Der OB und die BeschVerfV

Bretten. ,,Wir haben uns damit ins Unrecht gesetzt“ — Brettens Oberbürgermeister Paul Metzger räumt unumwunden ein, dass er gegen geltende Vorschriften verstoßen hat. Trotzdem ist er überzeugt, nichts Unrechtes getan zu haben. Im Gegenteil. Auf Metzgers Anweisung hin hat die Ausländerbehörde der Stadt Bretten einem 28-jährigen Mann aus dem Irak, der seit vier Jahren in Bretten lebt eine Arbeitserlaubnis erteilt. Das aber hätte sie nicht tun dürfen, jedenfalls nicht zum jetzigen Zeitpunkt.
Doch der Reihe nach: Als Mitglied der christlichen Minderheit im Irak kamen Sinan S. und seine hochschwangere Frau 2001 nach Deutschland, weil sie sich in ihrer Heimat nicht mehr sicher fühlten. Doch ihr Antrag auf Asyl wurde abgelehnt, weil sie keine individuelle Verfolgung nachweisen konnten. Allerdings schickte Deutschland die junge Familie — inzwischen war das Baby zur Welt gekommen — auch nicht in ihre Heimat zurück.

Zu einer Abschiebung in den Irak ließ sich nach dem 11. September 2001 keine Behörde hinreißen. Die zuständigen Stellen sprachen eine Duldung aus. Statt in einer staatlichen Asylanten-Unterkunft fand sich in Bretten die Möglichkeit einer so genannten Anschluss-Unterbringung: Die Stadt besorgte eine Wohnung für die junge Familie, und Sinan S. nahm einen Job in einer Brettener Pizzeria an und ernährte von seinem Einkommen seine Angehörigen und sich. Alles schien in schönster Ordnung — bis vor einigen Wochen die Pizzeria ihren Mitarbeiter nicht mehr brauchte und ihm kündigte. Ohne eigenes Einkommen wäre Sinan S. zum Fall für die Sozialhilfe geworden. Er hätte seine Wohnung aufgeben und mit seiner Familie in eine staatliche Unterkunft ziehen müssen.

Die Nachricht vom Schicksal des Irakers drang auch ans Ohr des Brettener Oberbürgermeisters. Metzger hörte sich um, ob es da nicht eine Möglichkeit gäbe, dem Mann zu Brot und Arbeit zu verhelfen. Mit Erfolg. Der Inhaber eines prosperierenden Brettener Unternehmens erklärte sich bereit, Sinan S. als Mitarbeiter in der Produktion einzustellen ,,ausnahmsweise, um einem christlichen Iraker mit Duldungsaufenthalt in Deutschland eigenes Einkommen zu sichern“ wie Paul Metzger berichtet.

Aber der Oberbürgermeister hatte sich bis dahin noch nicht um die BeschVerfV vom 22. November 2004 gekümmert. Diese ,,Beschäftigungsverfahrensverordnung“ schreibt neuerdings vor, dass die Ausländerbehörde nur dann eine Arbeitserlaubnis erteilen darf, wenn die Bundesagentur für Arbeit (das frühere Arbeitsamt) nichts dagegen hat. Was aber nur der Fall ist, wenn feststeht, dass die Agentur nicht einen arbeitslosen Deutschen oder EU-Ausländer auf diese Stelle setzen könnte.

Dies wiederum bedarf der gründlichen Prüfung. Vier bis sechs Wochen dauert es in der Regel, bis die Agentur für Arbeit dem Ausländeramt grünes Licht geben kann. Unter anderem braucht sie dafür eine umfassende Arbeitsplatz-Beschreibung, die der künftige Arbeitgeber vorlegen muss. Ob dieser zu so viel Papierkrieg bereit ist, sei dahin gestellt. ,,Jedenfalls wird keiner vier bis sechs Wochen warten, bis er dann die Stelle vielleicht besetzen darf“, fürchtet OB Metzger.

Deshalb hat er eigenmächtig das Verfahren etwas verkürzt: Die Ausländerbehörde im Brettener Rathaus hat Sinan S. mit sofortiger Wirkung vorab eine Arbeitserlaubnis erteilt. Immerhin habe schon die Brettener Außenstelle der Arbeitsagentur nach einer Vorprüfung die Vermittlung befürwortet, begründet Metzger in einem Brief an die zuständige Karlsruher Arbeitsagentur. Darin bittet er, die Entscheidung der Brettener Ausländerbehörde nachträglich formal zu legitimieren.

