Ein wenig weiße Farbe, dann rollt der Verkehr

Die B 293 führt an Bretten-Gölshausen vorbei – Was für Behördenvertreter eine „Maßnahme“ ist, bringt Anwohner zum Feiern
Auf diesen Moment hat Heinrich Lutz aus Gölshausen über 20 Jahre gewartet. Die Ortsumgehung öffnet. Zwar erst in einer Stunde, aber Lutz ist froh. Er wohnt an der Durchgangsstraße, die noch 60 Minuten Bundesstraße 293 ist und auf der bislang über 10 000 Fahrzeuge täglich durch die Gemeinde fahren. Nun kommt ihr Ende: „Es ist erfreulich „, sagt Lutz, denn die Folgen des Ortsverkehrs sieht er. “ Alles ist rußig.“ Einmal hat er Blumenkästen ans Haus gehängt. „Sie waren nach acht Tagen grau. “ Dunkel auch die Fenster. Jede Woche könnten sie geputzt werden. Seine Frau macht es sogar, er hat es schon lange aufgeben. „Ich sag‘ ihr: Vergiss es, das hat noch in drei Wochen Zeit.“

An der Durchgangsstraße lebt ebenfalls Reinhold Leucht. Seine Fenster hat er vor einigen Jahren vierfach verglast, aber schlafen kann er nur mit Ohrenstöpseln. Schlimm seien die Lkw. Vor allem Heizöllaster, die schon morgens ihre ersten Runden drehen. „Sie kommen um halb vier. “ Dann auch noch die Containerlaster mit ihrem Geklapper. „Die Lkw fahren Tag und Nacht“, erzählt Leucht. Die 3,6 Kilometer lange Schleife öffnet bald, aber Leucht bleibt pessimistisch: „Bin mal gespannt, wie es sich entwickelt.“ Er befürchtet, dass hin und wieder ein Lkw durch den Ort rauscht.

Die Verkehrsfreigabe lassen sich auch Behördenvertreter nicht entgehen. Regierungspräsidentin Gerlinde Hämmerle, Ministerialrat im Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Andreas Krüger und Staatssekretär im Landesministerium für Umwelt und Verkehr Stefan Mappus loben die „Maßnahme“, wie sie die Straße im Beamtendeutsch nennen. Zehn Millionen Euro hat der Bund gezahlt, für 7,5 Millionen Euro hat Bretten Grundstücke gekauft, und gearbeitet wurde in Rekordzeit. Spatenstich 2001, geplante Eröffnung Ende 2004. 13 Monate früher rollt der Verkehr. Die Politik dankt.

Auch Brettens Oberbürgermeister freut sich über die Straße mit dem Spitznamen „Hängebauchtrasse“, aber er sieht ein weiteres Problem: Alexanderplatz in Bretten. Dort treffen täglich 70 000 Fahrzeuge aufeinander und teilen sich auf vier Richtungen. Die Umgehung sei gut, aber ihre „Weiterführung stimmt abschließend noch nicht „.

Brettener Stau hin oder her, die Anwohner in Gölshausen bereiten sich auf ihre bundesstraßenfreie Zeit vor. „Ich mache ein Straßenfest „, verspricht Reinhold Leucht. Und Heinrich Lutz geht an sein Haus: „Nächstes Jahr wird renoviert.“ Bei dem Verkehr habe es sich bisher nicht gelohnt.

28.10.2003 00:15

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