Kein Interesse an Landrats-Nachfolge

OB Metzger im Gespräch
Rathauschef warnt vor zu viel Landschaftsschutzgebieten
BRETTEN. An der Person des Brettener Oberbürgermeisters scheiden sich die Geister. Seine Anhänger, und davon gibt es nicht wenige, loben die Erfolge und schätzen die persönliche Art ihres Schultes. Durchaus selbstbewußt und ohne sein Licht unter den Scheffel zu stellen, beantwortet Paul Metzger auch kritische Fragen unseres Mitarbeiters:

PZ: Herr Oberbürgermeister, wer Sie in der letzten Gemeinderatssitzung beobachtet hat, konnte überdeutliche Zeichen des Unmuts in Ihren Reaktionen erkennen, wenn Stadträte, Ortsvorsteher oder auch Ihre Mitarbeiter zur Gölshausener Umgehungsstraße Erklärungen abgaben. Sind Sie nach bald vierjähriger Amtszeit ungeduldig und dünnhäutig geworden?
OB: Ich bin weder ungeduldig noch dünnhäutig, aber ich meine, wenn man eine sehr starke Position eingenommen hat, um die Verkehrsprobleme in Breiten zu lösen, daß es dann nach Abwägung der Vor- und Nachteile nicht mehr darum gehen kann, die Dinge wieder zu zerreden.

PZ: Enttäuschte Bürger sagen, die nun auf den Weg gebrachte Lösung der Verkehrsprobleme hätte man so schon vor vier Jahren haben können, und zwar ohne das aufreibende Hickhack und den langwierigen Streit der Parteien, vor allem auch ohne den finanziellen Aufwand für zahllose Expertisen. Ist Ihre Verkehrspolitik gescheitert?
OB: Diese Politik ist keinesfalls gescheitert. Wir haben bei zwei Gegenstimmen einen Generalverkehrsplan zum Abschluß gebracht, und wie ich spüre, auch mitgroßer Akzeptanz in der gesamten Bevölkerung. Eine einseitige Planung im Schnellverfahren, ohne all die Überprüfungen und Untersuchungen durchzuführen und öffentlich zu präsentieren, hätte ein solches Ergebnis nicht bewirkt. Erst diese Überzeugungsarbeit hat die Zustimmung der Bürger ermöglicht, sogar in Gölshausen. Der vor vier Jahren gefaßte Gemeinderatsbeschluß war zwar ähnlich hinsichtlich der Umgehungsstraße Gölshausen, aber ohne Perspektiven für die Verkehrsführung in Bretten selbst, insbesondere, was den Umbau des neuralgischen Punktes am Alexanderplatz betrifft. Jetzt gibt es klare Linien, die Finanzierung ist geregelt und gewährleistet, daß alle Teilvorhaben, zeitgleich in die Planfeststellung gehen.

PZ: Sie plädieren immer wieder für ganzheitliche kommunale Entwicklungsplanung, also für wechselseitig sich bedingende Gesamtlösungen in den Bereichen Gewerbe- und Industrieansiedlung, Verkehr, Wohnungsbau, Freizeit, und so weiter. Sind solche komplexen Strukturen in einer Zeit, wo Natur- und Umweltschutz angesagt scheinen, überhaupt noch zu bewegen und zu bewältigen?
OB: Die zusammenhängende Beurteilung der Probleme wird von zunehmender Bedeutung sein. Stückwerk im Planungsbereich, also hier eine Lösung, dort ein Vorschlag, und dazu die Hoffnung, daß alles irgendwann gut zusammenläuft – diese Rechnung wird künftig nicht mehr aufgehen.

PZ: Manche Brettener meinen, ihr Bürgermeister wolle zu viel auf einmal erreichen und bringe Ideen und Projekte ins Gespräch, die die Möglichkeiten der Stadt übersteigen – zumal immer wieder, wie neulich am Melanchthongymnasium, die Reparaturfeuerwehr mit Millionenaufwand eingesetzt werden muß. Wird Ihnen nicht angst und bange bei der Kostenlawine, die auf den Stadtsäckel zurollt?
OB: Wir verfügen über die Ziffern des Halbjahresberichts und kennen Tendenzen, die da noch gar nicht eingeflossen sind: Bretten hat in meiner Amtszeit erhebliche Vermögenswerte geschaffen und Grunderwerbe getätigt, die sich wieder refinanzieren. Die Verschuldung wurde in diesen dreieinhalb Jahren lediglich um rund 100 Mark pro Kopf erhöht, das sind 2,4 Millionen Netto-Neuverschuldung. Dies ist ein Ergebnis, das sich sehen lassen kann. Außerdem werden wir wie sich die Dinge heute darstellen, im laufenden Haushaltsjahr die Verschuldung zurückfahren können. Im Rahmen unserer gestärkten Finanzkraft als Ausfluß des Industriekarussells können wir geplante Projekte weiterhin angehen. Dabei geht es nicht um den Bau großer Denkmäler. In Bretten gilt es, zuallererst der Bausubstanzerhaltung den Stellenwert einzuräumen, der ihr zusteht; da ist in der Vergangenheit leider gesündigt worden, mit heute sichtbaren Folgen.

