Ehrlicher Haushalt

Von unserem Redaktionsmitglied Hansjörg Ebert
Bruchsal. Als erste Kommune in Baden-Württemberg hat die Stadt Bruchsal ihren neuen Haushaltsplan nach den Grundsätzen der kommunalen Doppik – vergleichbar der in der freien Wirtschaft üblichen doppelten Buchführung mit Soll und Haben – und nicht mehr nach dem alten System mit Vermögens- und Verwaltungshaushalt aufgestellt. „In der Vergangenheit haben wir uns systembedingt in die Taschen gelogen“, sagte Professor Klaus Notheis, einer der Väter des neuen Haushaltsrechts und designierter Bruchsaler Stadtkämmerer, bei der Vorstellung des Pilotprojekts im Bruchsaler Rathaus.

Innenminister Heribert Rech (CDU) will die doppelte Buchführung möglichst schnell landesweit einführen. Auch Karlsruhe wird dem Beispiel folgen.
Das neue Recht schaffe eine große Transparenz bei den städtischen Finanzen und gebe erstmals auch einen klaren Überblick über das städtische Vermögen, das er für den Konzern Stadt Bruchsal inklusive Tochterunternehmen auf 442 Millionen Euro bezifferte.

„Das neue System bringt einen ehrlichen Haushalt“, unterstrich Oberbürgermeister Bernd Doll (CDU), die Bürger wissen künftig, wie es um die Finanzen der Stadt bestellt ist, wobei nicht nur die tatsächliche Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage des Kernhaushalts, sondern auch die der Töchter des Mutterkonzerns Stadt wie Stadtwerke oder Bürgerzentrum erfasst werden. Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit und intergenerative Gerechtigkeit sind weitere Schlagworte, mit denen der OB die Vorzüge des neuen Haushaltsrechts skizzierte.

„Welche Leistungen erbringen wir, welche Ziele verfolgen wir und tun wir das Richtige richtig?“ Das sind laut Haushaltsexperte Notheis die zentralen Fragen, die das neue Haushaltsrecht aufwirft und die eine neue Diskussion in den Gemeinderäten anstoßen. Denn viel stärker als bisher rücken dann die Folgekosten und Abschreibungen sowie der Ressourcenverbrauch und die Konsequenzen auch für die nachfolgende Generation ins Blickfeld der Kommunalvertreter und erschweren möglicherweise eine positive Antwort auf die Frage: Können wir uns das überhaupt leisten?

Rund 150 000 Euro hat Bruchsal die Einführung des neuen Systems gekostet, das Gros davon verschlangen die Personalkosten. „Bruchsal leistet hier echte Pionierarbeit“, bekundete Innenminister Heribert Rech (CDU), der den ersten 1 000 Seiten umfassenden Haushalt der Stadt in doppischer Form ausgehändigt bekam. Ein hohes Maß an Transparenz könne die Konsolidierung der kommunalen Haushalte vorantreiben, meinte er. Und wenn es den Kommunen gut gehe, dann gehe es auch dem Land gut. Bis Ende 2008 will der Innenminister den vorliegende Entwurf für das neue Haushaltsrecht in ein Gesetz gießen.

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18 Antworten zu Ehrlicher Haushalt

  1. ak sagt:

    Ich kann den Jahresabschluss 2007 der Stadt Bruchsal getrost abwarten.

  2. habe dich sagt:

    Der Satz „Rund 150 000 Euro hat Bruchsal die Einführung des neuen Systems gekostet“ ist Beweis genug, dass noch immer kameral argumentiert wird. 150.000 Euro würde bedeuten, in Bruchsal wären nur ca. 1,2 Personen ein Jahr lang mit der EInführung des neuen Systems beschäftigt gewesen (=Arbeitsplatzkosten).
    Geradzu lächerlich.

  3. -an-i sagt:

    Schade aber auch, dass die Haftung per se abnimmt, je größer der Schaden ist, den jemand anrichten kann. Meist kommen die, welche ein ganzes Land über die Klippe führen mit weniger Schlägen davon als jemand, der einen Kohlkopf stiehlt.O tempora, o mores.

