Plädoyer für eine Flächenwende

Plädoyer für eine Flächenwende
Der von den Baden-Württembergern eingeschlagene Weg beim Flächenverbrauch sollte andere Landesregierungen zu ähnlichen Schritten ermutigen
VON HENNING ARPS , DARMSTADT
Nach wie vor ist der Flächenverbrauch in Deutschland immens – eine entscheidende Wende ist bislang nicht erkennbar. Und obwohl in Baden-Württemberg wichtige Schritte für eine zukunftsorientierte Flächenpolitik eingeleitet worden sind, muss auch hier noch einiges getan werden.

Ja: Die Verkehrs- und Siedlungsflächen, die Jahr für Jahr im Bundesgebiet verbraucht werden, sind im Jahresvergleich geringer geworden. Auch in Baden-Württemberg. Aber: Es gibt nach wie vor dringenden Handlungsbedarf, um eine nachhaltige Flächenpolitik zu realisieren. Warum dieser Teil der Umweltpolitik so wichtig ist, ergibt sich aus einer Vielzahl ökonomischer, ökologischer und sozialer Gründe. Ökonomisch und sozial, weil zum Beispiel geringerer Flächenverbrauch weniger Wege und damit geringere Mobilitätskosten bedeutet. Ökologisch, weil geringerer Flächenverbrauch unter anderem natürliche Lebensräume erhält und der Boden seine Funktion als Wasserspeicher und -filter behalten kann. Alles das spricht zugleich für das rasche Beginnen mit einer solchen nachhaltigen Flächenpolitik.

Die muss eingebunden sein in eine bundesweite Gesamtstrategie und an Leitthesen orientiert sein, wie sie beispielsweise beim Öko-Institut unter dem Titel ,,Flächenwende“ entwickelt worden sind. Wichtig ist nämlich, dass als Adressat einer integrierenden Strategie Akteure auf allen betroffenen Ebenen angesprochen werden. So allein kann eine nachhaltige Raum- und Siedlungsentwicklung realisiert werden. Ein ebenso klares wie ambitioniertes Ziel ist hierzu durch die so genannte nationale Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung definiert worden, die eine „Flächeninanspruchnahme von maximal 30 ha pro Tag im Jahr 2020“ vorsieht, also rund ein Viertel des Werts aus dem Jahr 2001.

Keine voreiligen Vergleiche
Die hohe Bedeutung des Themas ist auch von den Politikerinnen und Politikern in Baden-Württemberg erkannt worden. Ehe nun aber vorschnell Vergleiche mit anderen Bundesländern gezogen werden, sind die Rahmenbedingungen zu berücksichtigen, die einen unmittelbaren Vergleich erschweren. So weist beispielsweise die wirtschaftliche Dynamik im Musterländle nach wie vor ein überdurchschnittliches Wachstum auf. Aber gerade deshalb besitzt das Thema auch eine herausragende Bedeutung für Baden-Württemberg. Überein Sondergutachten des Nachhaltigkeitsrats der Landesregierung Baden-Württemberg wurde im Jahr 2004 die Diskussion zur Definition eines künftigen Flächenziels – wieviel Fläche maximal verbraucht werden soll – im Land fortgesetzt. Eine Diskussion, die drei Jahre zuvor begonnen hatte, nachdem damals im Umweltplan Baden-Württemberg als Ziel der Bodenschutzpolitik festgelegt wurde, dass der Flächenverbrauch ,,zur langfristigen Sicherung der Entwicklungsmöglichkeiten des Landes bis zum Jahr 2010 deutlich reduziert werden“ soll. Zwischenzeitlich ist dann auf Initiative der Landesregierung gemeinsam mit zahlreichen Akteuren im Jahr 2004 das viel versprechend aufgestellte Aktionsbündnis ,,Fläche gewinnen“ gegründet worden.

Die Bündnispartner aus Politik, Umweltschutz sowie Kommunen sollen eine breite Unterstützung und weit reichende Wirkungen gewährleisten. Ihr Ziel lauten beispielsweise: Eine effiziente Flächennutzung und die Intensivierung der interkommunalen Zusammenarbeit. Und weil das Bündnis so breit aufgestellt ist, können mit ihm Zielgruppen aller Art erreicht werden – ein Umstand, der nachhaltige Erfolge zeitnah möglich erscheinen lässt. Und betrachtet man die Projekte, die bereits laufen und die gut in das Aktionsbündnis integrierbar sind, so bekommt man einen Eindruck davon, worauf dieser Optimismus gründet. So stellt das Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum MELAP – Modellprojekt Eindämmung des Landschaftsverbrauchs durch Aktivierung des innerörtlichen Potenzials – ebenso ein gelungenes Beispiel dar wie die Studie Innenentwicklung PUR, mit der Ideen, Methoden und Planungsinstrumente zur Entwicklung bebauter Stadtflächen aufgezeigt werden.
Zahlreiche Ideen, Projekte und Initiativen, die in Baden-Württemberg bereits in Angriff genommen worden sind, decken sich mit den Thesen im Positionspapier ,,Flächenwende“, das im Rahmen eines Eigenmittelprojekts des Öko-Instituts entwickelt wurde. Auch dort werden wichtige Gründe wie die Zerschneidung der Landschaft die Entmischung von Siedlungen oder die steigenden Infrastrukturkosten als zentrale Themen benannt, die dazu führen, dass das Thema aus Sicht der Mitarbeiter des Öko-Instituts eine eminent wichtige Bedeutung hat. Doch: Für die erfolgreiche Umsetzung muss eine integrierende Gesamtstrategie
folgt werden. Denn wie auch im Positionspapier in Bezug auf die aktuelle Situation in Baden-Württemberg deutlich wird, gibt es noch einiges zu tun. Dazu drei wichtige Thesen:

Kommunikationsoffensive ist notwendig
Allen Bürgerinnen und Bürgern – Lieschen Müller wie in der Politik Engagierten –
ist mit einer Kampagne das Thema und das Nachhaltigkeitsziel der Bundesregierung zunächst überhaupt bekannt(er) zu machen. Neben einer Dachkampagne sollten hierzu zielgruppen-spezifische Aktivitäten stattfinden. Dazu ist es notwendig, dass das Thema positiv belegt wird und nicht automatisch mit Einschränkungen verbunden wird, weil eine geringere Flächeninanspruchnahme keineswegs mit sinkender oder stagnierender Wirtschaftsentwicklung verbunden sein muss. Ein vergleichbarer Ansatz wurde in Baden-Württemberg mit dem Aktionsbündnis ,,Flächen gewinnen“ bereits gestartet.

Zeitlich differenzierte Strategieräume
Hierunter wird die Definition so genannter kurz-, mittel- und langfristiger Strategieräume verstanden, die in das Gesamtkonzept integriert werden müssen. Dieser Schritt ist notwendig, weil insbesondere die potenziellen Instrumente jeweils unterschiedliche Wirkungen entfalten oder verschiedene Akteure für deren Umsetzung zuständig sind. Diesem Aspekt wird bislang bundesweit nicht ausreichend Beachtung geschenkt und sollte von einem einzurichtenden Runden Tisch wahrgenommen werden, der ebenso eine Prioritätenfolge festlegt. Dieser Vorschlag ist mit den laufenden Aktivitäten in Baden-Württemberg gut vereinbar, indem das Aktionsbündnis “Flächen gewinnen“ eine vergleichbare Rolle auf Landesebene wahrnimmt.

Start eines Sofortprogramms Flächenwende
Wir brauchen im Rahmen des kurzfristigen Strategieraumes eine Kommunikationsoffensive, die Initiierung eines Runden Tisches auf Bundesebene, der von der Bundesregierung ins Leben gerufen werden sollte, sowie ein fundiertes Screening. Der Runde Tisch muss sich aus Experten verschiedener Fachdisziplinen zusammensetzen und die wichtigsten Leitlinien für die Gesamtstrategie festlegen. Dazu zählt als wichtige Aufgabe unter anderem die Aufstellung von geeigneten Kriterien zur Differenzierung des Flächenziels für die verschiedenen Bundesländer vor dem Hintergrund ihrer unterschiedlichen Ausgangslage und Entwicklungstrends. Im Rahmen eines fundierten Screenings soll eine umfassende Datengrundlage geschaffen werden, die die nach wie vor bestehenden Schwierigkeiten der statistischen Datengenerierung zum realen Flächenverbrauch berücksichtigt. Misst man die Aktivitäten in Baden-Württemberg an den Thesen aus dem Positionspapier des Öko-Instituts so darf man zu dem Schluss kommen, dass hier bereits viel versprechende Ansätze vorliegen. Werden diese fortgesetzt und intensiviert, so sind weitere Erfolge zu erwarten. Der eingeschlagene Weg sollte weitere Landesregierungen ermutigen, ähnliche Ansätze zu verfolgen. Dank der Kooperation mit den wichtigsten Akteuren als Bündnis-partner sind die Weichen richtig gestellt. Trotzdem bleibt auch in Baden-Württemberg noch viel zu tun. Der Flächenverbrauch für 2004 ist zwar mit knapp neun Hektar pro Tag im Vergleich zu den zwölf Hektar, die es noch im Jahr 2000 waren, merklich zurückgegangen. Aber es sind weitere Schritte zum ,,Flächen gewinnen“ für eine langfristig nachhaltige Flächenpolitik notwendig. Beim Öko-Institut wurden mit dem Thesenpapier ,,Flächenwende“ wichtige Anhaltspunkte für eine erfolgreiche, Länder übergreifende Strategie aufgezeigt, um das ehrgeizige Ziel zu erreichen. Wir werden den eingeschlagenen Weg in Baden-Württemberg daher weiterhin aufmerksam und mir Spannung begleiten.

Das Dokument ,,Flächenwende, Positionspapier des Öko-Instituts für eine nachhaltige Reduzierung der Flacheninanspruchnahme“ steht als Download zur Verfügung unter www.oeko.de

Über den Autor:

HENNING ARPS (36) ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Öko-Instituts im Büro Darmstadt. Dort ist er im Bereich Infrastruktur und Unternehmen tätig. Neben der wissenschaftlichen Begleitung des Regionalen Dialogforums Flughafen Frankfurt/Main liegt ein weiterer Schwerpunkt seiner Arbeit in der Auseinandersetzung mit dem Thema nachhaltige Flächeninanspruchnahme.

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