Unser Angebot könnte noch etwas größer sein

Seit drei Monaten versorgt der Brettener Tafelladen Bedürftige mit Lebensmitteln / Derzeit 536 Kunden
Von unserem Redaktionsmitglied Thilo Kampf
Bretten. „Wenn es diesen Laden nicht geben würde, könnte ich mir vieles einfach nicht leisten. Dann gäbŽs halt nur Spätzle mit Gurken zum Essen“, erklärt die junge Mutter aus Bretten, die sich im Tafelladen in der Weißhofer Straße mit Lebensmitteln eindeckt. In ihrem großen Korb liegen Tomaten, Zwiebeln, Kartoffeln, Broccoli, Pasta und ein Brot. Das Besondere: Für alles zusammen berappt sie an der Kasse gerade mal anderthalb Euro. (Siehe auch Kommentar „Teilen ist seliger“).
Vor drei Monaten nahm der Brettener Tafelladen in den Räumen eines ehemaligen Lebensmittelmarktes seinen Betrieb auf, nachdem sich die Betreiber Diakonisches Werk, Caritas und das Deutsche Rote Kreuz (DRK) auf ein gemeinsames Konzept verständigt hatten.
Seither verzeichnet Peter Jahnke, Leiter der Brettener Geschäftsstelle des Diakonischen Werks, eine stetig wachsende Zahl von Kunden: Allein in der zweiten Juni-Hälfte wurden 600 Einkäufe registriert, im Juli fast 1 000, im August rund 1 200 und bis dato bereits über 500 Einkäufe. Freilich: Einkaufen darf nur, wer einen Berechtigungsausweis hat – das sind laut Jahnke derzeit 536 Personen aus Bretten und Umgebung. Knapp die Hälfte der Berechtigten bezieht Arbeitslosengeld, ein weiteres Viertel fällt unter die Grenze des „geringfügigen Einkommens“ (Einzelperson: 750 Euro, ein Ehepaar 1 000 Euro im Monat).
Vom Erfolg der Idee war Jahnke von Anfang an überzeugt: „Wir wissen, dass es auch in Bretten eine Menge Leute gibt, die hart an der finanziellen Grenze leben. Und mit dem Bruchsaler Tafelladen haben wir auch sehr gute Erfahrungen gemacht, die in das Brettener Konzept eingeflossen sind.“
Rund 30 ehrenamtliche Helfer
Nachdem geeignete Räumlichkeiten gefunden waren und sich rund 30 Personen aller Altersklassen zum ehrenamtlichen Engagement gemeldet hatten, legten Jahnke und sein Team los: Zunächst klapperten sie Einzelhändler, Bäcker und Metzger ab. Mit Erfolg: „Wir haben zur Zeit 25 Lieferanten“, berichtet Mitarbeiterin Ulrike Tannenberg, „vom kleinen Händler bis zum großen Discounter.“
Um die Lebensmittel abzuholen, wurde ein gebrauchtes Fahrzeug gekauft, zudem mussten Kühltheken, Verkaufstresen und eine Kasse organisiert werden. Insgesamt, erklärt Jahnke, investierten die drei Organisationen rund 20 000 Euro. Ein Teil des Geldes sei wieder durch Spenden zurück geflossen; auch die Stadt Bretten habe 1 000 Euro beigesteuert.
Rund 3 000 Euro müssen die Betreiber jeden Monat für Pacht, Benzin und andere Betriebskosten berappen; doch bei durchschnittlich drei Euro Einnahmen pro Kunde (wie dies derzeit der Fall ist) rechne sich der Tafelladen, ist sich Jahnke sicher.
Dabei könnte der Tafelladen durchaus höhere Umsätze erzielen, wenn es nur mehr Lebensmittel zu kaufen gäbe: „Unser Angebot könnte noch etwas größer sein“, räumt Jahnke denn auch ein. Vor allem Wurst- und Fleischwaren, aber auch Molkereiprodukte seien derzeit noch Mangelware, ebenso Tiefkühlprodukte, Reis oder Linsen. Doch eben da fehle es noch an den entsprechenden Spendern.
Das sieht auch Klaus Zeuch, der das Modell der „Tafeln“ favorisiert, die kostenlos Lebensmittel an Bedürftige verteilen, so. „Das Angebot hier reicht meiner Meinung nach nicht aus“, so Zeuch bei einem Informationsbesuch dieser Tage im Brettener Tafelladen.
Wie bereits berichtet, wollen Zeuch und sein Verein „Kraichgau-Hilfe“ Anfang Oktober in Oberderdingen eine „Tafel“ eröffnen. Jahnke ist mit dieser Entwicklung nicht glücklich: „Wir bedauern diesen Schritt, so sehr wir sonst Wettbewerb begrüßen.“
Immerhin kann der Diakonie-Obere auf die Einrichtungen in Rastatt und Bruchsal zurückgreifen: „Die dortigen Tafelläden arbeiten mit uns zusammen. Da kommt dann auch mal eine große Lieferung Kartoffeln oder tonnenweise Salzgebäck rein.“
Vor Öffnung bereits Gedränge
Wenn Barbara Hoefer pünktlich um 12.30 Uhr den Tafelladen aufschließt, bietet sich der Mitarbeiterin jeden Tag das gleiche Bild: „Da drängen sich viele Leute schon eine halbe Stunde lang vor dem Eingang, weil sie denken, es gibt sonst nichts mehr für sie.“ Nach einer Stunde ebbt der Andrang wieder ab, dann kommen nur noch vereinzelt Kunden. Um 16 Uhr ist Schluss; nachgedacht wird derzeit, die Pforten bereits um 15 Uhr zu schließen.
Was die resolute ältere Dame täglich erlebt, kann sie kaum glauben: „Es gibt Leute, die sich am Gemüsestand richtig breit machen und ihre Ellenbogen einsetzen. Da haben dann vor allem die älteren Leute kaum eine Chance.“
Trotzdem machen die Helfer den Job gerne, wie auch Kassiererin Beate Bacher berichtet: „Die Gemeinschaft hier ist mir ganz wichtig. Wir haben viel Spaß miteinander.“ Und vielleicht sind es auch die Erfahrungen mit den Kunden: „Wenn sich eine arme Rentnerin freut, dass es so viele Sachen für so wenig Geld gibt, dann tut uns das gut.“

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2 Antworten zu Unser Angebot könnte noch etwas größer sein

  1. -Hü- sagt:

    Das hat unser aller christliches Verständnis zu sein!

  2. ak sagt:

    Herrn Thilo Kampf ist zu danken, daß er so ausführlich über den Brettener Tafelladen schreibt. Das gilt gleichermaßen für die positiven Aktionen und Reaktionen aller Beteiligten. Hören Sie nicht auf, immer wieder auf hilfsbedürftige und arme Menschen aufmerksam zu machen. Es geht nicht nur die Wohlfahrtsverbände, es geht uns alle an. Denn Armut kann alle bedrohen.

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