  4. wf sagt:

    Hoffentlich wächst in Bretten nicht die grandiose Idee, das „Neue Steuerungsmodell“ einzuführen. Der einzige Vorteil wäre die systembedingte Schnelligkeit, mit der man die Schuldenübersichten (Verbindlichkeitenspiegel) vor Augen hätte. An den Resultaten beim Mutterkonzern Bretten würde sich nichts ändern, wie es im 6. Kommentar so treffend beschrieben wurde. Nur hätte man mit der Großen Kreisstadt Bruchsal aus Paritätsgründen oder sogar Neidgründen (positive Erwähnung vom Innenminister) gleichgezogen.

  5. ghg sagt:

    Es ist nun herauszufinden, ob und was in Wiesloch besser geworden ist. Interessant sind hier die Haushaltsergebnisse der entsprechenden Jahre sowie Ergebnisse der Tochtergesellschaften und etwaiger Beteiligungen. Daraus ist leicht abzulesen, ob sich die Anwendung des Neuen Steuerungsmodells in Wiesloch bezahlt gemacht hat.

  6. rt sagt:

    Bruchsal ist die zweite Stadt mit dem besagten Steuerungsmodell. Die Stadt Wiesloch hat dieses Modell bereits im Jahr 1999 eingeführt.

  7. JoSt sagt:

    „Können wir uns das überhaupt leisten?“ als Konsequenz für die nachfolgende Generation. Was soll diese Frage? Aktuell können wir uns schon fast nichts mehr leisten, wenn wir uns die Verschuldung nur der baden-württembergischen Kommunen anschauen.
    Und dann gibt die Große Kreisstadt Bruchsal erstmals für die Installierung des Systems „neues Steuerungsmodell“ 150.000 Euro aus und trägt ins Leservolk, daß sich diese finanzielle Ausgabe (das Gros Personalausgaben) gelohnt hat. Es wird Leser geben, die das glauben. Eventuell schon allein deshalb, weil es in der Zeitung steht. Merke: Begriffe wie Pilotprojekt und Pionierarbeit zeigen bei weitem nicht, ob sich diese Investition irgendwie und irgendwann (Kosten-Nutzen) bezahlt machen wird. Das System wird diese Frage sehr wahrscheinlich positiv darstellen können.

  8. Th. sagt:

    „… systembedingt in die Taschen gelogen“
    Man wird es weiterhin tun. Denn die Akteure bleiben dieselben. Sie verwalten ein städtisches Vermögen von 442 Millionen Euro. Nur das Buchführungssystem ändert sich und macht einiges wesentlich schneller durchschaubar als bisher. Nur die Akteure unterliegen anderen Beurteilungs- und Abstimmungskriterien als Inhaber, Geschäftsführer oder Vorstände von Unternehmen in vergleichbarer Größenordnung.
    Wer das bestreitet, ist auf dem („Konzern“-)Auge Stadt Bruchsal blind.

  9. l-rd sagt:

    Wenn Gemeinderäte zu Konzernmanagern – Konzern Stadt Bruchsal – werden, dann haben sie ab sofort die Möglichkeit, sich mit dem neuen Steuerungsmodell vertraut zu machen und zu bewähren. Der Leser obiger Nachrichten freut sich schon heute auf den ersten Jahresabschluß des Konzerns Stadt Bruchsal.

  10. S. sagt:

    Eine markt- und ergebnisorientierte operative Planung und gleichzeitig eine entsprechende Führung wären die Voraussetzung für ein obiges Modell. Beides ist nicht vorhanden. Es fehlen die Produktprogramme. Kalkulatorisch und bilanzielle Periodenergebnisse bis hin zu entsprechenden Rentabilitätszielen können sichtbar gemacht werden. Ebenso kann die Liquiditätssicherung (warum eigentlich?) durch eine Finanzplanung und entsprechende Maßnahmen dargestellt werden. Kann das Modell die Projektplanung wegen ihrer zunehemden Bedeutung besonders herausstellen?
    Der Konzern Stadt Bruchsal wird vom Abstimmungsverhalten seiner Gemeinderäte geführt. Und damit hat er ein systembehaftetes Problem. Weitere Erläuterungen kann man sich ersparen.

