In Bretten hofft man auf ein Wunder

OB Leicht: „Wir sind verschaukelt worden“
Betriebsratsvorsitzender: Hier geschieht ein Kapitalverbrechen
BRETTEN. In Bretten hofft man auf ein Wunder, damit das Neff-Werk mit 1700 Arbeitsplätzen nicht verloren geht. „Optimismus ist angebracht, obwohl der klein ist“, meinte Alfred Leicht, der Oberbürgermeister des 23 000-SeeIen-Städtcheris, als er gestern in der „aktuellen Stunde“ des Süddeutschen Bundfunks interviewt wurde. „Eine Schließung des Neff- Werkes in Bretten bedeutet nicht abzusehende Folgen“, fuhr Leicht fort. „Wir werden nicht nur zum Notstandsgebiet, sondern auch zu einer Stadt mit wenig wirtschaftlicher Hoffnung.“

Bezeichnenderweise fand das Gespräch vor dem alten Rathaus statt, wo in einer Inschrift an den „Wandel der Zeit“ erinnert wird. Eine andere Inschrift vor dem neuen Rathaus, mit der auf die Wiederaufbauleistung der Stadt Bretten und die Kapazitätsvergrößerung von Neff nach dem Krieg hingewiesen wird, scheint mit der vom AEG- Konzern beschlossenen Werksschließung ad absurdum geführt zu sein.

Leicht wünscht sich wie alle Brettener eine Weiterführung des Betriebes. „Einem Nachfolger oder Übernehmer des Neff-Werkes würden wir großzügig entgegenkommen“, versicherte er. Von der AEG, insbesondere aber von deren Vorstandsvorsitzenden Heinz Dürr, halten weder der Oberbürgermeister noch der Betriebsratsvorsitzende Wilhelm Niedermaier noch die Neff-Beschäftigten viel. „Wir sind ganz einfach verschaukelt worden“, war übereinstimmende Meinung der etwa 500 Anwesenden, die lautstark ihrem Protest Ausdruck gaben. Unterstützt wurden sie durch eine Zanker-Abordnung, die sich ebenfalls energisch gegen Schließungsabsichten wandte.

Der Betriebsratsvorsitzende Niedermaier meinte: „Was hier geschieht, ist ein Kapitalverbrechen an den Arbeitenden. Unsere Aufgabe ist es, in den kommenden Tagen und Wochen auf alle Äußerungen des AEG-Konzems zu reagieren, denn von dieser Seite aus wurde bislang fast nur die Unwahrheit über unseren Betrieb gesagt.“ Wenn das Werk geschlossen werde, sei das gesamte Umfeld von Bretten mit seiner Zulieferindustrie wirtschaftlich getroffen.

Für Bretten würde dies, so sagten Fachleute, das Emporschnellen der Arbeitslosenquote von derzeit 4,4 Prozent auf über 20 Prozent bedeuten. Die beabsichtigte Verlagerung der Produktion von Hausgeräten nach Rothenburg ob der Tauber und nach Nürnberg wurde allgemein als „Witz“ bezeichnet. Dazu Oberbürgermeister Leicht: „Hier will man todkranke Kinder zum Leben erwecken, während die Tochter – Neff Bretten – mit Schnupfen zum Sterben verurteilt ist.“

In den kommenden Tagen ist weiterhin Kurzarbeit angesetzt. Ob es gelingt, die zum Monatsende fälligen Löhne und Gehälter zu beschaffen, ist ungewiß. Die Beschäftigten wollen jedenfalls um ihre Arbeitsplätze kämpfen. Auf mitgeführten Plakaten hieß es: „Ist erst ein Viertel arbeitslos, dann geht das Chaos los“ oder „Weil die AEG geht baden, lassen wir uns nicht verladen, Neff muß weiterleben“
Werksangehörige betonten: „Wir haben immer gearbeitet und geschuftet. Jetzt hoffen wir auf Verständnis bei den Großen.“ Bei einer Werksschließung müßten manche sogar – wie sie sagten — ihre hoch belasteten Häuser verkaufen. Alles wartet nun auf die kommende Woche, in der über das Schicksal von Neff endgültig entschieden wird.
N.N.

Die Themen dieses Tages in einem anderen Jahr :

Print Friendly, PDF & Email
Dieser Beitrag wurde unter Sonstiges abgelegt und mit , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert