Wettbewerb mit vielen Verlierern

Von Thomas Senger

In Zeiten der Wirtschaftskrise werden Kommunalpolitiker erfinderisch: Tourismus als neues Standbein soll Geld und Arbeitsplätze bringen. Nicht nur in der Kurstadt Bad Rappenau, sondern auch in Eppingen sollen die Reize der Landschaft verzinst werden. Viel Zeit bleibt nicht mehr. Bereits heute fällt es schwer, im Kraichgau einen Hügel zu finden, von dem aus kein Gewerbe- oder Wohngebiet zu sehen ist. Denn in Zeiten des gewollten Zuzugs waren und sind Kommunalpolitiker wenig zimperlich.

Eine Fläche, die rund 150 Fußballfeldern der Größe 110 mal 75 Quadratmetern entspricht, ist allein in Eppingen seit 1990 in Gewerbe- oder Wohnflächen umgewandelt worden. 119 „Fußballfelder“ sind es in Bad Rappenau, 31 in Gemmingen, 27 in Kirchardt.Aussterben einheimischer Tier- und Pflanzenarten, Verschlechterung des Landschaftsklimas sowie Zunahme der Hochwassergefahren sind sattsam bekannte Schlagworte, die aber bislang eine Umkehr dieses Trends nicht einzuleiten vermochten.

Rund elf Hektar pro Tag sind es in Baden-Württemberg, die täglich zu Siedlungs- oder Verkehrsflächen werden. Darunter wertvollste Ackerflächen ebenso wie artenreiche Standorte.Die Flächen werden nicht zu 100 Prozent versiegelt, argumentieren Planer und Kommunalpolitiker. In der Tat: „Nur“ 5,3 Hektar ersticken jeden Tag unter Asphalt und Beton – knapp die Hälfte also.
Uli Kremsler, Bürgermeister in Siegelsbach, führt mit Blick auf die Ansiedelung von Gewerbe weiter an: „Man muss in diesem Bereich schnell reagieren können.“ Wenn eine Gemeinde einer Firma keine Fläche zur Verfügung stellen kann, dann geht sie eben woanders hin.
Und die Kommunen machen sich weiter munter gegenseitig Konkurrenz – sie asphaltieren unverdrossen. 22 Hektar Wald (rund 27 Fußballfelder), die Bretten als Gewerbe- und Industriefläche ausweisen will, sind nur ein krasses Beispiel.

Die Pläne für die nächsten Wohngebiete liegen auch in Eppingen schon in der Schublade. Die Stadt werde weiter wachsen, gibt Baubürgermeister Eduard Muckle als Losung aus. Die angestrebte Stärkung alter Wohnstandorte, also die Innenstadt oder die Ortskerne, könne den Bedarf nicht decken. „Der Wettbewerb unter den Kommunen wird schärfer werden“, sagt Muckle voraus. Ekkehard Hein, nennt einen der Gründe: Ohne Zuwanderung werden der Region in dreißig Jahren rund 60 000 Bauherren fehlen, orakelt der Direktor des Regionalverbands Heilbronn-Franken.

Das Vorhalten teurer Infrastruktur brauche nunmal ein ausreichend hohes Bevölkerungspotenzial, argumentieren Kommunalpolitiker einhellig. Und in Zeiten weg brechender Steuereinnahmen wird mit breitem Konsens Neubaugebiet um Neubaugebiet ausgewiesen: Unterm Strich soll durch Verkauf von Bauplätzen dringend benötigtes Geld in die Kassen kommen. Nicht zuletzt, um zu klein gewordene Schulen, Hallen, Sportanlagen oder letztlich auch Friedhöfe mit Millionenprojekten ein ums andere Mal erweitern zu können. Eine Milchmädchenrechnung?

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