Da sind sichtbare Zeichen entstanden

Oberbürgermeister Paul Metzger lenkt seit genau 20 Jahren die Geschicke Brettens
Heute vor 20 Jahren begann in Bretten die Ära Paul Metzger: Der neu gewählte Oberbürgermeister trat am 1. Februar 1986 sein Amt an und wurde feierlich verpflichtet. Über zwei Jahrzehnte Brettener Kommunalpolitik, über Visionen, Kompromisse und Ergebnisse sprach unser Redaktionsmitglied Rudolf Baier mit dem Brettener Oberbürgermeister

BNN: Ein Oberbürgermeister muss Visionen haben. Sind einige Ihrer Visionen von 1986 in der Brettener Realität von 2006 zu finden?
Metzger: Das Prinzip „Zehn bilden die ganze Große Kreisstadt“ zum Beispiel. Mir war wichtig, die Stadtteile als selbstbewusste Einheiten zu fördern, aber auch zur Gesamtstadt zu führen. Ich habe den Eindruck, dass durchaus Stadtbewusstsein entstanden ist. Das ging auch über das bürgerschaftliche Engagement: Dass man nicht nur Forderungen an die Allgemeinheit stellt. Angefangen hat das mit der Abschaffung der Kehrmaschine: Der Dreck blieb sowieso am Straßenrand liegen, weil dort Autos parkten. Da war es sinnvoll, ab und zu wieder selbst die Straße zu kehren. Das machte auch in den Stadtteilen Eindruck. Alte Rituale und Gepflogenheiten wurden über Bord geworfen. Bei der Gerberhaus-Initiative man hat gesehen, was Ehrenamt möglich macht. Das löste einen Schneeball-Effekt in allen Stadtteilen aus, bürgerschaftliche Substanz entwickelte sich, die Bretten sehr geholfen hat. Das andere Thema war die Melanchthonstadt. Es fing an mit der Änderung der Briefbögen, ging aber natürlich auch um Inhalte: Um die Erforschung des Wirkens Melanchthons, auch um den Anspruch, Schulbildung in der Stadt auf eine breite Basis zu bringen. Da sind sichtbare Zeichen entstanden mit zweitem Gymnasium, mit Erweiterungsbauten bis hin zum im Bau befindlichen beruflichen Gymnasium.

BNN: Sie traten an mit dem Anspruch der Bürgernähe, wollten Transparenz in die Verwaltung bringen.
Metzger: Zu meinem Wahlprogramm zählte das „gläserne Rathaus“. Zwar kommt es vor, dass in der Öffentlichkeit eine Idee falsch interpretiert wird und bei Manchen so ankommt, als sei alles schon verwirklicht. Doch es entstand auch ein Meinungsbildungsprozess, nicht immer bequem, aber fruchtbar. Bretten ist dafür bekannt, dass man ohne Scheu zum Oberbürgermeister kommen kann. Von Anfang an gibt es den ,heißen Draht‘, der den unmittelbaren Kontakt der Bürger mit mir ermöglicht. Ich möchte diese Telefonsprechstunde nicht missen. Sie ist ein Stück Kontrolle für die Arbeit der Stadtverwaltung wenn Beschwerden kommen, aber vor allem gibt sie mir wichtige Hinweise, wo es den Bürger drückt. Da wird sehr offen gesprochen, und es geht vertraulich zu. Aber ich pflege auch den direkten Kontakt, gehe gerne an Stammtische, wo man erfahren kann, was die Menschen bewegt. Auswärtige Besucher, mit denen ich in der Stadt unterwegs bin, sind oftmals verwundert, wie selbstverständlich es für die Menschen in Bretten ist, ihren Oberbürgermeister auf der Straße anzusprechen und sich mit ihm zu unterhalten.

