Neue Flächen sollen Investoren locken

Von Annette Gast-Prior
Mit Gewerbeflächen knausern die Städte nicht: Sinsheim, Bad Rappenau und Eppingen sind Wettbewerber mit ein und demselben Problem: Fläche genug, Interessenten Mangelware.

„Noch herrscht allgemein große Verunsicherung“ in Bezug auf Neuansiedlungen und Investitionen in Gewerbe-Immobilien, beobachtet nicht nur Sinsheims Wirtschaftsreferent Rolf Günther. In Sinsheim-Reihen warten 10,5 Hektar Bauland im Oberen Renngrund auf kleine und mittelständische Investoren.

Günther nutzt die Bekanntheit als Museums- und Messestadt und knüpft auf regionalen und überregionalen Fachmessen Firmenkontakte. 5000-fach wird die Standortbroschüre für Reihen gedruckt und so der Preis von 70 Euro pro Quadratmeter transportiert. Auf Anzeigen und Kontakte zu regionalen und überregionalen Fachpublikationen verlegen sich auch seine Kollegen in Rappenau und Eppingen.

In Sinsheim haben sich seit den 70er-Jahren so viele Betriebe entlang der Neulandstraße und dem anschließenden Gewerbegebiet In der Au angesiedelt, dass die Kernstadt heute mit Steinsfurt zusammenwächst. Rund 50 neue Firmen sind im letzten Jahrzehnt im Dührener Industriegebiet Hinter der Mühle heimisch geworden. Nachdem dort nur noch ein Bauplatz zu haben ist, trägt man sich mit Erweiterungsgedanken: „Der Grunderwerb läuft.“ Allerdings hat Sinsheim auch mit Leerständen zu kämpfen: Hallen, Läden und Produktionsstätten können Eigentümer deshalb jetzt kostenlos auf der Homepage der Stadt anbieten.
Wenn Gewerbeflächen südlich der Autobahn, die im aktuellen OB-Wahlkampf immer wieder im Gespräch sind, mittelfristig nicht entstehen würden, „kann das ein Manko sein“, meint Günther. Aber im Reihener Oberen Renngrund bleiben gegenwärtig die Käufer aus: „Gut geführte mittelständische Betriebe“ aus Wachstumsbranchen, möglichst produzierend, technologieorientiert, arbeitsplatzintensiv.
Das hört sich aus dem Munde von Bad Rappenaus Stadtkämmerer Gerd Kreiter ähnlich an: „Ein Gewerbegebiet, das zu uns passt“, wünscht sich die Kurstadt. Bei 85 Euro liegt der Preis.
Dem Gesundheitsstandort Bad Rappenau käme Medizin- oder Biotechnologie gelegen. Kreiter, seit 2001 ohne sichtbares Ergebnis mit dem Gewerbepark Buckäcker am Markt, kann sich in Sichtweite der Autobahn auf ebenem Gelände durchaus auch Logistiker vorstellen, die, etwa in der Warenkonfektionierung, Arbeitsplätze bereitstellen.
Handelsunternehmen hat Sinsheim von vorne herein ausgeschlossen: “ Laut Gutachten sind wir ausreichend mit Einkaufsmärkten versorgt“, holt Günther die Statistik zu Hilfe: „Wo sollte denn ein Handwerkermarkt hin?“ Innenstadtrelevanten und großflächigen Handel, Märkte, in denen es vom Salat bis zur Sportsocke alles gibt, lehnen auch die Kollegen in der Nachbarschaft ab, obwohl ständig einschlägige Anfragen hereinflatterten.
Eppingen geht im Industriegebiet Tiefental mit Grundstückszuschnitten zwischen 1,5 und acht Hektar bundesweit an den Markt – mit 62 Euro zum niedrigsten Quadratmeterpreis im Vergleich. „Die Flächen im Kraichgau sind zu kostbar, um sie zuzupflastern“, räumt Wirtschaftsförderer Peter Thalmann ein. „Nutzenspezifisch“ sieht Eppingen die „Weststadt 3“ für Mittelständler, das Gebiet Oststadt hingegen für Handwerker vor.
Obwohl die Nachbarn mit direkter A 6-Anbindung trumpfen, setzt Thalmann auf einen Effekt, den die Autobahn-Maut hervorbringt. Er beobachtet, dass regional tätige Firmen das Bundesstraßennetz bevorzugen.
Welche Rolle die „weichen Faktoren“ spielen, auf die Rappenau setzt, steht in Frage. Fakt ist: Überall, wo die Refinanzierung nicht in Gang kommt, zehren die Zinsen an den kommunalen Haushalten.

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Eine Antwort zu Neue Flächen sollen Investoren locken

  1. Annette Gast-Prior sagt:

    Quo vadis?
    Von Annette Gast-Prior, Heilbronner Stimme vom 6.2.2004

    Die Kraichgau-Städte haben mit Gewerbeflächen Vorsorge getroffen für die Ansiedlung von Betrieben. Damit schaffen sie Möglichkeiten, wohnortnah für ihre Bevölkerung Arbeitsplätze zu gewinnen. Trotzdem sind Sinsheim, Eppingen und Bad Rappenau – und mit ihnen andere, kleinere Gemeinden in der Region – mit der Erschließung von Gewerbegrund auch im Zugzwang: Erst wenn
    Einnahmen aus Grundstücksverkäufen fließen, rechnen sich die Investitionen, mit denen die Kommunen in Vorleistung gehen. Aus finanzieller Sicht wäre nachvollziehbar, wenn alle ihre Flächen möglichst schnell bebauen wollten. Solider scheint die Strategie, aus sich selbst heraus wachsen zu wollen – den Örtlichkeiten gemäß und in einem Umfang, der die Auspendlerzahlen sinken ließe. In allen drei Städten liegt die Zahl der Auspendler über denen der Einpendler.
    Eine solche moderate Entwicklung gibt es jedoch nur zum Preis des Risikos, dass vielleicht einmal die große Chance einer attraktiven Ansiedlung verspielt wird. Aber wie wäre es um den landschaftlichen Reiz des Kraichgau bestellt, wenn jede der drei Städte alle drei Jahre zehn Hektar Land verbauen würde?

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