Menschliche Werte statt Gewinnmaximierung

Brettener politischen Thesen 2006 zu Politik, Gesellschaft, Religion und Kultur am Marktplatz angeschlagen
Bretten (km). Politische Thesen wurden am Sonntagabend von Oberbürgermeister Paul Metzger und Dr. Günter Frank, dem Kustos des Melanchthonhauses, auf dem Weihnachtsmarkt verlesen und angeschlagen. Die Brettener Thesen gehen wie jeder Jahr an hochrangige Vertreter aus Politik und Kirche. Am 10. Dezember 1948 proklamierte die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Charta der allgemeinen Menschenrechte: Gewissens- und Religionsfreiheit, Meinungs- und Informationsfreiheit. „Seit 1997 lassen wir uns an diesem Tag von Melanchthons Gedanken dazu anregen, über Fragen unserer Zeit nachzudenken“, sagte Metzger.
Der erste Punkt der Thesen 2006 ist dem kulturellen Gedächtnis Europas gewidmet. „Wir leben in einer christlich geprägten Kultur in Deutschland und Europa“, so Metzger. „Zu den wesentlichen Interessen unseres Lebens gehören eine angeborene Erfindungslust, die sich allen Zwängen der Ökonomie entzieht.“ Er erinnerte daran, dass Deutschland einst für seine Geisteswissenschaften weltberühmt war. „Leibniz, Kant und Hegel waren ein Inbegriff für den Reichtum unserer Kultur, um die uns die Welt bis heute beneidet“, so Metzger. Heute würden die Geisteswissenschaften vernachlässigt, hätten scheinbar keinen Wert mehr. Doch das Gegenteil sei der Fall. Eine werteorientierte Gesellschaft sei wichtige Voraussetzung für innovatives Denken und damit auch für die Vielfalt der wissenschaftlichen Entdeckungen.

Der OB begrüßte deshalb ausdrücklich, dass die Bundesregierung das Jahr 2007 zum Jahr der Geisteswissenschaften ausgerufen hat. Er rief dazu auf das eigene Denken an menschlichen Werten zu orientieren. „Wer sein Denken nur auf Gewinnmaximierung ausrichtet, erlebt das, was wir immer häufiger zu beklagen haben: Ängste vor dem Terror, Gewalt an Schulen, Korruption in den Unternehmen und in öffentlichen Diensten“, sagte Metzger.
Der zweite Hauptpunkt der diesjährigen politischen Thesen ist „Glaube und Vernunft“. „Die Religionen könnten nur in Vernunft und Dialog miteinander friedlich zusammenleben“, unterstrich Metzger. So könnten auch Ängste vor Terrorismus abgebaut werden. „Dialog ist aber nur möglich, wenn man Glaube nicht nur lebt, sondern auch seine Wurzeln und Traditionen kennt“, sagte der OB.

„Freiheit eines Christenmenschen – Bürokratisierung und Reglementierung“ war der dritte wichtige Punkt der Thesen. Freiheit in Verantwortung bedeute auch, dass den Menschen die Chance zu geben, ihr Leben verantwortlich zu gestalten. Eine solche Freiheit stehe in völligem Widerspruch zur Bürokratisierungswucht und Regulierungswahn unserer heutigen Zeit, so Metzger.
Mit dem Thema „Ökumene heute“ beschäftigt sich der vierte Punkt der politischen Thesen. „Die Ökumene heute verlangt nach einer großen theologischen Sorgfalt und eine ernsthafte Suche nach der Einheit des Christentums“, meinte Metzger. Er schlug vor, dass das Reformationsjubiläum 2017 dazu genutzt werden könne, um das Verbindende der Religionen zu betonen, Ökumene weiterzuentwickeln und nicht die Kirchenspaltung zu vertiefen.

Die Themen dieses Tages in einem anderen Jahr :

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7 Antworten zu Menschliche Werte statt Gewinnmaximierung

  1. fr. ga. sagt:

    Ohne Navigationsgerät keine Dienstreise nach Mannheim!

  2. ul-d sagt:

    Eine Dienstreise zur Uni Mannheim würde ihm gut zu Gesicht stehen. So könnte er seine These mit geisteswissenschaftlichem Bezug in die Tat umsetzen. Ein Mann mit einer so starken Überzeugungskraft wird sicherlich mit einem Rektor fertig werden.
    Eins ist klar. So leicht wie eine Weinreise an die Ostsee in Sachen Weinvermarktung ist ein Ergebnis nicht zu haben. Eine besondere (geistige, nicht aber weingeistige) Anstrengung wird allerdings vonnöten sein.

  3. hjb sagt:

    „Der OB begrüßte deshalb ausdrücklich, dass die Bundesregierung das Jahr 2007 zum Jahr der Geisteswissenschaften ausgerufen hat.“

    Tatsache ist, daß der Fachbereich Geisteswissenschaften an der Universität Mannheim in Kürze aufgegeben werden soll, wenn es nach dem Willen des dortigen Rektors geht. An der Studentenzahl liegt es nicht.

    Hier kann sich Herr Metzger vehement für eine Beibehaltung einsetzen. Zunächst einmal in der Weise, daß er dem Rektor seine Thesen – nach Möglichkeit persönlich – zur Kenntnis gibt. Das eine ist Metzgersche Theorie, das andere ist reale Hochschulpraxis.

    Also, was soll das alles und wozu soll es gut sein?

  4. wf sagt:

    Wer an menschliche Werte statt Gewinnmaximierung glauben soll, ist nur ein mitleiderregender Zeitgenosse.

  5. A/P sagt:

    Zwischen Anspruch und Wirklichkeit liegen Welten.

  6. Polak sagt:

    „Viele Menschen würden eher sterben als denken. Und in der Tat: Sie tun es.“
    Bertrand Russell

  7. mm sagt:

    „Der Vorteil der Klugheit besteht darin, daß man sich dumm stellen kann. Das Gegenteil ist schon schwieriger.“

    Kurt Tucholsky

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