Straßenbau ist Voraussetzung für neue Gewerbeflächen

Die Vision stößt auf Zweifel und Kritik bei Bürgern / Brettener Rüdtwald hohen Wert für die Umwelt bescheinigt

Von unserem Redaktionsmitglied Rudolf Baier

Bis ins Jahr 2050 versuchten die von den Nachbarstädten Bretten und Knittlingen beauftragten Experten der „Planungsgruppe Städtebau“ aus Göppingen vorauszuschauen, die am Montagabend in der mit knapp 350 Besuchern fast voll besetzten Knittlinger Stadthalle ihre „Vision“ eines interregionalen Gewerbegebiets der beiden Städte vorstellten. Im Kern geht es dabei aber um den aktuellen Flächenbedarf beider Kommunen, die relativ kurzfristig befriedigt werden soll. Beide Gemeindräte haben sich deshalb im Frühjahr für eine gemeinsame Lösung ausgesprochen. Wie diese aussehen kann, welche Rahmenbedingungen dafür gelten und welche Probleme zu berücksichtigen sind, untersuchte das Göppinger Büro, (Siehe Kommentar „Visionen“.)

Die Planungsgruppe hat in ihrer Untersuchung nicht nur Bretten und Knittlingen betrachtet. „Man muss auch zu den Nachbarn schauen und gemeinsam Überlegungen anstellen.“ Wenn aber jeder sein eigenes Süppchen koche, werde am Ende mehr Gewerbefläche zur Verfügung stehen als gebraucht wird. Denn allein in Oberderdingen sei in der Endstufe mit 60 Hektar zu rechnen, in Bretten könne eine Größenordnung von 80 Hektar durchgesetzt werden, und auch Knittlingen könne 60 bis 80 Hektar realisieren, meinte Bernhardt. Mehr als 200 Hektar in einem Umkreis von nur neun Kilometern seien aber zu viel. Deshalb sei es sinnvoll, gemeinsam mit reduzierter Fläche zu planen. Allerdings sei das Gewerbegebiet Oberderdingen bereits „gelaufen“. Aber Knittlingen und Bretten könnten von den Maximalvorstellungen heruntergehen und jeweils etwa 40 Hektar ausweisen.

Dabei gibt es mehrere Alternativstandorte. So könnten in Bretten etwa 35 Hektar des 170 Hektar großen Rüdtwaldes zur Erweiterung des Gölshäuser Industriegebiets abgeholzt werden. Ins Spiel gebracht wurde aber auch eine Gewerbefläche im Tal südwestlich von Diedelsheim oder in der Gegend um den Schwarzerdhof. Für Knittlingen befassten sich die Planer mit dem Gebiet beirm „Knittlinger Kreuz“ an der B 35 und einer Fläche im Süden der Stadt.

Entscheidende Bedeutung messen die Planer der Verkehrsanbindung des gemeinsamen Gewerbegebiets zu, wobei sie ihr Augenmerk insbesondere auf die künftige Autobahnausfahrt Pforzheim-Nord an der B 294 richteten. Wenn man keine zusätzlichen Straßen baue, werde es zu einer massiven Mehrbelastung kommen, sowohl auf den Fernstraßen als auch innerstädtisch, errechneten sie. Erst eine Querspange von der B 293 über die B 35 und das Ruiter Tal bis zur B 293 werde die Verkehrsbelastung erträglich machen. Dazu ist dann auch noch eine Stadtbahnstrecke vom Brettener Schulzentrum bis zum Knittlinger Rathaus oder alternativ zur Esselbachstraße vorgesehen.

Auch die Folgen für die Umwelt wurden untersucht, insbesondere die einer teilweisen Abholzung des Rüdtwaldes. Dieser habe hohen ökologischen Wert, wurde festgestellt, diene als Frischluftproduzent, Erholungswald und Wasserspeicher. Werde er geopfert, müsse unbedingt Ausgleich geschaffen werden.
Zahlreiche Bürger setzten sich kritisch mit dem Konzept auseinander. So sagte der Brettener Altstadtrat Herbert Vogler ein „Riesenproblem“ mit den Nachbargemeinden voraus, weil sie nicht rechtzeitig eingebunden worden seien. Auch bedeute die im Süden vorgesehene neue Straße das Ende der bereits planfestgestellten Gölshäuser Nordumgehung. 40 Hektar neue Gewerbefläche seien für Bretten viel zu groß, kritisierte Vogler außerdem.
Die Ausweisung eines interregionalen Gebiets werde das konjukturabhängige produzierende Gewerbe stärken, dabei solle man eher Dienstleistungsbetriebe ansiedeln, meinte Ulrike Jäger aus Bretten. Die Nordumgehung Gölshausen werde wohl nicht mehr kommen, und zum Ausgleich der Abholzung im Rüdtwald fehlten Bretten entsprechende Flächen. Überhaupt fürchtete sie einschneidende Folgen für die Landschaft. „Wer will dann noch in Bretten wohnen?“ Udo Barth in Knittlingen kündigte an, dass bei der Flächenumlegung mit dem Widerstand der Grundstückseigentümer zu rechnen sei.

