Sternenfels steht für Ideenschmiede

Das PZ-Interview mit Helmut Wagner, dem Verwaltungschef von Sternenfels, zur Kommunalpolitik und zu den Bürgermeisterwahlen 2006

Bürgermeister Helmut Wagner gilt als einer der kreativsten Bürgermeister im Ländle. Ländliche Gemeinde: Das wurde unter Wagner zu einer Prädikatsauszeichnung, Sternenfels entwickelte sich zu einem Markenzeichen für zukunftsgerichtete Innovation. In der Ideenschmiede wurden leistungsfähige Projekte wie das Service-Zentrum KOMM-IN geboren, zahlreiche Preise heimste die Gemeinde ein. Im internationalen Wettbewerb zeigte das globale Dorf, was es drauf hat. Wagner hat viel mit seinem Gemeinderat und seinen Bürgern erreicht. Die Sorge des scheidenden Schultes könnte die sein: Geht es erfolgreich weiter? Die Fragen an Verwaltungschef Helmut Wagner stellte PZ-Redaktionsleiter Peter Marx.

Pforzheimer Zeitung: Unter Ihrer Regie ist Sternenfels zu einer Vorzeigegemeinde im ländlichen Raum geworden. Eine schwere Hypothek für Ihren Nachfolger?

Helmut Wagner: Sternenfels wurde im Zuge der Gemeindereform gegründet. Der Strukturwandel ist eine Herausforderung, die durch den Gemeinderat, die Gemeindeverwaltung und Bürgerschaft getragen ist, durch das Land Baden-Württemberg gefördert und durch viele Partner und Fachleute unterstützt wird. Die ganzheitlichen Lösungsansätze und die nachhaltige Dorfentwicklung haben sich bewährt und sind Basis für die Bewältigung der Aufgaben, die anstehen, frühzeitig erkannt und gelöst werden müssen.

PZ: Sie haben angekündigt, im März bei den Bürgermeisterwahlen nicht wieder anzutreten. Was waren die Gründe und was machen Sie danach?

Wagner: Die vierte Wahlperiode geht am 30. April 2006 zu Ende. Jede Entwicklung lebt von Kontinuität und vom Wechsel. Aus meiner Sicht hat sich die langjährige Zusammenarbeit bewährt. Nach 32 Jahren ist ein Wechsel richtig.

PZ: Was waren die wichtigsten Erfolge in Ihrer Amtszeit?

Wagner: Die Erschließung von Gewerbegebieten in beiden Ortschaften, die Ansiedlung zukunftsorientierter Produktions- und Dienstleistungsbetriebe, die uns Perspektiven auch in der Zukunft geben, und die Schaffung von Arbeitsplätzen sind für die Gemeinde von besonderer Bedeutung. Erfreulich ist das gute, sich ergänzende Zusammenwirken in und zwischen den beiden Ortschaften. Besonders erwähnenswert ist das bürgerschaftliche Engagement.

PZ: Am Ende Ihrer Amtszeit gibt es viel Licht, aber auch heraufziehende Schatten. Zum gleißenden Licht gehört die Einweihung der Gießbachhalle in Diefenbach, zum Schatten die Entwicklung beim einstigen Renommierbetrieb STEAG Hamatech.

Wagner: Viel beachtet ist die Gewerbeansiedlungspolitik unserer Gemeinde. Wir hoffen auf eine Bestandssicherung der Firma STEAG Hamatech AG durch den Rechtsnachfolger. Im vergangenen Jahr konnten im Gewerbepark drei Firmen angesiedelt werden. Von besonderer Bedeutung ist die Reaktivierung einer seit 1985 leer stehenden Produktionshalle im Rahmen eines Insolvenzverfahrens durch die Firma Hartchrom Schoch GmbH. In diesem Jahr entstehen daher in Diefenbach neue Arbeitsplätze in nennenswerter Höhe. Im Gewerbepark Sternenfels sind 25 Firmen mit derzeit rund 750 Arbeitsplätzen angesiedelt. Das Gebiet ist in vielfacher Hinsicht, ökologisch und ökonomisch ein Vorzeigegewerbegebiet, nicht nur für Baden-Württemberg.

