Museum nein danke – Verfall ja bitte?

Brettens Ortsteil Sprantal ist kurz davor, seine Chancen zu vertspielen:
Bretten. (gm) „Sie wollen sich nicht begaffen lassen“ – so hatte die Stuttgarter Zeitung getitelt – und auch in anderen Medien wurde das mit viel Enthusiasmus angedachte Freilichtmuseum in Brettens kleinstem Ortsteil Sprantal schon zu Grabe getragen. Voreilig, wie sich jetzt herausstellt. Denn nicht nur, dass der Widerstand der Betroffenen nur partiell ist und sich durchaus eine große Initiative für ein Museumsdorf findet, auch an der Ortsspitze hat inzwischen offenbar ein Umdenken begonnen. Und Oberbürgermeister Paul Metzger hat noch lange nicht das Handtuch geworfen – was bei dem durchsetzungskräftigen und begeisterungsfähigen Naturell des Brettener Verwaltungschefs auch gewundert hätte.

Die Pläne für die Sanierung und einmalige Präsentation eines jetzt zum großen Teil dem Verfall preisgegebenen historischen Ortskernes wird vom Ortsvorsteher und vielen Bewohnern langsam als Chance wahrgenommen, zumal der Verfall der alten Häuser rapide Fortschritte macht und allein mit privaten Mitteln nicht mehr aufzuhalten ist. Zu langsam vielleicht, denn die Gelder aus Brüssel für ein solches Projekt sind nicht mehr lange abrufbar. „Wir müssen jetzt Nägel mit Köpfen machen, sonst ist das Geld weg „, fordert darum der Kreis der Museums – Befürworter, der dem Ortsvorsteher Bernd Schäfer den Vorwurf macht, sich nicht differenziert zu den Freilicht-Plänen zu äußern, sondern auch in Interviews so zu tun, als lehne Sprantal die Pläne ab. „Das bringt mich auf die Barrikaden“, macht Michael Kaufmann seinem Zorn Luft und ärgert sich auch über Aussagen des Ortsvorstehers, nach denen in einem Museumsdorf „Fenster wie Schießscharten, Kinderzimmer ohne Sonne und decken, an denen man sich das Hirn anschlägt“ zu erwarten seien. Kaufmann kann auf das Gegenteil verweisen: „Ich habe mir ein solches Dorf in der Bretagne angesehen – es war gigantisch schön und bot unglaubliche Lebensqualität für die Einheimischen. Man hat in einem sauberen, gepflegten Ort gewohnt und zum Teil auch gearbeitet – die Bewohner waren ohne Ausnahme begeistert und fühlten sich keineswegs ausgestellt oder begafft“. Auch Siegfried Schmid, der im alten Ortskern ein in enger Absprache mit dem Denkmalschutz bereits saniertes und renoviertes Fachwerkhaus bewohnt, kann da nur den Kopf schütteln: „Ich habe viel Sonne und Helligkeit. In diesem Haus wohnt es sich so gut – da gehe ich so schnell nicht weg“.

Den Befürwortern schlägt es zunehmend auf den Magen, „dass hier die Chancen nicht gesehen und vielleicht vertan werden. Dabei sind wir doch in Zeiten mangelnder Lehrstellen, hoher Arbeitslosigkeit und Hartz IV mehr denn je verpflichtet, auch an die Zukunftssicherung unserer Kinder zu denken. Und wir könnten hier eine Zukunft aufbauen“. Über die Alternative zum Freilichtmuseum sind sich alle einig: „Verfall oder Abriss und Bebauung mit Doppel – und Reihenhäusern. Das ist dann nicht mehr unser Sprantal, da ist die Heimat weg“.

