Brettener OB protestiert mit Rechtsbruch gegen Bürokratie

Die neue „BeschVerV“ erbost den Rathauschef

Manchmal platzt ihm einfach der Kragen. Bei seinem jüngsten Wutausbruch wegen der Bürokratie hat der Brettener OB sogar mit voller Absicht geltendes Recht gebrochen. Aber Paul Metzger schämt sich nicht dafür, im Gegenteil. Das war eine Aktion nach seinem Geschmack.

Von Wieland Schmid
Der Familienvater Sinan S. (28) hat wieder einen Job. Eigentlich müsste der gebürtige Iraker noch auf den Bescheid der Arbeitsagentur warten, dass sich kein Deutscher auf seinen neuen Arbeitsplatz in einer Tierfutterproduktion bewirbt, aber das hat sich erledigt. „Wir wissen, dass Deutsche dort nicht hingehen“, sagt der Brettener Oberbürgermeister Paul Metzger und begründet damit seinen jüngsten Handstreich. Das Ausländeramt der 28 000 Einwohner zählenden Stadt Bretten im Landkreis Karlsruhe hat dem von einer Pizzeria entlassenen irakischen Christen kurzerhand eine Arbeitserlaubnis erteilt, obwohl die Arbeitsagentur das vorgeschriebene Prüfverfahren noch gar nicht eingeleitet hatte. Das war illegal, aber der Rathauschef Metzger schert sich nicht darum. „Ich habe entschieden, dass der Mann arbeiten darf“, sagt der Oberbürgermeister trotzig. „Ohne mich würde der heute beim Sozialamt die Hand aufhalten, und das kann doch wohl nicht wahr sein.“

Auch Karl Hermann freut sich über den eindeutigen Rechtsbruch. „Der Oberbürgermeister prangert damit das ganze System an“, sagt der Leiter des Brettener Ausländeramts befriedigt. Auch ihn ärgert, was der Gesetzgeber neuerdings angeblich zur Verwaltungsvereinfachung vorschreibt. Seit dem 1. Januar sind plötzlich die Kommunen zuständig, wenn es um eine Arbeitserlaubnis für Ausländer ohne Aufenthaltsberechtigung oder für abgelehnte Asylbewerber mit Aufenthaltsduldung geht. „Früher war das nicht so kompliziert“, klagt Amtsleiter Hermann. „Da hat das Arbeitsamt die Genehmigung erteilt.“ Heute müssen die städtischen Mitarbeiter die Anträge betroffener Ausländer bearbeiten, aber genehmigen dürfen sie nur nach Zustimmung der Arbeitsagentur. „Das dauert vier bis sechs Wochen“, meint Karl Hermann, zumal mögliche Arbeitgeber auch noch eine Arbeitsplatzbeschreibung liefern müssen. „Und da kann ein Arbeitsplatz längst weg sein.“ Außerdem sei der schwarze Peter jetzt bei der Ausländerbehörde, wenn die Arbeitsagentur den Antrag ablehnt. Dann müsse auch die Stadt ablehnen und obendrein das Prozesskostenrisiko tragen, empört sich Hermann über diesen nach seiner Ansicht völlig überflüssigen „Ausfluss der Gesetzeswut“.

Der seit zwanzig Jahren in Bretten regierende OB Metzger hat sich im Fall von Sinan S. kurzerhand über die neue Vorschrift hinweggesetzt, die verwaltungsintern „BeschVerV“ abgekürzt wird. „Ich habe am Montag erfahren, dass der Mann seine Arbeit in der Pizzeria verloren hatte“, erinnert sich Metzger. „Dann habe ich bei mehreren Firmen angerufen, und am Mittwoch hatte er einen neuen Job.“ Die Arbeitsagentur rügte den Rathauschef zwar mit dem strengen Hinweis, dass die Stadt Bretten rechtswidrig gehandelt habe, aber dabei ist es dann geblieben.

Der verärgerte OB will die neue „Beschäftigungsverfahrensordnung“ allerdings nicht einfach stillschweigend hinnehmen. „Wenn ein Arbeitgeber jemand beschäftigen will, dann soll er das ohne größeren bürokratischen Aufwand tun können“, beharrt Paul Metzger auf seiner Rebellion gegen vermeintlich unsinnige Vorschriften. Jetzt will er Bundestagsabgeordnete mit dem Thema konfrontieren. Dabei kann er sich sogar auf den baden-württembergischen Innenminister Heribert Rech (CDU) berufen. Der hat ihm letztes Jahr das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen und dabei öffentlich verkündet, die Kommunen dürften „nicht unnötig durch gesetzliche Fesseln behindert werden“.

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Eine Antwort zu Brettener OB protestiert mit Rechtsbruch gegen Bürokratie

  1. -rl- sagt:

    Wenn man medienwirksam nur einen einzigen Arbeitssuchenden vermitteln kann und die restlichen 1979 Arbeitslose (BNN 01.09.05) außer Acht lässt ( davon über 330 ausländische Arbeit Suchende), so muss man nach der Glaubwürdigkeit der Person und solcher Aktionen fragen.
    „Dieses vorsätzliche Fehlverhalten in der Tageszeitung als im Nachhinein angebracht darstellen zu lassen, dazu gehört schon ein großes Maß an Selbstbeweihräucherung und Überheblichkeit.“ So Kommentiert ein Fachmann einen anderen Zeitungsartikel mit dem selben Inhalt.

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