  11. a-v sagt:

    Warum bringt das neue Steuerungsmodell nur sehr wenig? Weil allen öffentlichen Haushalten der Markt (Produktion und Absatz) und der Wettbewerb fehlen. Die Preise für Dienstleistungen sind vorgeschrieben. Daher kann untereinander kein Preiswettbewerb stattfinden. Die kommunalen Haushalte finanzieren sich aus Steuern mit nur geringen Abweichungen in der Höhe und ebenso Abgaben sowie kalkulierten Gebühren, wobei letztere mindestens kostendeckend sein sollen. Wo sind also Markt und Konkurrenz, die ein derartiges Steuerungsmodell überhaupt nötig machten? Es wird in den Kommunen auch zukünftig nicht viel mehr getan als verwaltet. Auch mit dem neuen Steuerungsmodell!

  12. mm sagt:

    wenn man seriöse Haushaltspolitik betreibt und alle Instrumente der Information und Unterrichtung ausschöpft, dürften beide Arten der Beschreibung ein- und desselben Zustandes (Kontostand rot oder schwarz), die gleichen (ehrlichen) Ergebnisse bringen.
    Will man das nicht, findet man bei beiden Systemen Schlupflöcher, oder kürzer, wo ein Wille ist, ist immer auch ein Gebüsch 🙂

  13. si/z sagt:

    „Das neue System bringt einen ehrliche Haushalt“, Oberbürgermeister Bernd Doll (CDU). Nicht nur der Kernhaushalt wird vom neuen System erfaßt, sondern auch die Töchter des Mutterkonzerns Stadt wie Stadtwerke oder Bürgerzentrum.
    Wenn ein solches System in der Nachbarstadt Bretten für viel Geld installiert würde, würden die verlustreichen Töchter des Mutterkonzerns Stadt Bretten – wie z.B. Kommunalbau und städtische Wohnungsbaugesellschaft – nicht anders aussehen als bisher. Das eine würde neues Steuerungsmodell heißen. Die Realität wäre aber trotzdem eine unverantwortliche (vor wem eigentlich verantwortlich?) Brettener Schuldenpolitik.

  14. hjg sagt:

    Innenminister Heribert Rech (CDU):“Ein hohes Maß an Transparenz könne die Kosolidierung der kommunalen Haushalte vorantreiben.“

    Konsolidierung kann man im weiteren Sinn als Sicherung und Festigung bezeichnen. Im näheren Sinn ist es ein Begriff aus der Konzernrechnungslegung. Hier ist sicherlich die Bedeutung im weiteren Sinn gemeint.

    Was nützen den Kommunen die besten Buchführungssysteme, wenn am Ende einer Abrechnungsperiode wiederum rote Zahlen stehen werden? Diese sind vielleicht mit betriebswirtschaftlichen Analysen bestens nachgewiesen, aber dennoch weiterhin vorhanden. Das Dilemma besteht darin, daß die Entscheider über einen städtischen Haushalt völlig andere Ziele verfolgen (Öffentlichkeit, Unternehmen,Wahlvolk usw.) als diejenigen, welche als Fachleute doch nur die Vollzieher von politischen Entscheidungen sind. Da bringen noch so ausgeklügelte Buchführungssysteme nichts. Warum nicht? Weil ja sonst beispielsweise – wie heute in den BNN berichtet – Chrysler in den USA keinen Verlust ausweisen dürfte. Merke: In den USA sind die Forecast=Vorschausysteme und andere Controlling- und Kennzahlensysteme wesentlich weiter ausgebaut als bei uns im Land. Und trotzdem konnten ausgezeichnete Planungs- und Kontrollsysteme weitere Milliarden-Verluste bei Chrysler nicht verhindern.

  15. -rl- sagt:

    „In der Vergangenheit haben wir uns systembedingt in die Taschen gelogen“
    Komisch, bei den schuldenfreien Kommunen waren dagegen keine systembedingten Lügen notwendig. Lag das nur an den Gemeinderäten oder waren da auch die Verwaltungen so clever, dass sie nur die Realität und Ehrlichkeit berücksichtigt haben?
    Warum haben sich nicht alle Gemeinden danach gehalten? Weil systembedingtes Lügen hoffähig war, oder gar ein gewissenloses Geld ausgeben Anderer zum „leichteren“ regieren führt?