Der Rüdtwald solle nicht zum „Selbstbedienungslagen für die Industrie“ werden, verlangte der Brettener BUND-Vorsitzende Gerhard Dittes. Ersatzpflanzungen brächten nichts, weil es hundert Jahre dauert, bis daraus ein Wald geworden ist. Ohnehin habe man in Bretten schlechte Erfahrungen mit Ausgleichsmaßnahmen gemacht.

Bettina Hörandl aus Knittlingen wies darauf hin, dass die Querspange von der B 35 zur B 294 aus topographischen Gründen kaum machbar sein werde. „Wenn man die Straße so anlegen wollte, dass es keine steilen Steigungen gibt, sind die Eingriffe in den Rüdtwald dagegen Peanuts.“
Die Landschaft um Bretten und Knittlingen sei eine Oase zwischen den Ballungsräumen, meinte Wolfgang Ohnesorg aus Bretten. Die bessere Wohnqualität sei der Schatz, den es zu hüten gelte. „Müssen wir so stark auf produzierendes Gewerbe setzen?“

Chefplaner Bernhardt verwies darauf, dass gerade der Straßenbau unabdingbare Voraussetzungen für die Gewerbegebiete sei. „Wenn die Verkehrsfragen nicht angegangen werden, dürfen Sie auch keine Gewerbegebiete entwickeln.“ Dabei könnte gerade der Straßenbau zum teuersten Brocken in der Kostenrechnung werden. Während die Planer für die Gewerbeflächen jeweils 25 bis 28 Millionen Mark angesetzt haben, kalkulieren sie für die Infrastruktur mit 150 Millionen Mark – mehr ist aber durchaus denkbar. Etwa wenn ein Tunnel gebaut werden müsste, wie Manfred Störzer aus Bretten voraussagte.

Als Konzept aus einem Guss bezeichnete Knittlingens Bürgermeister Hopp zum Abschluss das Papier der Planungsgruppe. Zuversichtlich ist Hopp, vom Regionalverband nördlicher Schwarzwald Schützenhilfe zu bekommen. Dessen Vorsitzender Jens Kuck hat schon bisher die Knittlinger Bemühungen um die Ausweisung von Gewerbeflächen unterstützt.

Brettens Oberbürgermeister machte deutlich, dass hier nicht sein Plan vorgestellt worden sei, sondern eine unabhängige Studie, die bisher noch nicht vertieft beraten oder gar entschieden worden sei. Die Bürger bat er, sich weiter daran zu beteiligen. „Wir benötigen Ihre Beteiligung.“

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3 Antworten zu Straßenbau ist Voraussetzung für neue Gewerbeflächen

  1. S. sagt:

    Ja bei wem denn sonst, liebe(r) -az-, wenn nicht beim Brettener Gemeinderat, dem auch der Vorsitzende Metzger zweifelsfrei angehört.

  2. -az- sagt:

    Und der Gemeinderat hat mit gespielt – und wie! Metzger alleine hätte das nie erreichen können.
    Ausserdem können wir uns auch für jeden Euro Schulden beim Gemeinderat bedanken.

  3. mm sagt:

    „Brettens Oberbürgermeister machte deutlich, dass hier nicht sein Plan vorgestellt worden sei, sondern eine unabhängige Studie, die bisher noch nicht vertieft beraten oder gar entschieden worden sei. Die Bürger bat er, sich weiter daran zu beteiligen. „Wir benötigen Ihre Beteiligung.“
    Heute wissen wir, es war sein Plan und die Bürger hat er frech angelogen, denn eine Bürgerbeteiligung gab es nur in Form von „schaut mal her, was Onkel Paul für euch gemacht hat“. Eine Beleidigung für jeden halbwegs intelligenten Bürger!

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