PZ: Was haben Sie zum Ende Ihrer Amtszeit nicht erreicht?

Wagner: Die anstehenden Aufgaben und die gemeinsam formulierten Ziele wurden erreicht. In den 80er-Jahren hätte ich mir das 7. Regionale Freilichtmuseum in Baden-Württemberg zwischen den beiden Ortschaften gewünscht. Dieses kam nicht zu Stande. Profitiert haben wir von einer intensiven Auseinandersetzung innerhalb der Dorfgemeinschaft in bestem demokratischem Sinne. Diese Erfahrung war für die Gemeinde von großer Bedeutung.

PZ: Wie ist es um die Finanzen der Gemeinde bestellt?

Wagner: Die Gemeinde musste 2001 einen 90-prozentigen Gewerbesteuerausfall gegenüber 2000 verkraften. In den letzten drei Jahren wurden keine Kredite aufgenommen. 2006 ist keine Kreditaufnahme geplant. Alle Vorhaben und Grundstücksrechtsgeschäfte werden über den Haushalt abgewickelt. Es gibt keine Neben- beziehungsweise Schattenhaushalte. Erfreulich ist, dass auch für die Gießbachhalle keine Kreditaufnahme notwendig ist.

PZ: Das KOMM-IN gilt nach wie vor als Vorzeigeprojekt mit Modellcharakter und als Verkaufsschlager.

Wagner: Im ländlichen Raum ist eine ausreichende Grundversorgung notwendig. KOMM-IN ist ein Dienstleistungszentrum und Marktplatz der Kommunikation. Das Projekt wurde auf der Grundlage einer Bürgerbefragung zu kommunalen Diensten und Telearbeit entwickelt. Die Frequentierung ist gut. Die Kunden sind mit dem Dienstleistungsangebot sehr zufrieden.

PZ: Wie geht es im Innovationscenter weiter?

Wagner: Seit 1998 betreiben der Enzkreis, die Sparkasse Pforzheim Calw und die Gemeinde das TeleGIS Innovationscenter GmbH & Co. KG. Es ist eines der vier Gründerzentren in der Region Nordschwarzwald, neben Innotec Pforzheim, Technologiezentrum Horb und dem Zentrum in Nagold. Existenzgründungen, Bildung und neue Medien sind gesellschaftliche Aufgaben, die auch im ländlichen Raum gelöst werden müssen.

PZ: Technik, Wirtschaftskraft, Lebensqualität und altengerechte Gemeinde bildeten Lieblingsthemen von Ihnen. Wird der Gemeinderat an diesen Zielsetzungen festhalten?

Wagner: Die in der langjährigen Dorfentwicklung gewonnenen Erfahrungen, der internationale Kongress in Konstanz im Jahr 2000 „Das neue Dorf entsteht im Kopf“ sind die Grundlage für die Philosophie des 7-Sterne-Dorfes, mit der sich der Gemeinderat in einer Klausurtagung auseinander gesetzt hat. Der 7-zackige Stern im Wappen der Gemeinde steht für 7 Dorftypen: Gründer-, Medien-, Bürger-, Generationen-, Naturpark-, Kultur-, Tourismusdorf.

PZ: Wie ist Ihnen menschlich nach der langen Zeit zumute, die bald als Bürgermeister zu Ende geht? Bleiben Sie in Sternenfels?

Wagner: Eine Wahlperiode sehe ich ähnlich einem Zeitarbeitsvertrag. Der aktuelle endet am 30. April 2006 und damit meine Bürgermeistertätigkeit. Meine Familie und ich fühlen uns in unserer Gemeinde wohl, die uns zur Heimat geworden ist.

PZ: Herr Wagner, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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