BNN: Visionen sind notwendig, der politische Alltag besteht indes meist aus Kompromissen. Welche Kompromisse sind Ihnen besonders schwer gefallen?
Metzger: Die Umgehung Gölshausen mit ihren Straßenplanungen, die immer nur kurzatmig waren. Ich war und bin überzeugt, dass eine komplette Südumfahrung die Probleme in Bretten gelöst hätte, aber ich konnte dies nicht durchsetzen. Oder dies: Im Wollen, die Bildung zu verbessern habe ich anders gedacht als die Schulverwaltung und wollte eine eigenständige weitere Realschule einrichten. Doch nun haben wir eine große Realschule mit sechs Zügen. Überall dort, wo wir hier vernünftige Denkansätze hatten und dann mit staatlichen Reglementierungen konfrontiert wurden, sind Dinge oft negativ gelaufen.

BNN: Kompromisse muss man auch machen gegenüber der Wirtschaft, gegenüber Investoren etwa, weil das, was politisch wünschenswert ist, sich nicht unbedingt mit dessen Interesse deckt.
Metzger: Kompromisse mit der Wirtschaft waren notwendig, aber sie haben nicht dominiert. Wir konnten verschiedene Entwicklungsmaßnahmen durchführen, weil private Investoren sie finanzieren wollten. Man musste nur die Kraft aufbringen, dann auch Genehmigungen auszusprechen, die nicht sofort allen Freude bereitet haben. Doch auch im Interesse der Bürger gilt es, Rücksichten zu nehmen, weil das Wollen der Wirtschaft nicht immer deren Wohnumfeldbedürfnisse berücksichtigt. Wir haben durchgesetzt, dass Firmen verlagert wurden oder notwendige Investitionen durchgeführt haben, wenn es zu Immissionen kam. Letztlich war das für die Umwelt, die Betriebe, für den Arbeitsmarkt und die Stadtentwicklung erfolgreich. Für sinnvolle Verlagerungen brauchen wir auch weiteres Industriegelände im Rüdtwald.

BNN: Dabei genießt Bretten bei der Wirtschaft einen guten Ruf. Die Firmenansiedlungen sprechen für sich.
Metzger: Ich hatte es anfangs mit einer Stadt zu tun, die von schlimmen Konkursen, hoher Arbeitslosigkeit und geringer Steuerkraft gebeutelt war. Das fing mit dem Zusammenbruch von Malag gleich in der ersten Woche meiner Amtszeit an. Da ging es darum, so kraftvoll und unbürokratisch wie möglich zu handeln. Und so haben wir auch später Firmen begleitet, Neff zum Beispiel, und das Brettener Industriekarussell zum Laufen gebracht. Viele Firmen waren überrascht, dass wir nicht nur einen Termin für sie hatten, sondern auch sofort mit Umsetzungsvorschlägen kamen bis hin zu Grundriss- und Logistik-Planungen. Das Unbürokratische, die kurzen Wege, das hat sich herumgesprochen. Wie etwa die Geschichte von der Firmenchefin, deren Anruf mich samstags auf dem Baugerüst am Schweizer Hof erreichte: Der Reisepass eines wichtigen Mitarbeiters, der am Sonntag in die USA fliegen musste, war abgelaufen. Der Mann bekam rechtzeitig gültige Papiere. Die Leute waren erstaunt, dass so etwas in einer öffentlichen Verwaltung möglich ist. Wichtig ist auch das Wissen um die Verlässlichkeit der Stadt, wenn man nach Gesetz und Recht einen Anspruch hat. So war das schon bei der Diskussion um den Müllglühofen, der zum Glück zwar nicht gebaut wurde, aber dessen Genehmigungsanspruch unvoreingenommen geprüft wurde – trotz zahlreicher Unterschriften und Anfeindungen dagegen. Damit kann man Recht und Gesetz nicht außer Kraft setzen.

