Brettener Seltsamkeiten – oder: Wie man der Stadt schadet

Es ist schon höchst seltsam, wenn sich ein Verband und ein Arbeitskreis, die immer wieder prononciert betonen, zum Wohle der Stadt und damit ihrer Bürgerinnen und Bürger zu agieren, in einer Stellungnahme gegen eine der Stadt zum Vorteil gereichende, bundesweit verliehene Auszeichnung, oder, wie es im Fachjargon heißt, „Dachmarke“, aussprechen. Wenn dann auch noch eine Stadträtin stellvertretend für eine Gemeinderatsfraktion mit unterschreibt, muss man sich schon fragen, ob dies mit dem Mandat vereinbar ist – immerhin hat man doch zumindest eine der angeprangerten Entscheidungen im Ratsgremium mitgetragen.

Ausgangspunkt ist die viabono-Auszeichnung, die in Bonn auf Anregung des Bundesumweltministeriums an solche Kommunen und Leistungsträger verliehen wird, die sich durch sanften Tourismus auszeichnen. – Bretten mit seiner Kraichgau-Stromberg Touristikgemeinschaft, die mit ihrem Gebiet bereits auf eine viabono-Modellregion verweisen kann, und den eigenen Angeboten hat da große Chancen. Das passt nicht jedem – in erster Linie nicht der touristischen Konkurrenz, so sollte man meinen. Denn mit der viabono-Marke sind wichtige Partner wie Tourismusverbände und die Deutsche Bahn AG mit im Boot, im Vertrieb der Angebote gibt es Unterstützung – und das alles unter umweltgerechten Vorzeichen, Anforderungen und streng kontrollierten Zielen.

Aber erstaunlicherweise, oder eher sich nahtlos ins Bild fügend, passt der viabono-Antrag von Bretten nicht dem Bürgerarbeitskreis (BAK), dem BUND Bretten und Stadträtin Heidi Leins. Die steht mit ihrer Unterschrift unter der Stellungnahme zwar ausdrücklich unter „Freie Wähler“, aber die distanzieren sich. Der erste Vorsitzende Bernd Diernberger ist deutlich verärgert: „Ich hatte von dieser Stellungnahme keine Ahnung, und sie hat mit den Freien Wählern nichts zu tun. Wir sind gegen den Rüdtwald und das würde ich auch unterschreiben, aber sonst geht es in der Stellungnahme auch um Beschlüsse, die wir mitgetragen haben. Die kann ich doch später der Stadt nicht als negativ ankreiden.“

Diernberger bezieht sich da in erster Linie auch auf die in der von BUND und BAK zusammengestellten Negativliste erscheinende Stadtbahn. Ins Visier kommen auch so Dinge wie eine „Entsiegelungsbilanz“, die völlig außer Acht lässt, welche Anstrengungen Bretten im Rahmen des Industriekarussells und der Altlastenentsorgungen unternommen hat. Seltsam auch, dass die Melanchthonstadt bundesweit für ihr Flächenmanagement ausgezeichnet wurde, dies bei dieser sehr spezifischen Brettener Sicht aber offenbar negativ zu Buche schlägt.

Die Liste der Negativmeldungen über Bretten, die von Bretten aus nach Bonn geschickt wurde, ist mühsam lang und auch nicht immer auf die Gegenwart bezogen. Und sie hat offenbar das Ziel, die Melanchthonstadt nicht in den Genuss der viabono-Marke kommen zu lassen. Bei solcher Aktion mag man sich selbstgerecht an die Brust klopfen und lautere Motive formulieren. Tatsache ist: Man schadet der Stadt. Auch darf die Vermutung geäußert werden, dass die Motive eben doch etwas anders liegen.

Die Themen dieses Tages in einem anderen Jahr :

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5 Antworten zu Brettener Seltsamkeiten – oder: Wie man der Stadt schadet

  1. ghg sagt:

    …“Wie man der Stadt schadet“

    Was für ein aufdringlicher und auffälliger Teil einer Zeitungsüberschrift!

    Tatsache ist, viel Negatives ist bis zum 9. September 2004 und danach in Bretten entstanden, weil das Abstimmunsgsverhalten im städtischen Entscheidungsgremium den Beschlussvorlagen der Stadtverwaltung bzw. dem Vorsitzenden zu willfährig gefolgt ist.

  2. B-L sagt:

    Zum 1. Kommentar -er vom 13. September 2004

    Die Berichterstattung hatte die Freiheit, alles zu schreiben, damit gewissen Leuten die Freiheit genommen worden wäre, alles zu tun.

  3. a-v sagt:

    Ja selbstverständlich!
    Nicht nur in Wirtschaft und Politik, auch in den Medien werden „Neoliberale“ beschäftigt.

  4. -el- sagt:

    Hat sich zwischenzeitlich etwas geändert?

  5. -er sagt:

    Wie tief muss noch die örtliche Presse sinken, bis sie begreift, dass es auch in Bretten eine freie Meinungsäußerung gibt – obwohl es mit der Veröffentlichung selten klappt. Die Freiheit wäre ohne kritischen Worte, auch eines Brettener Reformators, gar nicht möglich gewesen. Sollte es verboten sein, Kritik – noch dazu berechtigte – und eigene Gedanken zu äußern? Dann mögen die Verantwortlichen das Mittelalter ausrufen und nicht nur wenige Tage im Jahr in die Realität umsetzen. Wenn die Kritik unberechtigt gewesen wäre, so hätten die Viabono Verantwortlichen sicherlich, ohne jeden Kommentar, die Auszeichnung verliehen.
    Übrigens: Ein seriöser Journalist – mit Verantwortung uns Stil – kommentiert und schreibt neutral und befragt vorher alle Beteiligten. So kann sich der Leser selbst ein Bild von der jeweiligen Situation machen. Populistische Stimmungsmache ist ihm fremd.
    Der jetzige allgemeine Zustand der Republik beweist, dass die politisch Verantwortlichen, auch mit Unterstützung einiger Journalisten, die Gegenwart in eine (nicht nur finanzielle) Sackgasse geführt haben und die schönsten Aufkleber das nicht mehr zudecken können – und das soll in Bretten anders sein?

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