Es wird bei Bretten kein weiteres Freilichtmuseum geben – Projekt scheitert am Widerstand der Bevölkerung
BRETTEN. Die Idee hat viele begeistert. Der alte Dorfkern von Bretten-Sprantal sollte mitsamt seinen Bewohnern zur musealen Attraktion werden. Aber die Betroffenen winken ab. Sie haben keine Lust, in der Vergangenheit zu leben. Das Projekt ist gescheitert.
Von Wieland Schmid
Zuletzt hat Brettens Oberbürgermeister Paul Metzger nur noch müde abgewinkt. „Eine Erbengemeinschaft hätte mir zwar das halbe Dorf um die Kirche herum verkauft“, sagt der Verwaltungschef bedauernd, „aber die geforderten 450 000 Euro fehlen mir einfach.“ Geldmangel in der Kasse der 28 000 Einwohner zählenden Kraichgaukommune Bretten im Landkreis Karlsruhe ist freilich nur ein Grund dafür, weshalb ein ehrgeiziger Plan jetzt endgültig in der Schublade verschwindet. Die Absicht, den historischen Teil des Stadtteils Sprantal in das achte baden-württembergische Freilichtmuseum zu verwandeln, scheitert vor allem am Widerstand der Bevölkerung. „Um das zu machen, müsste man fanatisch sein“, sagt der Sprantaler Ortsvorsteher Bernd Schäfer. „Aber wir wollen uns nicht zur Schau stellen lassen.“
Noch vor drei Jahren war die Begeisterung groß über die Entdeckung, dass das Kraichgaudörfchen Sprantal viele Kostbarkeiten birgt. Der Historiker Wolfram Metzger vom Badischen Landesmuseum in Karlsruhe war in einer Studie über den alten Ortskern geradezu ins Schwärmen geraten. Er rühmte die erhalten gebliebenen „Bauernhaustypen des Kraichgaus mit ihren Wohnhäusern, Stallgebäuden und Scheunen“ und entdeckte sogar „fast ausgestorbene Rinder- und Schweinerassen, selten gewordene Getreide- und Hackfruchtsorten“ sowie „heute vergessene Blumen und Kräuter in Obst-, Kraut- und Hausgärten“. Das Fazit des Fachmanns: Der Ort sei ideal für ein nordbadisches Freilichtmuseum. Außerdem könnten dort in Zukunft problemlos weitere historische Häuser aus dem Nordschwarzwald, dem mittelbadischen Schwarzwald und dem Unteren Neckarraum aufgebaut werden, wie es der Auftrag für das achte und letzte Freilichtmuseum im Land schon seit langem vorsieht.
Dass Sprantal die erhofften Millionenzuschüsse nötig hätte, steht auch heute noch außer Zweifel. Von den rund 800 Stadtteilbewohnern leben nur knapp 160 im eigentlichen Dorfkern mit zwei Dutzend teilweise mehr als 200 Jahre alten Fachwerkhäusern. Dreizehn dieser Gebäude sind jedoch längst verlassen und entsprechend verlottert. Die alteingesessenen Sprantaler standen der Museumsidee deshalb von Anfang an skeptisch gegenüber. Dass plötzlich Touristen zu Tausenden durch ihre Schlafzimmer trampeln könnten, erschreckte die Einheimischen. In den vergangenen zwei Jahren ist ihre Empörung sogar noch größer geworden.
„Stellen Sie sich das vor“, sagt der neu gewählte Ortsvorsteher Bernd Schäfer, „Kinderzimmer ohne Sonne, Fenster wie Schießscharten und Deckenhöhen von 1,80 Meter – da schlägt man sich das Hirn an.“ Die Vorstellung, dann auch noch als Hausbesitzer „Geisel des Denkmalschutzes“ zu sein und womöglich „tagsüber in Kostümen rumzurennen“, hat zumindest die letzten Dorfkernbewohner schließlich auf die Barrikaden getrieben. Sie formulierten ihre Meinung auf Transparenten mit Aufschriften wie „Museum? Nein danke!“ und Unterschriftenlisten mit der wütenden Aussage, dass man sich „nicht begaffen“ lassen wolle.
Angesichts des Proteststurms der Betroffenen haben inzwischen auch die Brettener Verwaltungsleute und der Gemeinderat aufgegeben. Mit einer 10 000 Euro teuren bauhistorischen Untersuchung wurden wenigstens die schützenswertesten Gebäude erfasst. „Aber denkmalpflegerisch können die Häuser nicht gehalten werden“, sagt Oberbürgermeister Metzger. „Der Abbruch ist nicht zu verhindern.“ Weil die Leute nicht erkannt hätten, dass „da eine große Chance geschlummert hat“, ist Metzger der Überzeugung, dass nun das Bild eines alten charmanten Dorfes verschwinden und neuen Reihen- oder Doppelhäusern um die alte Kirche aus dem 15. Jahrhundert weichen werde.
Aus seiner persönlichen Enttäuschung über den geplatzten Museumstraum macht der ansonsten erfolgsgewohnte Oberbürgermeister kein Hehl: „Das tut mir sehr weh.“
Ein Streichelzoo für Bretten genügt doch – oder?