Neue Haltestellen an alten Bahngleisen

Vorlauf betrieb der Stadtbahn im Raum Bruchsal nächstes Jahr ist kein Provisorium
Über Straßenbahn im Dreieck Karlsruhe-Bruchsal-Bretten berät heute der Kreistag
Von unserem Redaktionsmitglied Thomas Liebscher

Karlsruhe/Bruchsal/Bretten. Ein Mann steht noch auf den Schienen, obwohl der Zug ins Rollen gekommen ist. Wird man den Mann überfahren, wird er zur Seite springen? Das sind die Extremmöglichkeiten. Denkbar ist auch, daß der Zug anhält und die Insassen mit dem Mann auf den Schienen reden. Damit er, namens Paul Metzger, ohne große Probleme den Zug weiterfahren läßt. Brettens Oberbürgermeister hat noch Schwierigkeiten mit einer Straßenbahn zwischen Bruchsal und seiner Stadt. Heute wird der Kreistag über dieses Projekt beraten, das als ideale Ergänzung zu der bestehenden Verbindung Karlsruhe-Bretten, und der auf den Weg gebrachten Stadtbahn Karlsruhe-Bruchsal gilt.

Was für Rheinstettener, Waldbronner, Karlsbader, Linkenheimer, Jöhlinger und Brettener selbstverständlich geworden ist, werden Bruch-saler und Weingartener ab Mai 1994 erleben: Nahverkehr der Zukunft; das Herz der Großstadt wird mit der Straßenbahn erreichbar sein. Bestehen bleiben dabei die Eilzüge der Bundesbahn. Stadtbahn und Eilzüge fahren zwischen Bruchsal und Karlsruhe im Stundentakt. Zu Hauptverkehrszeiten gibt es zusätzliche Verbindungen: alle 20 oder gar zehn Minuten ist Einsteigen möglich. „Am Abend wird grundsätzlich bis nachts um 0.30 Uhr ein Stundentakt angeboten, am Wochenende bis 1.30 Uhr“, betont Dieter Ludwig, Leiter der AVG und der Karlsruher Verkehrsbetriebe.

Bislang war immer von einem Vorlaufbetrieb der Straßenbahn zwischen Karlsruhe und Bruchsal bzw. Bruchsal und Bretten ab 1994 die Rede. Das klingt nach Provisorium, ist aber keines. „Die Züge, die wir wollen, fahren dann schon. Vorlaufbetrieb heißt nur, daß wir noch nicht in die Zentren von Weingarten und Bruchsal gelangen“, stellt Ludwig klar. Im künftigen Verkehrsverbund wird eine Einzelfahrkarte zwischen Bruchsal und Karlsruhe nach jetzigem Stand 4,50 Mark kosten, die übertragbare Umweltkarte pro Monat 85 Mark.
In Bruchsal spricht man schon lange von einem Haltepunkt im Süden, am gewerblichen Bildungszentrum. Jetzt, mit der Stadtbahn, wird er Realität. Auch in Untergrombach steht eine Verbesserung an. Der Bahnhof soll nicht mehr nur von Süden zugänglich sein. Wer beispielsweise vom Norden des Landkreises in die Gewerbeschulen anreist, kann ab Mai 1994 immerhin in Bruchsais Hauptbahnhof in die Straßenbahn zur Schule umsteigen.

Nicht genug der neuen Haltepunkte: In Bruchsal wird in Richtung Bretten die Straßenbahn an der Tunnelstraße und noch weiter östlich einmal halten. Heidelsheim und Gondels-Jieim erhalten die Haltestellen Nord und in Die-delsheim wird gar erstmals der Zug Station machen. So die Pläne. Die Verträge dafür liegen auf dem Tisch, samt den Kosten. Die Baumaßnahmen zwischen Karlsruhe und Bruchsal werden auf 3,3 Millionen Mark geschätzt, zwischen Bretten und Bruchsal auf sieben Millionen. Bund und Land sollen davon 85 Prozent übernehmen. Die restlichen 15 Prozent werden auf- geteilt zwischen den Gemeinden und dem Kreis. Eine Kostenaufteilung wird es ebenso für den Kauf der Straßenbahnen geben (insgesamt sechs für die „Bruchsaler Linien“).
Gerade der Kauf der Stadtbahnwagen macht dem Brettener Oberbürgermeister zu schaffen. Dank Zuschüssen vom Land ist das „rollende Material“ für die Kommunen billiger geworden. Für die Stadtbahn Karlsruhe-Bretten mußten die Beteiligten im Verhältnis viel mehr Geld aufbringen. Bruchsal erhält seine Stadtbahn billiger als wir unsere, so die Argumentation Paul Metzgers. Er will erst die Stadtbahn nach Eppingen rollen sehen; weiß, daß Einzelhändler Kaufkraftabfluß nach Bruchsal befürchten, und er muß bereits jetzt mit Klagen leben, daß an den Haltestellen die Pendler alles mit Autos zu-parken. Schließlich solle es für seine Stadt eine finanzielle Verschnaufpause geben, so der 1993 eine Wiederwahl anstrebende OB.
Die FWV-Kreistagsfraktion teilt übrigens die Meinung ihres Mitglieds Metzger nicht.

Überhaupt steht Metzger bislang im Kreistag allein. Nach den vielen Schritten in Sachen Nahverkehr könne man jetzt nicht die Solidarität der Kreisgemeinden aufkündigen, lautet der Tenor. Da mußten auch Eggenstein-Leo-poldshafen, Karlsbad und Rheinstetten nachträgliche Zuschüsse für Straßenbahnen verlangen, ist ein Gegenargument, schon bei jedem Nahverkehrsprojekt gab es die Klagen über Abwanderung der Einkäufer, ein anderes.
Dieter Ludwig hat Verständnis für den nach Eppingen gerichteten Blick Brettens. „Wir wollen die Stadt ja wieder zu einem Schienenkreuzpunkt machen, aber nach Eppingen müssen wir Oberleitungen bauen. Wir werden dem Gemeinderat rasch ein Konzept vorlegen.“ Die Brettener Fraktionen haben bislang keine Bereitschaft gezeigt, zusammen mit Paul Metzger auf den Schienen zu stehen, wenn die Stadtbahn aus Bruchsal anrollt. Man darf gespannt sein, was getan wird, um eine Kollision zu vermeiden.

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