Einen säumigen Schultes wird man nicht leicht los

In Baden-Württemberg gibt es nur wenige Missbrauchsfälle
Einen gewählten Bürgermeister wegen einer mangelhaften Führung der Amtsgeschäfte wieder loszuwerden, ist in Baden-Württemberg kaum möglich. Laut Innenministerium soll sich das auch nicht ändern. Die Stellung eines Rathauschefs soll stark und unabhängig bleiben.

Von Michael Petersen
„Sie haben ihn gewählt, jetzt haben sie ihn eben“. Der Satz ist auf einen Bürgermeister gemünzt, mit dem es die Gemeinde nicht gerade einfach hat. Es handelt sich um Michael Waibel, den Rathauschef von Pfronstetten (Kreis Reutlingen) auf der Schwäbischen Alb. Nach zahlreichen Querelen mit dem Gemeinderat und einer von diesem Gremium abgelehnten Forderung nach einer Aufbesserung seiner Bezüge wollte der weg aus dem Flecken. Doch die Bürger von Aichstetten in der Nähe von Leutkirch wollten ihn bei ihrer Bürgermeisterwahl im Sommer nicht haben. Der 38-Jährige unterlag deutlich. Der Atmosphäre in Pfronstetten ist nun keinesfalls zuträglich, dass der bleibende Bürgermeister kurz vor dieser Wahlniederlage im Zuge einer Generalabrechnung den Pfronstettener Gemeinderat mit barschen Worten attackierte und diesen dabei noch mehr gegen sich aufbrachte.

Doch trotz langer Krankheit ohne Angabe von Gründen, trotz eines gegen ihn verhängten Bußgelds – Waibel hatte die Namen krankgeschriebener Rathausmitarbeiter im Amtsblatt veröffentlicht – und trotz einer, vorsichtig formuliert, ziemlich verhaltenen Amtsführung wird er wohl bis 2012 im Amt bleiben, bis zur nächsten Wahl in Pfronstetten. Vieles, was im Rathaus notwendig ist, erledigen der stellvertretende Bürgermeister und bei Bedarf auch der Kämmerer aus der Nachbargemeinde Zwiefalten.

„Pfronstetten geht es nicht schlecht“, lautet das externe Urteil eines Fachmanns für lokale Verwaltungsfragen. Besonnene Stimmen merken im Falle des Bürgermeisters an, dass ungeachtet seines politischen Ungeschicks und seiner womöglich fehlenden Übersicht für die Anforderungen des Amtes keine Bosheit unterstellt werden könne. Mitunter ist von einem nicht unsympathischen, aber ziemlich überforderten Mann die Rede.

So oder so ist die Voraussetzung für eine Amtsenthebung nicht erfüllt. Denn dass ein Bürgermeister den Anforderungen seines Amtes nicht gerecht wird, reicht noch lange nicht aus für eine Amtsenthebung. Dies wäre allenfalls möglich gewesen, wenn die mangelnde Amtsführung zu erheblichen Missständen in der Verwaltung geführt hätte.

Wie schwer wiegend diese Missstände sein müssen, zeigt sich daran, dass seit Einführung der Gemeindeordnung vor knapp 52 Jahren kein Bürgermeister der 1109 Gemeinden im Land auf Grund dieser Vorgaben seinen Platz im Rathaus verloren hat. Der Paragraf 128 der Gemeindeordnung schreibt den in Baden-Württemberg vom Volk gewählten Bürgermeistern eine sehr starke Stellung zu. „Alle Fragen nach Änderungen dieses Paragrafen beantworten wir mit einem klaren Nein“, erklärt ein Sprecher des Innenministeriums dazu. Ein Bürgermeister solle unabhängig sein gegenüber dem „Geplänkel“ parteipolitischer Interessen, er solle dem Gemeinderat auch widersprechen können, ohne um seine Stellung fürchten zu müssen. In der Sache allerdings muss ein Bürgermeister wichtige Entscheidungen vom Gemeinderat absegnen lassen. So sei im Rathaus durchaus eine Kontrollfunktion vorhanden, heißt es aus dem Ministerium in Stuttgart.

„Wer vom Volk gewählt wird, sollte auch vom Volk abgewählt werden können“, argumentieren andere. Dies ist in einigen Bundesländern möglich. In Baden-Württemberg nicht. Ein entsprechender Antrag von SPD und Grünen fiel 1999 im Landtag glatt durch. Den Anlass boten die Bürgermeisterin von Kenzingen (Kreis Emmendingen) und der Bürgermeister von Beuron (Kreis Sigmaringen). Beide hatten sich monatelang nicht im Rathaus blicken lassen. Aber beide haben ihr Amt zu guter Letzt doch noch verloren.