Nicht nur das Wohl der jungen irakischen Familie hat der OB dabei im Auge. Wenn Sinan S. eigenhändig seine Familie ernähren kann, entlaste das sowohl die Steuerzahler und die sowieso kaum noch finanzierbaren Arbeitslosengeldkassen, begründet er seinen Schritt. Bleibt abzuwarten, ob das anderswo ebenso gesehen wird.
Rudolf Baier

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Eine Antwort zu Der OB und die BeschVerfV

  1. BürgerArbeitsKreis sagt:

    Schon allein unter dem Aspekt der Menschenwürde freut sich jeder über jeden Arbeitsplatz. Wenn diese auch noch nach den Voraussetzungen des Erhalts zukünftiger Generationen, der Umwelt und der ethnischen Selbstverständlichkeit entstehen, dann ist das lobenswert.
    Aus diesem Grunde muss die Frage nach dem Sinn dieses Artikels gestellt werden und ob man auf Kosten eines unschuldigen Bürgers die Selbstbeweiräucherung betrieben hat?
    Nachfolgend eine externe fachliche Beurteiliung dieses Artikels:

    „Das Verschulden bezieht sich auf die Verletzung der
    Amtspflicht. Setzt ein Beamter, davon kann man
    eventuell ausgehen, sich bewusst über eine bestehende
    Vorschrift hinweg, so handelt er vorsätzlich.
    Fahrlässig handelt er, wenn er bei Beobachtung der für
    ihn erforderlichen Sorgfalt hätte voraussehen müssen,
    dass er seiner Amtspflicht zuwider handelt. Nur ein
    entschuldbarer Irrtum schließt auch hier
    Fahrlässigkeit aus. Jeder Beamte muss die für sein Amt
    erforderlichen Rechts- und Verwaltungskenntnisse
    besitzen oder sich verschaffen. Eine objektiv
    unrichtige Rechtsanwendung ist ihm dann vorwerfbar,
    wenn sie gegen den klaren, bestimmten und eindeutigen
    Wortlaut der Vorschrift verstößt. Davon kann man hier
    wohl ausgehen.

    Es handelt sich also um einen Fall, in dem er nach
    besonderer Vorschrift an Weisungen gebunden und nur
    der Vorschrift unterworfen war. Bedenken gegen die
    Rechtmäßigkeit der dienstlichen Anordnung von OB
    Metzger musste er unverzüglich geltend machen und sich
    an den nächsthöheren Vorgesetzten – den Herrn
    Regierungspräsidenten – wenden. Bestätigt dieser die
    Anordnung, so muss der Beamte sie ausführen, sofern
    nicht das ihm aufgetragene Verhalten strafbar oder
    ordnungswidrig und die Strafbarkeit oder
    Ordnungswidrigkeit für ihn erkennbar ist. Von der
    eigenen Verantwortung ist er dann befreit. Hier greift
    auch noch das Remonstrationsrecht, worauf der Beamte
    beschränkt und verpflichtet ist, rechtswidrige
    Weisungen zu befolgen. Für den Angestellten im
    öffentlichen Dienst wird eine besondere Pflicht zum
    Gehorsam von der überwiegenden Literaturmeinung
    behauptet, wie sie auch für die Beamten gilt. Sie
    schränkt dies nur für den Fall offensichtlich schwer
    fehlerhafter Anordnungen ein.

    Zu fragen ist, wer „auf Metzgers Anweisung hin“ in der
    Ausländerbehörde der Stadt Bretten die
    Arbeitserlaubnis erteilt hat – ein Angestellter oder
    ein Beamter. „Aber der OB hatte sich bis dahin noch
    nicht um die BeschVerfV vom 22.11.2004 gekümmert“
    (fast 9 Monate in Kraft).Das ist eine eindeutige
    Dienstpflichtverletzung.

    „Die Brettener Außenstelle der Arbeitsagentur habe
    nach einer Vorprüfung die Vermittlung befürwortet.“
    Die Befürwortung bedeutet noch keine Genehmigung durch
    die zuständige Arbeitsagentur Karlsruhe. „Bleibt
    abzuwarten, ob das anderswo ebenso gesehen wird.“
    Diese Verordnung kann man nicht so oder anders sehen,
    weil sie klar formuliert ist. Andernfalls wäre sie
    manipulierbar. Auch die zuständige Arbeitsagentur in
    Karlsruhe kann sich über ihre eigene Verordnung
    rechtlich nicht hinwegsetzen.

    Wieder einmal hat OB Metzger „eigenmächtig“ und in
    Bezug auf seine Eigenschaften als Dienstvorgesetzter
    auch noch völlig falsch gehandelt. Dieses vorsätzliche
    Fehlverhalten in der Tageszeitung als im Nachhinein
    angebracht darstellen zu lassen, dazu gehört schon ein
    großes Maß an Selbstbeweihräucherung und
    Überheblichkeit.“

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