Im Einstundentakt vorbei am Straßenstau

Ab 25. September fährt die Stadtbahn zwischen Bretten und Karlsruhe
Eine Fahrkarte für Bus, Bundes- und Stadtbahn / Festliche Streckenübergabe am 25. September
Von unserem Redaktionsmitglied Ulrich Schweizer

Bretten. Wenn am 25. September die „Kraichgaubahn“ zwischen Karlsruhe und Bretten ihren Betrieb aufnimmt, wird das Signal für ein bis dahin in Deutschland einmaliges Projekt auf Grün gestellt. Dann fährt zum ersten Mal in der Geschichte der Deutschen Bundesbahn und einer Straßenbahngesellschaft eine Straßenbahn sowohl auf Bundesbahn- als auch auf Straßenbahngleisen.
Als eine neue „Ära im Nahverkehr“ bezeichnete der Chef der Karlsruher Verkehrsbetriebe, Dieter Ludwig, bei einer Pressekonferenz in Bretten die neue Verbindung zwischen dem Ober- und dem Mittelzentrum. Genau 30,2 Kilometer ist die Strecke zwischen dem Karlsruher Albtalbahnhof und dem Stadtbahnende im Brettener Ortsteil Gölshausen lang, auf der ab 28. September (Fahrplanbeginn) bis zu 59 Züge pro Werktag in beiden Richtungen verkehren. Die modernen Stadtbahnwagen, die dank eines in der Technologieregion neu entwickelten „Zweisystem-Fahrzeugs“ sowohl auf Bundesbahn- als auch auf Straßenbahngleisen, unter einer Wechselstrom- wie auch unter einer Gleichstromleitung fahren können, legen die Strecke in rund 40 Minuten zurück. „Die Kooperation zwischen den Verkehrsträgern hat funktioniert“, zog Dieter Ludwig in Bretten eine positive Bilanz der Zusammenarbeit zwischen Straßenbahn und Deutscher Bundesbahn.

Rund 30mal fahren die zehn neuen Stadtbahnwagen der AVG mit dem „Zweisystem“ täglich von Bretten-Gölshausen nach Karlsruhe. Von 6 bis 23 Uhr wird es einen Stundentakt geben, der sich in den Hauptverkehrszeiten bis zum 20-Minuten-Takt verdichtet. Das wird möglich, weil die Züge der Bundesbahn auch weiterhin die Strecke bedienen. Ein Eilzug schafft es bis zum Hauptbahnhof Karlsruhe sogar in 25 Minuten. Ein „Lumpensammler“ sorgt am Wochenende dafür, daß bei einer Abfahrtszeit (ab Karlsruhe Hauptbahnhof) nach Mitternacht auch späte Gäste noch nach Hause kommen.
„Zur interessanten Ecke“ sah Brettens Oberbürgermeiter Paul Metzger den südlichen Kraichgau dank der Stadtbahnverbindung ins Oberzentrum gedeihen; Biete doch der Kraichgau all das, was erholungsbedürftige Städter suchten, „Richtung Bretten, Richtung Zukunft“ hatte der OB denn auch flugs ein passendes Schlagwort für die Werbung der Melanchthonstadt parat, das sich nicht nur Touristen zu Fachwerk und Wein ziehen soll. Er würdigte Dieter Ludwig als „Vater des Projekts“, der jedoch die ganze Sache lieber „entpersonifiziert“ wissen wollte. Wie beide betonten, hoffen alle Beteiligten, daß die Züge „in beide Richtungen“ gut besetzt sein werden und somit die Sorgen des Brettener Einzelhandels unnötig gewesen seien. Die Händler befürchten eine Abwanderung der Kundschaft nach Karlsruhe. Ludwig konnte jedoch da gegenteilige Erfahrung auf den bisherigen Linien ins Feld führen.
Auf rund 80 Millionen Mark schätzt der umtriebige AVG/VBK-Chef bei aller Vorsicht die Gesamtkosten des Projekts Stadtbahn Bretten. „Inklusive Strukturmaßnahmen“ betonte er, angesichts einer noch nicht vorliegenden Schlußabrechnung. Er forderte wie auch Metzger und der Verhandlungspartner der Bundesbahn, Horst Emmerich, den Ausgleich der finanziellen Lasten durch Bund und Land. Um einen „opti-
malen öffentlichen Personennahverkehr mit einem integrierten Angebot“ zu schaffen, dürften die Kommunen und Gebietskörperschaften nicht alleingelassen werden. So bezahlten immerhin die beteiligten Gemeinden und Städte sowie der Landkreis Karlsruhe die zehn neuen Stadtbahnwagen aus eigener Tasche. Das soll sich ab 1993 durch Bundeszuschüsse ändern.
Ein dickes Lob heimsten der Landkreis und der Kreistag ein. Mit dem neuen Nahverkehrskonzept habe sich der Landkreis zum ersten Mal die finanzielle Last des ÖPNV (1,6 Millionen Mark jährlich) auf die Schultern gepackt. Damit jedoch erst das „integrierte Verkehrskonzept“ unter Einbeziehung des Busverkehrs ermöglicht. „Es wird aus allen Orten im Mittelbereich Bretten eine Busverbindung nach Bretten geben“, so Hartmut Pfeiffer, Chef des Amts für Nahverkehr und Wirtschaft im Landratsamt. Die Busse sind auf die Abfahrtszeiten der Stadtbahn abgestimmt. Von 6 bis 20 Uhr soll so ein regelmäßiger Pendelverkehr gewährleistet sein. Der einheitliche Verkehrsverbund, von dem alle Planer noch träumen, hängt, laut Ludwig, allerdings vom Verkauf des „Regionalbusverkehrs Südwest“ (RVS) ab.
Trotz dieser Unsicherheit können ab 25. September Fahrgäste mit einem einzigen Fahrschein Bus, Straßenbahn oder Bundesbahn zwischen Sulzfeld und Karlsruhe benutzen – auch wenn umgestiegen werden muß. Dann gilt auch die günstige Regiokarte (zehn Mark), die übertragbare Umweltkarte (Monatskarte 105 Mark für die Strecke Bretten-Karlsruhe) oder die Streifenkarte. Eine Einzelfahrt für einen Erwachsenen von der Melanchthonstadt nach Karlsruhe wird 5,50 Mark kosten – Kinder unter 14 Jahren zahlen 2,80 Mark.

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