Immer mehr Kommunen befragen Bürger

Stimmungsbarometer ist Hilfe für Entscheidungen von Verwaltung und Stadträten
Stuttgart (dpa/lsw). Bürgerumfragen als Hilfe für Entscheidungen von Verwaltung und Stadträten werden in Baden-Württemberg immer beliebter. In etwa jeder zweiten Kommune ist nach Schätzungen des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu) dieses Stimmungsbarometer neben Bürgertelefonen oder -treffs etabliert. Viele Gemeinden ziehen nach, wie eine Umfrage ergab.
„Die Bürgerbefragung ist ein wichtiger Beitrag, um diejenigen zu informieren, die in den Kommunen mit der Willensbildung und den Entscheidungen beauftragt sind“, sagt Michael Brettschneider vom Difu. Da die Rathäuser stark von Verbandslobbyisten beeinflusst würden, bilde die Bürgerbefragung einen guten Gegenpol. „Die Sparhaushalte vieler Kommunen werden von den Interessenverbänden als nicht möglich dargestellt, fragt man aber die Bürger selbst, bringen sie dem doch Verständnis entgegen.“ Wiederholungen bieten der Verwaltung nach Brettschneiders Worten eine gute „Erfolgs- und Wirkungskontrolle“.

Jürgen Spiegel vom Freiburger Institut für angewandte Sozialwissenschaft sieht einen weiteren Vorteil: „Bei anderen Formen der Bürgerbeteiligung mischen immer die üblichen Verdächtigen mit – akademisch gebildete, gut situierte Leute.“ Bei einer Befragung erhalte die Stadt dagegen ein repräsentatives Abbild.
Die wichtigsten Themen von Befragungen sind Qualität der Stadtverwaltung, Stadtentwicklungsplanung, städtische Großprojekte, Verkehr, Wohnen und Sparvorhaben. Häufig werden die Fragen aber auch eingegrenzt: So wurden etwa in Ravensburg 1997 rund 2 000 Jugendliche zum Thema Schule und Gewalt befragt, fünf Jahre später sollten Familien zu ihrer Lebenssituation und ihren Wünschen Auskunft geben. In Stuttgart haben die umfassenden Bürgerumfragen thematische Schwerpunkte, im vergangenen Jahr etwa „Ältere Menschen“ und „Ehrenamt“. Auch in Karlsruhe werden neben den repräsentativen Umfragen bestimmte Zielgruppen befragt. „Die Themen werden etwa alle vier bis sechs Jahre erneut aufgegriffen“, erläutert Stadtsprecher Bernd Wnuck. In Heilbronn stand das „Rathaus als Dienstleister“ im Zentrum einer gezielten Befragung, deren Ergebnis etwa zu flexibleren Öffnungszeiten und einem besseren Internet-Auftritt der Stadt führte.

Vorgenommen werden die Befragungen von den Statistischen Ämtern der Kommunen, die die Ergebnisse in den Amtsblättern, lokalen Medien oder im Internet verbreiten. Die Kommunen lassen sich die Umfragen zum Teil fünfstellige Beträge kosten: Nürtingen gab 13 000 Euro für die Befragung von 4 000 Einwohnern aus, Stuttgart zahlte für seine Befragung von rund 8 600 Bürgern im vergangenen Jahr 25 000 Euro. Der Rücklauf ist zum Teil mit weit über 40 oder gar 50 Prozent sehr hoch.

Die Themen dieses Tages in einem anderen Jahr :

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Eine Antwort zu Immer mehr Kommunen befragen Bürger

  1. ghg sagt:

    Bürgerumfragen sind nur dann ihr Geld wert, wenn die Aussagen auch bei Entscheidungen der Bürgervertreter berücksichtigt werden können. Vorab ist den Befragten der Unterschied zwischen Pflicht- und freiwilligen Aufgaben deutlich zu machen. Die Anregungen und Wünsche der Befragten haben sich nach dieser Unterscheidung zu richten. Es kann ja sein, dass ein Großteil an Wünschen zu den freiwilligen Aufgaben einer Gemeinde gehört. Auf Grund verschuldeter Gemeindehaushalte – AUCH IM MUSTERLÄNDLE BADEN-WÜRTTEMBERG – haben derartige Wünsche Nachrangigkeit. Pflichtaufgaben haben Vorrang. Unter diesem Aspekt werden sicherlich viele Vorschläge von vornherein wegfallen müssen. Der Rest wird dann entweder verwirklicht oder dem Rotstift zum Opfer fallen. Als eine echte Entscheidungshilfe für die Mandatsträger kann die Umfrage kaum dienen, weil vorrangig und regelmäßig Sachzwänge zu Entscheidungen führen. Der Rest an finanzieller Manövriermasse ist zu gering, um auch nur ansatzweise zusätzliche Wünsche zu erfüllen.
    Bleibt zu hoffen, daß die Befragungen nicht nur eine statistische Aussagekraft haben.

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