PZ: Als Glanzstück, Ihrer Kommunalpolitik präsentieren Sie das Brettener „Industriekarussell“. Bedeutet die politische Ausrichtung auf Förderung von Industrieansiedlungen nicht auch ein Mehr an Verkehrsanbindungen, von zubetonierten Flächen, Landschaftszersiedelung und Umweltbelastung?
OB: Wir haben neue Flächen nur sehr zurückhaltend belastet, unser Schwerpunkt, liegt in der Reaktivierung von Industriebranchen; solche gibt es in Bretten leider en masse. In Zusammenarbeit mit den Betrieben konnten wir das Industriekarussell, also die wechselseitige Verlagerung und Erweiterung der Produktionsstätten in unserer Stadt, auf den Weg bringen, und das war außerordentlich erfolgreich. Die Zahlen von den ersten vier beteiligten Firmen sprechen eine deutliche Sprache: Vom 1. Juli 1987 bis 1. Juli 1989 konnten hier 400 Arbeitsplätze geschaffen werden, ohne andererseits Arbeitsplätze nach auswärts abgeben zu müssen, was ursprünglich vorgesehen war. Die Industriebranche hat damit mehr gebracht, als das neuerschlossene Gewerbegebiet in Gölshausen.

PZ: Hinsichtlich des Landschaftsschutzgebietes am Rechberg befinden Sie sich mit Landrat Dr. Ditteney im Dauerclinch, was in der Region für Aufsehen sorgt. Ist es sinnvoll, gerade in einem so heiklen Bereich Politik statt vom kühlen Kopf von persönlichen Aversionen bestimmen zu lassen?
OB: Ich behaupte einmal, daß ich mich nicht von persönlichen Dingen leiten lasse. Zur Sache: Wir haben uns anders verhalten als eine Vielzahl von Städten und Gemeinden. Wir erarbeiten einen Landschaftsplan, und das wird nicht nur ein Plan, der in den Archiven verschwindet, sondern der aktiv umgesetzt werden soll. Und wenn wir sagen, momentan können wir weitere Flächenbedürfnisse für Industrie, Gewerbe, Freizeit, und was alles dazugehört, noch nicht anmelden, dann sollte in diesem jetzigen Stadium auch das Landratsamt unsere Position akzeptieren. Falls auf beiden Seiten am Ende ähnliche Ergebnisse stehen, und teilweise ist dies in den laufenden Gesprächen schon aufgezeigt, dann wird eine Verständigung möglich sein. Auch hier gilt für mich der Grundsatz: Bevor ich nicht sämtliche Bereiche abgeklopft habe, bin ich nicht bereit, großflächige Landschaftsschutzgebiete rings um die Stadt legen zu lassen. Bretten hat als Mittelzentrum Aufgaben, die nur im Rahmen weiterer Entwicklungsmöglichkeiten wahrgenommen werden können, eine Halskrausenstadt könnte diese Funktion in Zukunft nicht erfüllen.

PZ: Kommunalwahlen stehen vor der Tür, und Sie sind Kreistagskandidat bei den freien Wählern. Bekannt wurden Sie als engagierter Sozialdemokrat, im Brettener Bürgermeisterwalkampf sind sie gemeinsam mit dem fragwürdigen Remstalrebell Palmer aufgetreten, haben die Unterstützung der Grünen gefunden und Ihre Plakate auf FDP-Ständer geklebt. Wann landet Paul Metzger, vielleicht als gemeinsamer Kandidat von FWV und CDU für die Nachfolge von Dr. Ditteney in den Armen der Christdemokraten?
OB: Wissen Sie, ich war engagiertes Parteimitglied und habe dort Politik mitgetragen. Meine politische Grundorientierung kann man als konservativ bezeichnen, liberal-konservativ wäre vielleicht die bessere Formulierung. Die Arbeit in der Partei hat mir Spaß gemacht, aber Parteipolitik zeigt auch Grenzen auf, die ich schon früher ständig übersprungen habe. Ich bin kein Mensch, der sich in einen Fraktionszwang einbinden läßt und kann mir das auch künftig nicht mehr vorstellen. Ich sehe jetzt, daß ich als unabhängiger Bürgermeister die besten Möglichkeiten besitze. Das schließt nicht aus, daß ich die Parteien respektiere und mit ihnen zusammen vernünftige Arbeit leisten möchte. Nach meiner Überzeugung braucht die Demokratie den politischen Wechsel, ich bin ein Wechselwähler. Spekulationen um meine Person, die über Bretten hinausgehen, liegen völlig daneben.
uh

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3 Antworten zu Kein Interesse an Landrats-Nachfolge

  1. -az- sagt:

    „Ich sehe jetzt, daß ich als unabhängiger Bürgermeister die besten Möglichkeiten besitze.“

    Bis zum Eintritt in die CDU . . . 🙁
    Warum?

    Weil: „…ich bin ein Wechselwähler.“ ?!

  2. Zyw. sagt:

    Besonders wegen des parteipolitischen Gesinnungswechsels vor 1989 bis 2009! 🙁

  3. mm sagt:

    absolut lesenswert!

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