Schüler müssen zur Sammelstelle

Eltern behinderter Kinder wehren sich gegen neue Regelung im Kreis Karlsruhe
Bretten – Benjamin Hekele ist geistig behindert. Der Junge mit Down-Syndrom wird deshalb mit dem Taxi zur Schule gebracht. Bis letztes Schuljahr wurde er im Brettener Ortsteil Rinklingen zu Hause abgeholt.
VON ARND WAIDELICH

Obwohl er das einzige geistig behinderte Kind im Ort ist, fährt das Taxi jetzt nicht mehr zum Haus der Hekeles. Seine Mutter muss ihn zu einer rund 220 Meter entfernten Sammelstelle begleiten. Von dort geht es mit dem Taxi am Haus vorbei zur Schule. Das empfindet die Mutter als Schikane des Landratsamtes, das für den Transport verantwortlich ist. Erfolglos bat sie darum, die Sammelstelle an ihr Haus zu verlegen.

Bernhard Böser weist den Vorwurf zurück. Durch eine ungünstige Verkehrsregelung könne die vereinbarte Tour nicht am Wohnhaus vorbeiführen, so der Leiter des Amtes für Schulen und Kultur im Karlsruher Landratsamt.

Eva Hekele ist nicht die Einzige, die klagt. In allen vier Sonderschulen des Kreises formiert sich Widerstand dagegen, dass Mütter seit September ihre geistig behinderten Kinder an Sammelstellen bringen müssen. Elternbeiräte sind empört, dass das Landratsamt selbst ärztliche Atteste nicht akzeptiert. Jürgen Koubik, Landeselternbeirat für Sonderschulen, bezeichnete es als „starkes Stück, wie der Landkreis leichtfertig mit ganz klaren Attesten umgeht. Wenn da einem Kind an der Sammelstelle etwas passieren würde, wollte ich nicht derjenige sein, der das Attest abgelehnt hat.“

Das Gesundheitsamt prüfe die Atteste, habe sich aber noch nicht dazu geäußert, erklärte Bernhard Böser zum Verfahrensstand. So lange müsse an den Sammelhaltepunkten festgehalten werden. Geld spiele bei der Entscheidung keine Rolle. Durch das Anfahren der Sammelstellen ergäben sich keine Einsparungen am Etat von 2,5 bis 3 Millionen Euro für Sonderschultouren.

Mittlerweile suchen die Eltern Hilfe bei der Politik. Nach der SPD-Landesvorsitzenden Ute Vogt haben jetzt auch CDU und Grüne im Kreistag ihre Unterstützung angeboten. Wegen des Todes von Landrat Claus Kretz wurde ein erstes Treffen aller Elternbeiräte mit den Kreisräten allerdings auf den 28. Februar verschoben.

Während einer Schulkonferenz in der Eduard-Spranger-Schule in dem Brettener Stadtteil Gölshausen hat Bernhard Böser vorige Woche Entgegenkommen signalisiert. Gemeinsam mit Eltern, Schulleitung und Vertretern der Lehrerschaft wurde darüber diskutiert, wie das Abholen der Kinder von zu Hause erleichtert werden kann. Bernhard Böser zeigte sich zuversichtlich, „dass wir eine für alle Beteiligten akzeptable Lösung erreichen können“.

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10 Antworten zu Schüler müssen zur Sammelstelle

  1. -rl- sagt:

    Wenn die BNN nur in der Rubrik “Aus der Region” eine Brettener Angelegenheit veröffentlichen, dann stellt man sich die Frage, ob dieses dazu führen sollte, darauf zu hoffen, dass möglichst wenig Brettener diese Peinlichkeit zur Kenntnis nehmen?
    Eine Veröffentlichung im Brettener Teil und eine weitere Veröffentlichung im Südwestecho (durchaus üblich) wären gerechter gewesen.

  2. Lud sagt:

    Im engeren örtlichen Sinn geht es um Gölshausen und Rinklingen. Über Vorkommnisse in diesen Ortsteilen wird regelmäßig in der Seite „Bretten“ berichtet. Mit Ausnahme der Problematik um die Sammelstellen für Schüler.

  3. -p.v.- sagt:

    Zeitungsnachrichten, die Bretten-Gölshausen betreffen, erscheinen im allgemeinen in den Brettener Nachrichten auf deren Seite „Bretten“. Genau dort habe ich eine dementsprechende Information über die Gepflogenheiten der Taxi-Sammeltransporte für behinderte Schüler der Eduard-Spranger Schule in Gölshausen vermißt.

