Laden dicht

Zugeklebte Schaufenster, wohin man auch blickte – kaum einer, der am Samstag zum Wo-chenend-Einkauf in die Brettener Innenstadt kam, blieb von der Inszenierung der Geschäftsleute unberührt. „Wird dieser Laden bald geschlossen?“ – die stete Wiederholung der Frage auf Plakaten verfehlte bei den Passanten ihre Wirkung nicht. Den öden Anblick einzelner leerstehender Läden kennt man in Bretten zwar schon länger. Was aber, wenn nun fast alle dicht machten?

Und was kann man dagegen tun? Die Gefahr für den Bestand des innerstädtischen Handels gehe von dem Fachmarkt-Zentrum aus, das am südlichen Stadtausgang entstehen soll, vermitteln die Plakate an den verklebten Schaufenstern. Das leuchtet ein. Niemand kann bestreiten, dass eine leistungsfähige Konkurrenz Kaufkraft abziehen wird. Und so mancher Euro, der künftig an der Pforzheimer Straße ausgegeben wird, klingelt dann nicht mehr in den Kassen der innerstädtischen Geschäfte.

Allerdings: Dass die Brettener dazu neigen, ihr Geld lieber anderswo zu lassen als in den Läden im Stadtzentrum, ist keine so neue Erkenntnis. Seit Jahrzehnten klagt der Einzelhandel über den Kaufkraftabfluss. Und immer wieder mussten Geschäftsleute die Segel streichen, weil der Rubel nicht zu ihnen gerollt ist. Bretten müsse als Einkaufsstadt attraktiver werden, wurde wieder und wieder postuliert. Attraktiver ist die Innenstadt auch tatsächlich geworden, etwa durch die Einrichtung der Fußgängerzone, durch die Schaffung von Parkmöglichkeiten.

Aber ist auch das Einkaufen in Bretten attraktiver geworden? Schon vor fast 25 Jahren spiegelte eine Untersuchung der Industrie-und Handelskammer wider, dass die Kunden kein all zu gutes Bild vom Einkaufsort Bretten haben: Zu geringe Auswahl, zu hohe Preise, nicht fachkundiges, aber immerhin freundliches Verkaufspersonal. An dieser Sichtweise hat sich seither nicht viel geändert, neue Untersuchungen brachten kein wesentlich anderes Ergebnis.

Wohlgemerkt, das ist das Image der Einkaufsstadt Bretten als Ganzes. Eine ganze Reihe von Geschäften hatte und hat jedoch seine treuen Stammkunden, versteht es, mit Kundenfreundlichkeit und Service die vermeintlichen Nachteile des Standortes Innenstadt wett •zu machen. Aber das Gesamtbild Brettens als Einkaufsort? Eher bescheiden. Bemühungen, das zu ändern, sind im Sande verlaufen. Man erinnere sich nur an die unsägliche Debatte über einheitliche Öffnungszeiten. So irrt der Kunde heute mittags auf gut Glück durch die Straßen, in der Hoffnung, auf eine offene Ladentür zu stoßen. Alle Geschäftsleute unter einen Hut zu bekommen, war offenbar unmöglich.

Um so erstaunlicher, dass dies nun mit der Aktion zugeklebte Schaufenster weitgehend gelungen ist. Und dies, obwohl noch nicht einmal die „offizielle“ Vertretung der Geschäftsleute VBU in Erscheinung tritt. Die Plakate verweisen auf den BAK. Dieser „Bürger-Arbeitskreis“ hat es immer wieder verstanden, sich zum Sprachrohr von Unzufriedenen in der Stadt zu machen. Hier hat er offenbar ein neues Klientel gefunden.

Kein Zufall, dass die Aktion eine Woche vor der Gemeinderatswahl durchgezogen wurde. „Sie haben die Wahl“, verkünden die Plakate. Aber welche? Die Verträge für das Fachmarktzentrum sind – mit einstimmiger Billigung des Gemeinderats – unterzeichnet. Auch ein künftiger, wie auch immer zusammengesetzter Gemeinderat wird sie nicht außer Kraft setzen können. Und so müsste es auf den Plakaten richtiger heißen: „Sie \haben den Schwarzen Peter“. Die Verantwortung dafür, dass der innerstädtische Handel auf der Kippe steht, soll hier dem Bürger in die Schuhe geschoben werden. Wenigstens darin hat man bei den Brettener Geschäftsleuten eine Einigkeit erreicht.

Rudolf Baier

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