Leserbrief : Scheu vor sachgerechten, aber „unpopulären“ Maßnahmen

Zum Leserbrief „Was ist am Antrag populistisch?“ (BNN vom 1. Juli):
Was ist „populistisch“? Der Schweizer Bundesrat Moritz Leuenberger hat in einer Rede aus dem Jahr 2002 den Begriff – und die gegenteilige Position – so beschrieben: „Der Populist will nur dorthin führen, wo er annimmt, dass sich das Volk bereits befinde. Und das ist nicht Führung, sondern Anpassung. Derjenige, der führt, riskiert im Gegensatz zum Populisten Unpopularität, weil sein Ziel unter Umständen nicht identisch ist mit demjenigen „des Volkes“ und er darum viel Überzeugungsarbeit leisten muss.“

Die Situation in der Gemeinderatssitzung vom 21. Juni 2005 war so: Viel „Volk“ befand sich in den Zuschauerreihen. In der Bürgerfragestunde wurde akzentuiert für eine höhere Finanzierung „ihres“ Kindergartens, als in der Gemeinderatsvorlage empfohlen, plädiert. Es wurde bei genehmen Äußerungen laut applaudiert und umgekehrt Unmut geäußert. Da also
befand sich das „Volk“ des einen überproportionalen Zuschuss erwartenden Befürworters. Und dahin wollte Stadtrat Frank Altenstätter den Gemeinderat mit seinem Antrag führen. Doch das ist nicht Führung sondern Anpassung, ist Scheu davor, sachgerechte aber „unpopuläre“ Maßnahmen vorzuschlagen.

In der Mehrheit hat der Gemeinderat diese „populistische“ Zielrichtung des Antrags erkannt und ihn abgelehnt. Denn eine Bevorzugung jener zu beantragen, die in großer Zahl in der Sitzung anwesend waren und eine Benachteiligung jener in Kauf zu nehmen, die nicht anwesend waren ist „populistisch“. Der Gemeinderat kann und darf nicht nach dem Prinzip „Wer am lautesten schreit…“ entscheiden.

Wer höhere Ansprüche hat, muss diese selbst finanzieren. Es war und bleibt erstaunlich, dass Dr. Altenstätter dem Steuerzahler dennoch Kosten von über 5 800 Euro pro Kind und Jahr im Haus Regenbogen zugemutet hätte obwohl vergleichbare Angebote in anderen Einrichtungen nur mit durchschnittlich 2 500 Euro von der Stadt zu bezuschussen sind.
Wer in Kenntnis solcher Zahlen sich gleichzeitig oft Sorgen um die städtischen Finanzen macht, kann entweder Zusammenhänge nicht erkennen, was ich nicht unterstelle, oder er handelt populistisch. Unter dem Eindruck des Sitzungsverlaufes stehe ich zu letzterem.

Paul Metzger
Rathaus
Bretten

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4 Antworten zu Leserbrief : Scheu vor sachgerechten, aber „unpopulären“ Maßnahmen

  1. Ed. sagt:

    Aktuell hilft auch kein Hausarzt mehr!

  2. Demos Kratus sagt:

    Symptom : Realitätsverlust gepaart mit depressiven Verstimmungen, erhöhte Reizbarkeit. Wir empfehlen Besuch beim Hausarzt.

  3. Matthias Menzel sagt:

    Ein völlig abgehobener Provinzfürst (der sich auch gerne „der kleine König von Bretten“ nennen lässt), gewährt hier Einblick in sein, durch die Jahre der Macht seines Amtes, verschobenes Demokratieverständnis. Dass er sich schon lange nicht mehr nach dem Willen des Volkes richtet, hat er zuletzt mit der Mißachtung von 6000 Unterschriften gegen die Vernichtung des Rüdtwaldes gezeigt. Dabei ist er doch nur Chef der Verwaltung, der über die Vertreter der Bürger, die Gemeinderäte, Aufträge erhält, die er auszuführen hat. Doch schon seit langem hat er dieses Prinzip auf den Kopf gestellt, er stellt seine Visionen vor und erwartet bewundernde Zustimmung. Jetzt tritt ihm ein couragierter Gemeinderat sachkundig entgegen und er, wohl in Ermangelung besserer Argumente, reagiert mit Diffamierung und Beleidigung. Dabei bemerkt er offensichtlich nicht einmal mehr, wie tief er sein „Volk“ in seine erkrankte demokratische Seele hat blicken lassen.
    Armer kleiner König!

  4. BürgerArbeitsKreis sagt:

    Zunächst einmal ist festzustellen, daß der Landkreis Karlsruhe eigentlich für die Versorgung mit Kindergartenplätzen zuständig ist. Erst in zweiter Linie ist der Kindergarten eine kommunale Pflichtaufgabe. Dafür erhält auch Bretten Zuschüsse vom Land und zahlt diese und zusätzlich eigene Zuschüsse an die Träger. Im Rahmen der Sicherstellungspflicht für Plätze haben freie Träger Vorrang.
    Die Aufgabe von Bretten besteht hauptsächlich darin, die Angebote der Kindergärten zu überprüfen und an die Wünsche und Bedürfnisse der Eltern anzupassen. Ob das in der Gemeinderatssitzung am 21.06.05 geschehen sein soll, ist den dort anwesenden Eltern sicherlich nicht ganz klar geworden. Vor allem deshalb, weil Herr
    Metzger sie – als viel „Volk“ in den Zuschauerreihen -benannt hat.

