Mautflucht : B 10 und 35 besonders betroffen

Stuttgart – Die Lkw-Maut für Autobahnen hat auch im Südwesten zu Verkehrsverlagerungen auf Bundesstraßen geführt – das ist jetzt amtlich. Mautflüchtlinge nutzen insbesondere die Bundesstraßen 10 und 35 von Stuttgart nach Bretten (Kreis Karlsruhe) und dann weiter die B 35 in Richtung Rheinland-Pfalz, teilte Verkehrsstaatssekretär Rudolf Köberle (CDU) am Freitag in Stuttgart mit. Allein in Vaihingen/Enz (Kreis Ludwigsburg) wurde zwischen Januar und Juni 39,5 Prozent mehr Schwerverkehr gemessen als im Vorjahreszeitraum. Das sind pro Tag 805 Fahrzeuge über 3,5 Tonnen mehr als zuvor. Deutliche Zunahmen seien besonders in den Nachtstunden zu verzeichnen, berichtete Köberle.

Über die Rheinbrücke bei Iffezheim (Kreis Rastatt) floss in den ersten sechs Monaten dieses Jahres sogar 50 Prozent mehr Schwerverkehr. Pro Tag entspricht das einem Zuwachs von 960 Lkw auf der B 500. Die Rheinbrücke ist der Übergang von der Autobahn in Frankreich auf die deutsche Seite in Richtung Baden-Baden. Im Elsass protestierten bereits Naturschutzorganisation gegen den Ausweichverkehr durch deutsche Maut-Flüchtlinge.

Die zweispurig ausgebaute B 10 in Richtung Göppingen wird als Alternative zur Autobahn 8 Stuttgart – Ulm genutzt. So wurde an der Göppinger Zählstelle eine mautbedingte Steigerung um 375 Lkw pro Tag gemessen. Dies entspricht einem Zuwachs um ein Fünftel. Die B 10 ist auch an den Zählstellen Plochingen (Kreis Esslingen) und Stuttgart-Zuffenhausen von mautbedingtem Zuwachs an Lkw-Verkehr betroffen.

Die automatischen Straßenverkehrszählungen ergaben für die Monate Januar bis Juni für die Autobahnen beim gesamten Verkehrsaufkommen ein Minus von 2,2 Prozent und ein Plus für die Bundes- und Landesstraßen von 0,2 beziehungsweise 1,1 Prozent. Dabei verzeichnete die Autobahn 5 (Heidelberg – Karlsruhe – Basel) ein um 1,7 Prozent rückläufiges Aufkommen, die A 6 (Mannheim -Heilbronn – Nürnberg) ein Minus von 3,7 Prozent.

Köberle sagte: „Mit den Betroffenen werden wir baldmöglichst beraten, ob und wie der Ausweichverkehr wieder auf die Autobahnen zurückgeführt werden kann.“ Eine Lkw-Maut auch auf Bundesstraßen – wie vom Gemeindetag gefordert – wird jedoch schwierig durchzusetzen sein. Denn eine Verkehrzunahme allein ist in der Regel noch keine Gefährdung der Sicherheit. Diese muss aber vorliegen, um eine Maut zu rechtfertigen. „Eine Gefährdung besteht etwa dann, wenn in Orten keine Gehwege vorhanden sind oder Schulen unmittelbar an der Strecke liegen“, erläuterte Gerhard Scholl, Referent im Innenministerium. Die betroffenen Straßen seien aber so gut ausgebaut, dass die Sicherheit kaum gefährdet werde.

Eine Maut für eine Bundesstraße müsste beim Bundesverkehrsministerium beantragt und auch von der EU genehmigt werden. Köberle warnte aber, eine solche Maßnahme würde vorwiegend den regionalen Wirtschaftsverkehr treffen.

Eine im Bund angestrebte Novelle der Straßenverkehrsordnung könnte aber den Gemeinden an stark befahrenen Strecken Entlastung bringen, erklärte Scholl. Mittels besonderer Verkehrszeichen könnten Korridore für den Lkw-Durchgangsverkehr abgesperrt werden. Unter Korridoren sind laut Scholl ganze Straßenzüge in einem Kreis mit 75 Kilometer Durchmesser zu verstehen. „Damit soll verhindert werden, dass der Schwerlastverkehr von den Bundesstraßen auf untergeordnete Straßen abfließt“, erläutert der Experte. Dann hätten etwa diejenigen Lkw-Lenker, die die Maut auf der A 8 zwischen Stuttgart und Karlsruhe umgehen wollten, keine Ausweichmöglichkeit mehr. Schon jetzt möglich sind nach Scholls Worten zeitlich begrenzte Fahrverbote für Lkw-Durchfahrtsverkehr und innerörtliche Tempolimits.

Der Grünen-Verkehrsexperte Boris Palmer forderte unterdessen die Landesregierung auf, dem Maut-Ausweichverkehr auf Bundesstraßen zügig einen Riegel vorzuschieben. „In den Nachbarländern Rheinland-Pfalz und Hessen wurde bereits vor Monaten gehandelt und den Mautflüchtlingen auf ganzen Bundesstraßen Fahrverbot erteilt.“ Die Anwohner der betroffenen Straßen hätten ein Recht auf zügige Abhilfe. Lkw-Fahrverbote seien möglich, es fehle nur der Willen zur Umsetzung. Er schlug den Stadtteil Enzweihingen von Vaihingen/Enz an der B 10 mit einer besonders engen Ortsdurchfahrt vor, um ein erstes Fahrverbot zu erlassen.
dpa/lsw

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