Kirchturmpolitik nach Kraichgauer Art

Bretten entzweit: Wald oder Gewerbegebiet?
Wenn es in einer 28 000-Einwohner-Stadt wie Bretten gelingt, 6000 Unterschriften zu sammeln und über 1000 Menschen auf die Straße zu bewegen, dann muss etwas Besonderes vorgefallen sein.

VON GREGOR PREISS
Einzelne Bürger sprechen im Internet von einem „Verbrechen“ und bescheinigen ihrem Stadtoberhaupt ein Politikverständnis „wie im Mittelalter“. Stein des Anstoßes ist ein Wald. Genauer: Der Rüdtwald, ein städtischer Erholungswald als Teil des Naturparks Stromberg-Heuchelberg nord-östlich von Bretten. Eben dieser Wald erscheint vielen Bürgern des waldarmen Kraichgaus so wertvoll, dass sie sich gegen dessen Teil-Abholzung in einer Größenordnung von 20 Hektar zur Wehr setzen.

Bürgermeister Paul Metzger (CDU) nämlich plant mit Hilfe des Gemeinderats just dort den Bau eines Gewerbegebiets, obwohl der Rüdtwald in einer von der Stadt in Auftrag gegebenen Umweltstudie als der schlechteste von drei möglichen Standorten bewertet wurde. Bei der vorgesehenen Ausgleichsfläche handelt es sich um landwirtschaftliche Flächen weshalb sich auch die Landwirte zu den Gegnern gesellt haben.

So weit, so schlecht, sagen Umweltschützer und Grüne, die als Beschwerdeführer fungieren. Ihr Ärger paart sich mit Unverständnis darüber, dass im Umkreis von 20 Kilometern rund 330 Hektar Gewerbefläche brachliegen. Die Nachbargemeinden plädieren für ein gemeinsames Gewerbegebiet und würden Bretten gerne in ihren Industrie-Pool aufnehmen. Nicht so der Bürgermeister von Bretten: Er möchte sein eigenes. Unbeeindruckt vom „Geschwätz“ derer, „die gegen alles und jeden sind“, sagt Metzger lapidar: „Ich bin letztes Jahr demokratisch gewählt worden, die Wähler kannten meine Position.“ Und die heißt „Eigenentwicklung“ zur Senkung der Arbeitslosigkeit.

Der 60-Jährige beruft sich auf die Stellung der großen Kreisstadt als Mittelzentrum, die mehr Finanzkraft anziehen könne als die „Dörfer drumrum.“ Deren Gewerbeflächen taugten nicht dazu, Investoren anzuziehen: Zu klein, schlechte Anbindungen, schlechte Kanalisation, heißt es: „Da will keiner hin.“ Bei den Nachbargemeinden wolle man nicht einsteigen, weil die Planung „nicht professionell“ verlaufen sei, so die Begründung aus dem Brettener Rathaus.

Das Vorgehen Metzgers, der einst einen Bürgerentscheid in Aussicht gestellt hatte, dem der Gemeinderat aber nicht zugestimmt hat, bezeichnet Matthias Menzel vom Bürgerarbeitskreis Bretten süffisant als „Sternstunde der Kommunalpolitik“. „Man könnte in ein interkommunales Gewerbegebiet einsteigen. Aber dann müsste man Teamfähigkeit entwickeln.“ Eine Eigenschaft, die er dem Stadtoberhaupt offenbar nicht zutraut. „In Bretten ticken die Uhren wie in den siebziger Jahren“, schimpft er auf die Kraichgauer Kirchturmpolitik.

Der Hintergrund: Das Land fordert die Kommunen seit langem auf, den Flächenverbrauch einzudämmen und Gewerbegebiete gemeinschaftlich zu betreiben. Was wiederum die Grünen-Landtagsabgeordnete Renate Rastätter auf den Plan rief. In einem Brief wies sie Landwirtschaftsminister Willi Stächele auf die Selbstverpflichtung des Landes und der Kommunen hin. Stächeles Antwort: Die Stadt Bretten sei in der Vergangenheit eher „zurückhaltend gewesen“, was die Ausweisung von Bauflächen angeht und wenn sich der Standort aus infrastruktureller Sicht eben als der günstigste erweise, habe man keine Einwände.

Aber vielleicht andere Behörden. Für die Umwandlung des Waldes in Baufläche sind fünf Verfahren erforderlich, die zum Teil noch offen sind. Doch Metzger hat bereits einen Bebauungsplan erstellen lassen. Auf die Frage, was mit dem 104 000 Euro teuren Plan geschehe, sollte die Genehmigung nicht kommen, antwortete er: „Dann wandert er eben ins Archiv.“

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