    Von einem Mitglied des Gemeinderats wurde ein mündlicher Antrag gestellt, der das Problem auch von anwesenden Eltern ernst nahm. Zum Ausdruck gebracht
    wurde eine existentielle Befindlichkeit und Selbstverständlichkeit finanzieller Art. Im Alltagsbewußtsein der Bevölkerung war sie bisher nicht bekannt und bedurfte deshalb der „störenden“ öffentlichen Erörterung und Begründung. Es ging um konkrete und verständliche Fragen gegen abstrakte und unklare Aussagen sowie Kalkulationen und Zahlen.

    Bei diesem Antrag handelte es sich nicht um „populistische“ Gefälligkeitspolitik, sondern um die für alle Eltern nachvollziehbare Kalkulation von kommunalen Kindergartenzuschüssen, die dann in ihrer Höhe auch die Elternbeiträge – die von viel „Volk“ – beeinflussen. Im Vorfeld hätte die Stadt mit Elternvertretern, Trägervertretern und Kindergartenpersonal sprechen können, um eine für alle Beteiligten annehmbare Lösung zu finden. Hier wäre zu prüfen gewesen, wie sich das Niveau der landesüblichen Zuschüsse darstellt und sich die prozentualen Anteile des Landes, der Stadt und der Elternbeiträge verteilen.

    Die Zuschüsse von Bretten pro Kind verstärken das Bewußtsein bei den Eltern und in der Bevölkerung, daß Kinder Kostenfaktoren sind. Mütter müssen sich oft
    selbst fragen, ob sie sich Teilzeitarbeit leisten können oder ob die Kinderbetreuungskosten so hoch sind, daß sie besser ganz zu Hause bleiben. Es ist gewiß nicht im Sinne der Eltern, daß die Kindergärten durch zu niedrige Zuschüssse von Kommune und Land zu reinen Verwahranstalten mit möglichst wenig Personal und möglichst niedrigen Kosten werden. Es ist sicherlich ausreichend , abhängig von Sozialstaffeln die Elternbeiträge nach landesweiter Empfehlung von Gemeindetag und Landeskirchen zur anteiligen Deckung der Betriebskosten anzupassen.

    Zu klären sind die Begriffe von Herrn Metzger -überproportionaler Zuschuß, eine sachgerechte, aber unpopuläre Maßnahme sowie eine „populistische“
    Zielrichtung. Wenn er seine Zahlen dem „Volk“ und dem Antragsteller nachvollziehbar erklärt hätte, so hätte er dem Antragsteller sach- und fachgerecht klar machen
    können, daß dessen Antrag keine Mehrheit finden konnte. Der Vorsitzende Metzger hätte sich selbst und anderen seine überflüssige Redewendung ersparen können.

    Nach Metzger ist populistisch, eine Bevorzugung der Anwesenden zu beantragen und eine Benachteiligung der Nichtanwesenden in Kauf zu nehmen. So ist er ernstlich zu fragen, seit wann im Brettener Gemeinderat ein mündlicher Antrag eines Mitglieds an dem Merkmal „Anwesende“ und „Nichtanwesende“ gemessen wird. Weiter ist er zu befragen, wie sich im besagten mündlichen Antrag eine Bevorzugung von Anwesenden und eine Benachteiligung von Nichtanwesenden dargestellt hat. Zu seiner Logik gehört, daß Anwesende bevorzugt und Nichtanwesende benachteiligt wurden. Auch Anwesende können benachteiligt und Nichtanwesende bevorzugt werden. Ferner ist er zu fragen, was an einem Antrag populistsich ist, der einen höheren städtischen Zuschuß vorsieht, um Elternbeiträge nicht nur von
    anwesenden, sondern auch von nichtanwesenden Eltern nicht zu stark ansteigen zu lassen. Insofern sind die schriftlich formulierten Äußerungen von Herrrn Metzger
    undifferenziert und noch nicht einmal in der Theorie tauglich, geschweige denn in der Praxis. Sie überzeugen nicht. Vielleicht konnnten ja nur Gemeinderatsmitglieder ihrem Vorsitzenden bei seinen Begründungen geistig folgen. Und darauf kam es schließlich bei der Abstimmung an.

    Zusammenfassend ist klarzustellen. Der gesamte Gemeinderat hat die Aufgabe, sich für die Belange der Eltern – Bezeichnung Metzger = viel „Volk“ in den
    Zuschauerreihen -, ob anwesend oder nicht anwesend, einzusetzen. Willkürliche Entscheidungen gegen die Eltern oder besser gesagt gegen den Geldbeutel der
    Eltern darf es nicht geben. Bezeichnend ist, daß im Leserbrief von Herrn Metzger das Wort „Eltern“ nicht ein einziges Mal vorkommt. Im übrigen läßt sich eine
    Vielzahl von finanziellen Fakten nennen, wo dem Brettener Steuerzahler Kosten zugemutet wurden, die für ihn immer noch eine echte Zumutung sind.

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