  16. n-Or sagt:

    Herr Professor Klaus Notheis vertritt mit seinem obigen Zitat, der Meinung sein zu müssen, daß die gehobenere Kameralistik, die u. a. auch Vermögenskonten und die Periodenabgrenzung kennt, für kaufmännische Zecke ungeeignet ist. Bei ihr soll die zwingende Verbindung zwischen Vermögens- und Erfolgsrechnung fehlen. Der Meinung kann man sein, doch sie entspricht nicht den Tatsachen. Als ein Vater des neuen Haushaltsrechts – weniger als „designierter“ Bruchsaler Stadtkämmerer – muß er diese Auffassung vertreten. Das hat ihm die Möglichkeit eröffnet, das Pilotprojekt im Bruchsaler Rathaus vorzustellen und als Kandidat für den Job des Kämmerers im Gespräch zu bleiben.

  17. ch.u. sagt:

    Die Kameralistik knüpft an der Verbuchung kassenmäßiger Vorgänge an und ist um die Ermittlung finanzwirtschaftlicher Ergebnisse bemüht. Das kaufmännische Rechnungswesen dagegen hat zum Ziel, ein erfolgswirtschaftliche Ergebnis im Sinne eines Gewinnes oder Verlustes zu ermitteln. Dadurch unterscheiden sich die beiden Systeme.
    Über die Kameralistik können vor allem über ihre neueren Formen prinzipiell die gleichen Kontroll- und Steuerungsinformationen wie bei der kaufmännischen Buchführung erlangt werden! Die Informationsgewinnung gestaltet sich beim kameralistischen Rechnungswesen umständlicher, vor allem weil kein geschlossenes doppeltes Buchungssystem eixistiert.
    Das kameralistische Rechnungswesen in öffentlichen Verwaltungen bedarf der Ergänzung durch eine Vermögensrechnung. Die bei den kameralistischen Abrechnugsverfahren erfaßten Zahlungsströme sind zwar vermögenswirksanm. Doch werden wegen der an finanzwirtschaftlichen Zielen orientierten Gliederung die Auswirkungen auf Vermögen und Schulden nicht ausreichend nachgewiesen.
    Ob man das Ganze aber mit „In der Vergangenheit haben wir uns systembedingt in die Tasche gelogen“ bezeichnen kann, ist stark anzuzweifeln.

  18. Rd sagt:

    „In der Vergangenheit haben wir uns systembedingt in die Tasche gelogen“, sagte Professor Klaus Notheis, einer der Väter des neuen Haushaltsrechts und designierter Bruchsaler Stadtkämmerer, bei der Vorstellung des Pilotprojekts im Bruchsaler Rathaus.

    Was unter dem Begriff der kaufmännischen Buchführung (doppelte Buchführung) bekannt ist, müssen beispielsweise überall im Land die Tochterunternehmen (Gesellschaften mit beschränkter Haftung = GmbH´s) der Städte anwenden. In Berichten über Jahresabschlüsse von Tochtergesellschaften – siehe vorne – aus Gemeinderatssitzungen geben die Redaktionen der BNN vorzugsweise persönliche Bemerkungen von Stadträten und leider zu wenig Positionen der Bilanzen selbst wieder. Die Bürger dürfen so oft uninteressante Meiunungen ihrer sichtlich besorgten Volksvertreter zur Kenntnis nehmen. Zahlen, Daten und Fakten sind meistens Mangelware (s. Berichte über die Brettener Kommunalbau GmbH sowie über die städtische Wohnungsbaugesellschaft).

    Ein Mittel, den Bürgern und Lesern Transparenz zu vermitteln, wäre die Unterrichtung in Form von Pressemitteilungen der Städte vorab mit einem „ehrlichen“ Inhalt, der von interessierten Lesern verstanden werden kann. Das wäre primär ein richtiger Ansatz. Danach kann man immer noch über unmaßgebliche Diskussionsbeiträge im nachhinein (ex post), die besonders im Brettener Gemeinderat stattfinden, berichten. Wer als Leser daran Geschmack findet, der kann sich auch noch solche Sätze reinziehen.

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