Ganz so breit, wie man zunächst meinen mag, scheinen die Gräben allerdings nicht mehr zu sein. Wenn man auch von Seiten der Pro-Museumsdörfler den Aussagen deutlich skeptisch gegenüber steht – Ortsvorsteher Bernd Schäfer verspricht auf Nachfrage ein „ausgleichendes Agieren“: „Ich bin für alle Maßnahmen, die zur Erhaltung der historischen Substanz ergriffen werden können und gerne bereit, mich einzusetzen und Überzeugungsarbeit für ein Freilichtmuseum zu leisten Es wäre unrealistisch, die Chancen nicht zu sehen, die hinter solchen Plänen stecken“. Letztlich einig sind sich Befürworter und Schäfer auch darin: „Man muss die Leute überzeugen, Vorurteile und Ängste abbauen“.

Die gibt es anscheinend immer noch. „Aufklären und informieren“ fordert die Museumsdorf – Initiative und ärgert sich wieder mal über Schäfer, der nicht gegen die Vorstellungen „von Tausenden durch die Schlafzimmer trampelnden Touristen“ angeht. Schäfer selbst sieht das so: „Die Lebensqualität der Bewohner muss gewährleistet sein. Ich bin der Meinung, wir sollten die Mittel jetzt beantragen und dann sehen, wie und was wir machen können – da anfangen, wo die Not am größten ist“.

Oberbürgermeister Paul Metzger blickt nicht ohne Sorgenfalten auf sein kleinstes Stadtteilkind, über dessen historische Substanz im alten Ortskern das Landesdenkmalamt in seiner Studie geradezu ins Schwärmen geraten war und das jetzt die Chance verspielen könnte, mit EU-Mitteln seinen Ortskern im Rahmen eines neuen, achten baden-württembergischen Freilichtmuseums zu sanieren: „Ich werbe weiter dafür, dass das Dorf seine Chance bekommt und arbeite für die Mittelbereitstellung. Alles ist aber nur effizient, wenn die Bürgerschaft erkennt: Unser Dorf wird positiv geprägt und nachhaltig wertvoller“. Allerdings, viel Zeit sieht auch er für die Sprantaler nicht mehr: „Die EU-Mittel laufen aus“.

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Eine Antwort zu Museum nein danke – Verfall ja bitte?

  1. F. Cizerle sagt:

    Ganz abgesehen vom Zoogefühl für die Einwohner ist wohl das berühmte „Naturell“ mal wieder durchgegangen und die Fakten auf die Seite geschoben. Soll doch bezahlen wer will – der EU-Betrag kann so oder so nur einen Tropfen auf den heißen Stein bedeuten. Oder hat sich schon jemand tatsächlich die gesamte finanzielle Belastung für Bretten vorlegen lassen? In der Stuttgarter Zeitung wird vom Verwaltungschef bedauert: „die geforderten 450 000 Euro fehlen mir einfach“. Die braucht er für den Erwerb – von einer Erbengemeinschaft – vom halben Dorf um die Kirche herum. Was kommt dann noch dazu? Die gesamte Infrastruktur für etwa 300.000 Besucher pro Jahr wie Busparkplätze für rund 20 Busse pro Tag, Toilettenhäuschen, Parkplätze für PKW’s, Kioske, Gastronomie et.etc.? Alles sollen die Steuerzahler bezahlen (selbst die EU Zuschüsse sind reine Steuergelder!) – warum? Warum zahlen das Ganze nicht die Befürworter und der OB aus ihren Privattaschen? Anderen ihrer Gelder zu verbraten und dann von großen Taten sprechen – das kann jeder. Und weil das bisher funktioniert hat, hat man jetzt die katastrophale finanzielle Situation.
    Nicht einmal die Rosen für den Rosengarten kann man sich mehr leisten aber weitere Millioneninvestitionen – auf Pump. Die Finanzexperten der Stadt Bretten, können scheinbar nicht mehr die Gesetzte lesen. Den Nachtragshaushalt für 2005 (§82 Abs.2 GemO) musste jetzt wohl das Regierungspräsidium durchsetzen, weil für Bretten 6,5 Millionen Euro, mehr als eine unbedeutende Investition darstellen. Dabei hatten sie schon am 15.03.05 eine Brutto-Darlehensaufnahme von fast 3 Millionen Euro eingeplant. Dass das so nicht gehen kann, hätten die „Experten“ selber wissen müssen . . .

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