BNN: Eine Große Kreisstadt muss selbstbewusst auftreten. Doch das führt zwangsläufig zu Konflikten. Wie verträgt sich das mit dem Streben Paul Metzgers nach Harmonie?
Metzger: Angetreten bin ich mit dem Wahlslogan, Bretten als Mittelzentrum und den Mittelbereich zu stärken. Es gibt eine ganz normale, vernünftige Konkurrenzsituation zwischen Städten und Gemeinden. Im Mittelzentrum haben wir für Schule, für Arbeit, fürs Einkaufen oder mit der Stadtbahn Rahmenbedingungen geschaffen, die auch den Bürgern anderer Gemeinden zur Verfügung stehen bis hin zu Freizeitgestaltung, Kino und Hallenbad. Damit es diese Aufgaben überhaupt wahrnehmen kann, muss Bretten sich stärken. Deshalb hat die Stadt den eigenen Bedarf nachgewiesen für Gewerbe und Industrie, auch für den Ausbau des Einzelhandels. Aber wenn man stärker wird, hat man nicht nur positive Reaktionen, sind nicht alle glücklich darüber. Dies ist mit meinem Harmonieverständnis durchaus vereinbar. Ich kann durchaus akzeptieren, wenn andere neidvoll nach Bretten gucken. Für mich wäre es viel schlimmer, wenn man uns bedauern würde.

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7 Antworten zu Da sind sichtbare Zeichen entstanden

  1. b.z. sagt:

    Der Zustand dieses beschriebenen Weges läßt nicht nur ältere Menschen stürzen!

  2. -az- sagt:

    Oft sind „Kleinigkeiten“ die das Leben lebenswert machen und nicht die großen Visionen.
    Man betrachte nur den Weg durch den Rosengarten, bis zum Kaiserlidenweg, im unteren Teil des Friedhofes.
    Nicht nur bei Dunkelheit ist die Begehung gefährlich weil es unzählige, sondern auch extrem tiefe, Schlaglöcher gibt.
    Wieviele ältere Menschen diesen (Verbindungs)Weg (ohne Beleuchtung) nicht mehr benutzen(können) weiß man sicherlich nicht, aber das Gesamtbild des Straßenzustandes in Bretten ist hier beispielhaft dargelegt.

  3. o.V. sagt:

    Wenn ich durch Bretten fahren muss, und das (mit dem Auto oder Fahrrad) dauert meistens zu lange, dann bin ich heilfroh, die „schöne“ Grosse Kreisstadt hinter mir gelassen zu haben. Ich mache drei Kreuze und kann wieder aufatmen.

  4. mm sagt:

    Sichtbare Zeichen sind tatsächlich entstanden : egal aus welcher Richtung man sich auf Bretten zubewegt, man sieht sie von weitem, die sichtbaren Zeichen (Beton gewordene Visionen), das schöne Kaufland mit Baumarkt auf der Diedelsheimer Höhe, die neuen Häuser am Engelsberg, die beinahe den Pfeiferturm überragen, das nagelneue Kraichgauzentrum, die Wohnsilos in der Kupferhälde. Paul Metzger hat dieser Stadt seinen Stempel mit brachialer Gewalt aufgedrückt und das sieht auch ganz genau so aus!

  5. -oh- sagt:

    Die Aufzählung im 2. Kommentar ist nicht erschöpfend.
    Nur beispielsweise sind die Bausubstanz sowie die sächliche Ausstattung und Einrichtung der Brettener Schulen zu nennen. Es besteht erheblicher Nachholbedarf. Instandhaltung und Instandsetzung sind dringend erforderlich.

  6. -rl- sagt:

    „Für mich wäre es viel schlimmer, wenn man uns bedauern würde.“
    Und woher weiss Herr Metzger, dass die Bürgerschaft (nicht die Stadt auf den Glanzprospekten) doch nicht bedauert wird? Also, um den Zustand der Finanzen, der Umweltprobleme, um den Lärm, um die Verkehrsprobleme oder den baulichen Zustand der Straßen wird man sicherlich nicht beneidet.

  7. -oh- sagt:

    Dort haben zwei richtige Experten miteinander geredet.

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