute nicht nur untere Bevölkerungsschichten und Hartz-IV-Empfänger. Auch Akademiker-Haushalte, bei denen der Hauptverdiener arbeitslos geworden ist, lassen die Rechnungen eine längere Zeit liegen“, berichtet Kleck. Die Außenstände variieren stark. „Das beginnt bei zehn oder 20 Euro und geht bis zu 500 oder 600 Euro pro Kunde und Monat. Bei Firmen geht es schnell mal in die Tausende oder auch Zehntausende. Wir müssen aufpassen, dass in einer möglichen Insolvenz des Unternehmens nicht alles weg ist. So haben die Stadtwerke auch schon Beträge von über 30 000 Euro nur bei einer Firmeninsolvenz verloren. Im Schnitt sind es etwa 300 000 bis 400 000 Euro, die allmonatlich angemahnt werden.“ Die meisten Kunden zahlen die offenen Rechnungen letztlich. Trotzdem müssten die Stadtwerke am Jahresende zwischen 50 000 Euro und 100 000 Euro abschreiben, weil Pleite gegangene Privatpersonen und Geschäftsleute ihre Stromrechnung nicht mehr zahlen, erläutert Kleck.

So mancher Streit mit einem Schuldner landet vor Gericht. Mit dem Mahnverfahren haben die Stadtwerke einen Dienstleister beauftragt. Dieses Unternehmen geht mit dem säumigen Kunden notfalls vor Gericht, um die Ansprüche der Stadtwerke durchzusetzen. Nach Worten Klecks handelt es sich um bis zu vier Fälle jeden Monat. „Den Fall, dass Haushalte über eine einstweilige gerichtliche Verfügung die Sperrung verhindern wollten, gab es in den letzten fünf Jahren zweimal. Es endete jedoch erfolglos für die Stromkunden.“ Schwierig wurde die Arbeit Fichtners vor allem in der letzten Zeit. Macht der Außendienstler seinen Job, bekommt er regelmäßig die Wut und Frustration der Menschen zu spüren. „Man wird des Öfteren beschimpft, wenn man das ausstehende Geld kassieren möchte oder die Stromsperren setzt. Manchmal kam es sogar zu Handgreiflichkeiten an der Haustür.“ Mitunter machen die Leute aber erst gar nicht auf oder die Zähler werden mit Regalen zugestellt – Erlebnisse, die für Fichtner zum Arbeitsalltag gehören. Mitteilungen über verbotenes Stromabzapfen gelangen immer wieder auf Klecks Schreibtisch.
„Da gibt es die tollsten Geschichten“, meint Kleck. Teilweise würden Allgemeinstromzähler angezapft oder die Leitung vor dem Zähler angeschlossen, um die Stromsperre zu umgehen. „Es gab auch schon Fälle, dass ein Verlängerungskabel zum Nachbarn oder über den Flur in die leere Wohnung nebenan gelegt wurde.
Auch aus Garagen und offenen Kellern wurde schon Strom gezapft. Natürlich wird auch versucht, die Sperre mit Gewalt zu öffnen. In den meisten Fällen ist dies Stromdiebstahl oder eine Sachbeschädigung. Dies ist strafbar und wird verfolgt.“

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4 Antworten zu Bei säumigen Zahlern bleibt der Fernseher dunkel

  1. Ka. My. sagt:

    Das Redaktionsmitglied Joachim Schultz hat einen sehr beeindruckenden Artikel geschrieben.

    Es wäre zielführend, wenn Herr Schultz im Anschluß daran vergleichbare Zahlen beim Finanzbürgermeister Willi Leonhardt zur Veröffentlichung nachfragen würde. Es würde der Vollständigkeit und dem wahren Bild – neben der Existenz des Brettener Tafelladens – Genüge tun.

  2. -rl- sagt:

    Nicht nur die Stadtwerke haben Probleme mit den offenen Rechnungen. Auch die Stadt Bretten selbst schiebt um die zwei!!! Millionen Euro an Außenständen (unbezahlte Steuern, Abgaben etc.) vor sich hin.

  3. -an-i- sagt:

    Das hat man davon, wenn zuerst über Steuern, Gebühren, Abgaben und sonstige „kreative“ Abzocke, der Bürgerschaft immer mehr Geld aus der Tasche gezogen wird.
    Ein Netto-Einkommenssockel nach Götz W. Werner wäre da sehr hilfreich.
    Siehe Frankfurter Rundschau, Freitag 23. Sept. 2005, Nr. 222

  4. Arth. Br. sagt:

    „Trotzdem müssten die Stadtwerke am Jahresende zwischen 50 000 und 100 000 Euro abschreiben, weil Pleite gegangene Privatpersonen und Geschäftsleute ihre Stromrechnung nicht mehr zahlen, erläutert Kleck.“
    Ich unterstelle einmal, daß diese Beträge wegen der Spanne geschätzte Zahlen sind. Es handelt sich buchhalterisch um uneinbringliche Forderungen.
    Unabhängig davon, aber dennoch unablässig tönt es aus dem Mund von Herrn Metzger (CDU), wie gut es den Unternehmen und den Menschen in Bretten geht. Wegen deren Zahlungsunfähigkeit – sei sie verschuldet oder unverschuldet – sind leisere Töne aus der Stadtverwaltung und aus dem Gemeinderat angebracht.

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