    Nun bleibt es den Badischen Neuesten Nachrichten völlig unbelassen, etwas, was in der Hauptsache Bretten-Gölshausen betrifft, auf der Seite „Aus der Region“ abzudrucken. Und es ist auch völlig egal, warum der obige Beitrag später außerhalb des Verbreitungsgebietes der BNN, in den Stuttgarter Nachrichten, erschien. Nur damit ist die berechtigte Frage nicht beantwortet, weshalb diese Informationen auf der Zeitungsseite „Bretten“ leider nicht veröffentlicht wurden.

  4. BAK sagt:

    Zu Kommentar 1.
    die Behauptung, der Artikel sei nicht in den BNN erschienen ist unrichtig. Er erschien in der Ausgabe 14, Seite 20 der BNN vom 18.1.2007, in der Rubrik „Aus der Region“.

  5. Th. sagt:

    Es ist in Erfahrung zu bringen, wie für Behinderte die Schülersammelfahrten per Taxi Hin- und Rückfahrten (von Sammelstelle bis Sammelstelle) in den übrigen Landkreisen von Baden-Württemberg ablaufen. Dann hat der Landkreis Karlsruhe Vergleichsmöglichkeiten zur Orientierung.

  6. cl. sagt:

    Die dafür Verantwortlichen beim Landratsamt Karlsruhe und wegen der praktischen Situation vor Ort auch die Kreisräte sollen sich doch einmal mit den betroffenen Schülern und deren Eltern an den Sammelstellen mit den entsprechenden Wartezeiten – hinbringen und abholen – bei Wind und Wetter treffen.

    Dann haben sie eine echte praktische Entscheidungshilfe erworben.

  7. Gebhard,Sigrid sagt:

    Als Elternbeiratsvorsitzende der Eduard-Spranger-Schule in Gölshausen bin ich, sowie auch alle anderen Eltern, von dieser Situation unmittelbar betroffen. Wir kämpfen nun schon seit Mai 2006 gemeinsam mit den Elternbeiratsvorsitzenden der anderen drei „Geistig-Behinderten-Schulen“ im Landkreis Karlsruhe gegen diese Satzung. Leider bis jetzt erfolglos. Die Kinder müssen nach wie vor zu einer vom Landratsamt willkürlich gewählten Sammelstelle gebracht und abgeholt werden mit teilweise sehr langen Wartezeiten. Und das bei jedem Wetter, ohne Schutz eines „Wartehäuschen“ oder dergleichen. Wir hoffen, dass wir am 28. Februar 2007 bei dem Treffen mit verschiedenen Kreisräten mehr Erfolg haben werden und vielleicht daraufhin unsere Kinder wieder von zu Hause abgeholt werden.

  8. er. mei. sagt:

    Was im Kreis Karlsruhe wichtig ist, gehört in die Badischen Neuesten Nachrichten (BNN) und deren Regionalausgaben. Um der Bedeutung Nachdruck zu verleihen, gehören Beiträge auch in die überregionale Presse: hier „Stuttgarter Nachrichten“.
    Warum diese blödsinnigen Neuregelungen (Sammelstellen) gelten sollen, wissen nur deren Erfinder. Aber warum berichten Journalisten der BNN zuallererst nicht in ihren Ausgaben darüber?

  9. zy. sagt:

    Was am 28. Februar beim Treffen aller Elternbeiräte mit den Kreisräten herauskommen wird, wird zielführend sein.

  10. mm sagt:

    Die Eltern der Kinder, die in die Eduard-Spranger Schule gehen, hatten in den letzten Jahren mit vielen Problemen zu kämpfen, deren Ursache immer bei den Behörden zu suchen waren. Auch die Stadtverwaltung Bretten hat sich hier nicht mit Ruhm bekleckert, kleingeistige Streitereien mit dem Nachbarn Oberderdingen um einen neuen Standort der Schule wurden auf dem Rücken der Kinder ausgetragen. Jetzt auch noch Schikanen beim Schülertransport, das Maß scheint randvoll !!
    Interessant am Rande, dass ein Artikel eines BNN-Mitarbeiters in den Stuttgarter Nachrichten erscheint, ist das mal wieder ein (zu) heißes Thema für die Lokalpresse, das nicht ins Bild des „Muster-Mittelzentrums“ passt und deshalb vom wirklichen „Chefredakteur“ der Lokalredaktion blockiert wird ??

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