Müllinitiative – Stoppt die thermische Müllbehandlung
Bürgerinitiative für Umweltschutz Bretten, Kraichgau, Stromberg e. V.
Kurz-Chronologie:
Ein erstes Treffen fand am 18.07.1994 im Rathaus von Bretten-Gölshausen statt. Die Bürger wurden über die für Gölshausen geplante Müllverbrennungsanlage, den „Müllglühofen“, informiert; hier sollte der Müll aus dem Landkreis Ludwigsburg thermisch behandelt werden.
Die offene Organisationsform war für die zunehmenden Aufgaben nicht mehr praktikabel, deshalb gründete sich am 17.10.1994 der gemeinnützige Verein „Müllinitiative – Stoppt die thermische Müllbehandlung. Bürgerinitiative für Umweltschutz, Bretten, Kraichgau, Stromberg e. V.“.
Der aus neun Personen bestehende Vereinsvorstand umfasst Mitglieder der maßgebenden Parteien, der CDU, der SPD, den GRÜNEN und den FREIEN WÄHLERN.
Zum Vorsitzenden wurde Philipp Renner (Gölshausen) und zum Stellvertreter, Rolf Neupert (Oberderdingen) gewählt. Das Amt des Schriftführers erhielt Dieter Paschke (Gölshausen) und Helmut Weber (Gölshausen) übernahm die Tätigkeit des Vereinskassierers. Als Beisitzer arbeiten in der Vorstandschaft mit: Dietrich Dorn (Gondelsheim), Helmut Eberhardt (Flehingen), Hildegard Macke (Gölshausen), Otto Mannsdörfer (Bretten), Jürgen Schäfer (Sternenfels).
Durch die ausschließlich sachorientierte, nachprüfbare und fachlich kompetente Informationsarbeit erreichte die überregionale Bürgerinitiative in kurzer Zeit eine hohe Akzeptanz in der Region und war ein gesuchter Gesprächspartner bei den politischen Gremien und den gewählten Entscheidungsträgern.
Die ca. 200 Vereinsmitglieder kommen aus den Orten:
Bretten mit seinen Ortsteilen, sowie aus Flehingen, Freudenstein, Gondelsheim, Großvillars, Knittlingen, Kürnbach, Oberderdingen, Sternenfels, Sulzfeld und Zaisenhausen.
Aus der Arbeit der Bürgerinitiative für Umweltschutz:
- Mehrere Vorstandsmitglieder nahmen an Fortbildungsveranstaltungen und Fachseminaren zur Müllbehandlung teil.
- In vielen Informationsveranstaltungen wurden die Menschen der gesamten Region kontinuierlich über die geplante Müllverbrennungsanlage informiert, unter anderem in Bretten, im Rathaus von Zaisenhausen, im Rathaus von Knittlingen, in Oberderdingen, in Sternenfels, etc. .
- Die Bevölkerung dokumentierte mit über 15 000 Unterschriften ihre eindeutige Ablehnung zu dem Vorhaben „Müllglühofen“ und legitimierte dadurch die Bürgerinitiative als ihre Interessenvertretung.
- Es entstand ein Netzwerk mit einer intensiven Zusammenarbeit zu den Initiativen im Kreis Ludwigsburg, in Karlsruhe, in Pforzheim und in Mühlacker.
- Ein Schwerpunkt der Arbeit waren direkte Kontakte und die ständige Weitergabe von Fachinformationen an die Gemeinderäte, die Abgeordneten aller Parteien, die zuständigen Gremien und an die Landräte der Kreise Ludwigsburg und Karlsruhe.
- Durch eine intensive und langwierige Informationsarbeit gelang es, die sechs Umlandgemeinden: Gondelsheim, Kürnbach, Oberderdingen, Sulzfeld, Sternenfels und Zaisenhausen zu einer gemeinsamen Ablehnungsresolution zu bewegen. Die Stadt Knittlingen, die Ortsverwaltung Gölshausen und die Stadt Bretten verabschiedeten eigene Resolutionen.
- Als erste Bürgerinitiative in Baden-Württemberg nahmen mehrere Vorstandsmitglieder mit einem Rechtsanwalt am Scopinggespräch (Vorantragskonferenz hinsichtlich der geplanten Restmüllsplittinganlage mit Tunnelglühofen in Bretten-Gölshausen) im Regierungspräsidium in Karlsruhe teil.
- Wiederum als erste Bürgerinitiative im Lande traf sich der Vorstand in Stuttgart mit Herrn Umweltminister Schäfer und dem Landtagsabgeordneten Herrn Wintruff im Umweltministerium zu einem regen Meinungsaustausch.
- Der neu gewählte Landrat des Kreises Ludwigsburg, Herr Haas, wurde persönlich während eines Treffens mit dem Vereinsvorstand im Landratsamt in Ludwigsburg informiert. Als Resultat der Informationen erhielten Wirtschaftsprüfer den Auftrag, die AVL (Abfallverwertungsgesellschaft des Kreises Ludwigsburg) zu kontrollieren. Das Ergebnis des Gutachtens zeigte einen „Müllskandal“ mit über 100 Millionen DM Schaden (Mühlacker Tagblatt vom 18.04.1996) für den Kreis Ludwigsburg auf. Daraufhin wird das Projekt Müllglühofen für Gölshausen gestoppt und der AVL Geschäftsführer fristlos entlassen.
- Im Herbst 1998 nahm der Kreis Ludwigsburg endgültig von dem Vorhaben der Müllverbrennung in Bretten-Gölshausen Abstand.
- Der bereits 1996 an den Kreis Ludwigsburg ausgelieferte und 4,5 Millionen DM teuere Müllglühofen stand bis 1999 auf der Mülldeponie in Horrheim als Investitionsruine. Zwischenzeitlich fand der „Müllofen“ zu einem Schrottpreis einen Käufer.
- Die Bürgerinitiative stiftete aus ihrem Vereinsvermögen einen vierstelligen DM-Betrag zum Ankauf von Kastanienbäumen zur Luft Verbesserung. Mehrere Vereinsmitglieder führten die Pflanzung der fünf Bäume auf dem neugestalteten Rathausplatz in Gölshausen aus.
Fazit:
Ohne die Bürgerinitiative wäre der bereits ausgelieferte und von dem Kreis Ludwigsburg bezahlte Müllglühofen in Gölshausen gebaut worden mit allen daraus resultierenden Nachteilen; besonders sei hier auf das hohe gesundheitliche Gefährdungspotential der Luftschadstoffe hingewiesen.
Durch den Einsatz der Bewohner wurden die erheblich zusätzlichen Schadstoff-Emissionen verhindert, die systembedingt bei einer derartigen Müllbehandlung entstehen. Außerdem war nur durch die Abwendung der Müllverbrennungsanlage auf diesem großen Areal die Ansiedlung von neuen Industriefirmen möglich.
Die engagierten Bürgerinnen und Bürger aus der Region Bretten, Kraichgau und Stromberg nahmen ihre demokratische Wächterfunktion wahr und konnten einen großen Schaden von ihrem Lebensraum abwenden.
Die erfolgreiche Arbeit der Bürgerinitiative ist ein gelungenes und nachahmenswertes Beispiel einer gelebten Demokratie für das Allgemeinwohl.
Text : Philipp Renner
siehe auch: Resolution der Nachbargemeinden gegen den Müll-Glühofen in Bretten
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