Die frühere Bürgermeisterin von Kenzingen war 1995 schon kurz nach ihrem Amtsantritt in die Kritik geraten, weil sie offensichtlich Verwaltungsvorgänge nicht durchschaute. Es folgten Klagen über Untätigkeit und Lügen gegenüber dem Gemeinderat, es gab Rücktrittsforderungen und monatelange Gespräche zwischen Gemeinderat und Aufsichtsbehörden. Ihr Amt gab die Bürgermeisterin aber erst Ende 1999 auf, nachdem eine amtsärztliche Untersuchung ihr dauerhafte Dienstunfähigkeit und damit Anspruch auf ein Ruhegeld bescheinigt hatte.

Der Fall des Beuroner Bürgermeisters hatte für Aufsehen gesorgt, als er im September 1998 ohne jegliche Benachrichtigung nicht aus dem Urlaub zurückkehrt war. Sogar die Polizei fahndete nach dem Rathauschef. Als er wieder aufgetaucht war, nahm der damals 31-Jährige seine Arbeit nicht auf, sondern ließ sich krankschreiben. Es stellte sich heraus, dass er viele Aufgaben nicht ordnungsgemäß erledigt hatte. Nach eingehenden ärztlichen Untersuchungen kam das Landratsamt Sigmaringen zu der Überzeugung, dass er seine Arbeit nicht mehr würde aufnehmen können. Ende August 1999 erhielt der junge Mann die Verfügung zur Versetzung in den Ruhestand. Als ehemaliger hauptamtlicher Bürgermeister belastet er mit seinen Pensionsansprüchen weiterhin die Gemeindekasse. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrung entschied sich der Beuroner Gemeinderat, den Posten des hauptamtlichen Bürgermeisters abzuschaffen. Allerdings verliert ein Bürgermeister seinen Posten, wenn er zu einer Gefängnisstrafe von mehr als einem Jahr verurteilt wird.

So geschehen 1996 im Falle eines Schultes von Neckarwestheim, der zu achteinhalb Jahren verurteilt worden war, weil er 20,5 Millionen Euro Gemeindevermögen bei kriminellen Spekulationen verspielt hatte. Auch in Sauldorf (Kreis Sigmaringen) und Dürmentingen (Kreis Biberach) waren Bürgermeister nach Haftstrafen wegen Betrug und Untreue des Amtes verwiesen worden. Wegen zahlreicher Vergehen wurde kürzlich der Bürgermeister von Haigerloch zu 22 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Doch der 64-Jährige war nach drei Jahre währenden Ermittlungen sechs Wochen vor Prozessbeginn abgetreten und ist in einer Feierstunde in der Festhalle verabschiedet worden.

Keiner weiß dagegen, wie der Fall des Bürgermeisters von Kappel-Grafenhausen (Ortenaukreis) verläuft. Er war zuletzt ganz knapp im Amt bestätigt worden. Ihm wird unter anderem vorgeworfen, kurz vor der Wahl fingierte Leserbriefe zu seinen Gunsten in die Lokalzeitung gebracht zu haben. Über eine Wahlanfechtung soll der Verwaltungsgerichtshof Mannheim entscheiden.

Es muss jedenfalls sehr viel zusammenkommen, um einen unfähigen Bürgermeister wieder loszuwerden. Aber, so wurde vom Städtetag argumentiert, „seit Bestehen des Landes hat eine fünfstellige Zahl an Bürgermeistern ihr Amt erfolgreich ausgeübt“. Die Zahl der Aufsehen erregenden Missbrauchsfälle liege dagegen „im Promillebereich“. Und weil allerorts nach spätestens acht Jahren neu entschieden wird, bietet sich den Wählern letztlich doch die Chance, den Gewählten abzuwählen.

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3 Antworten zu Einen säumigen Schultes wird man nicht leicht los

  1. h - z sagt:

    Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Verstand.
    Nur werden die Ämter leider nicht von Gott vergeben.
    Gerhard Uhlenbrock

    Kleine Anmerkung
    Die Bundeskanzlerin hat auch ein Amt!
    Braucht man dafür Verstand?

  2. ghg sagt:

    In diesem bei gewissen Amtsträgern beliebten Wahlamt sitzen ja für mindestens acht Jahre überwiegend Charaktere, welche sich ja vor fast nichts zu fürchten brauchen!

    Außer vor sich selbst! 🙂

  3. -an-i- sagt:

    „Allerdings verliert ein Bürgermeister seinen Posten, wenn er zu einer Gefängnisstrafe von mehr als einem Jahr verurteilt wird.“
    Ein Glück, dass sich die meisten Amtsinhaber wahrscheinlich sicher sind, dass nichts herauskommen wird. Wenn die sich mal nicht täuschen! Denn, Lügen haben kurze Beine.

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