Über Millionen und Milliarden

von Matthias Menzel
Ich weiß nicht wie es Ihnen geht, sehr verehrte Leser, aber spätestens seit der Bankenkrise im letzten Jahr, kann ich mich des Eindrucks nicht mehr erwehren, dass im politischen Sprachgebrauch, in Veröffentlichungen und Pressemeldungen, die Milliarden die Millionen übergangslos ersetzt haben. Ob Hilfe für „notleidende“ Banken, Konjunkturprogramme, Defizite bei den Sozialkassen, Griechenlandhilfe, die Million(en) sind Schnee von gestern, heute wird mit Milliarden gerechnet.

Wie kann man als „Normalbürger“ diese Summen überhaupt noch beurteilen, eine Milliarde ist immerhin ein Zahlenungetüm mit 9 Nullen, aber auch eine Million ist schon eine Summe, über die die meisten von uns höchstens zufällig als Lottogewinn verfügen werden?
Wie schon so oft, hat ein Kommentar in unserem Pressespiegel mich auf eine Idee gebracht. Der Kommentator hat vorgerechnet, wie lange ein Arbeitnehmer arbeiten muss, bis er eine Million Euro verdient hat.

Versuchen wir also folgendes: ausgehend von Daten des statistischen Bundesamtes über das durchschnittliche Jahres-Netto-Einkommen eines deutschen Haushaltes, geben wir künftig zu jeder veröffentlichten Summe der Stadtverwaltung, die Anzahl an dJNE (durchschnittliche Jahres-Netto-Einkommen) an, die dafür benötigt werden. Vielleicht hilft dies unserer Vorstellungskraft über die Millionen und Milliarden ein wenig auf die Beine?!

Nach Angaben des statistischen Bundesamtes betrug im Jahr 2005 das durchschnittliche Netto-Jahreseinkommen je Privathaushalt 33.700 Euro.
Senken wir autoritär dieses Einkommen auf 33.333 Euro ab, so summierte sich also nach 30 Jahren, wenn die Verdienste, Steuern, etc. aus 2005 konstant blieben, ein privates durchschnittliches Haushaltseinkommen auf netto eine Million Euro. Oder anders, eine Million Euro entspricht etwa 30 durchschnittlichen Netto-Jahreseinkommen. 30 Haushalte müssen also ein Jahr ihre Arbeitskraft einsetzten, um eine Million Euro netto zu erwirtschaften. Ohne davon etwas auszugeben, versteht sich!

Falls Ihnen also demnächst mal wieder ein (Kommunal-) Politiker eine seiner Visionen für nur eine Million Euro schmackhaft machen möchte (denn es gibt doch Zuschüsse!), denken Sie bitte daran, Sie arbeiten dafür 30 Jahre lang.

Da eine Milliarde bekanntlich 1000 Millionen entspricht, sind die oben genannten Zahlen mit dem Faktor 1000 zu multiplizieren, um sich vorstellen zu können, was eine Milliarde Euro bedeutet: 30.000 durchschnittliche deutsche Familien-Netto-Jahreseinkommen.
Laut statistischem Bundesamt leben durchschnittlich 2,08 Personen in einem Haushalt, demzufolge entspricht dies einer Stadt mit etwa 62.000 Einwohnern! Etwa Sindelfingen, Offenburg oder Schwäbisch Gmünd. Die ein Jahr lang für diese eine Milliarde arbeiten! Oder noch drastischer: ein durchschnittlicher deutscher Privat-Haushalt, benötigt 30.000 Jahre um diese eine Milliarde zu erwirtschaften!

Beispiele:
Rettungspaket für „notleidende“ Banken aus dem Jahr 2009 etwa 100 Milliarden Euro, das entspricht 3.000.000 dJNE, demnach dürfen 6.24 Millionen Bundesbürger/Innen ihr Jahres-Netto-Einkommen für die verarmten Casino-Banker berappen.
Anteil der „Griechenlandhilfe“ Deutschlands in diesem Jahr etwa 8 Milliarden Euro, dafür arbeiten 240.000 Haushalte oder 499.204 Bürger/Innen ein Jahr.

Die Verschuldung der Stadt Bretten mit den Schulden der kommunalen Wirtschaftsbetriebe (Wohnungsbau, Kommunalbau, Stadtwerke), betrug im Jahr 2002 82.953.000 Euro, dies entspricht 2488 dJNE, also dürfen dafür 2488 Brettener Haushalte oder 5176 Personen, ein Jahr lang arbeiten.

Projekt Altstadt III in Bretten, voraussichtliche Kosten 1,2 Mio Euro plus Kaufpreis für die Schneider-Immobilie (Kaufpreis wird von der Stadtverwaltung geheim gehalten) von schätzungsweise 3,5 Mio Euro, macht zusammen 4,7 Mio Euro. Das entspricht 139,5 dJNE, also entweder Ihr Netto-Einkommen aus 139,5 Jahren zusammen, oder das von 139,5 Brettener Familien!

Die Sanierung des Brettener Freibades soll bis zu 17,6 Millionen Euro kosten, das sind 522 dJNE.

Zum Schluss lieber Leser, bleibt mir nur noch, Sie höflich aufzufordern, weiter mit voller Tatkraft und Hingabe zu arbeiten. Denn Ihr Geld wird dringend gebraucht!

Die Themen dieses Tages in einem anderen Jahr :

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4 Antworten zu Über Millionen und Milliarden

  1. äth. sagt:

    Bei Neuverschuldungen in der Planung und im Vollzug von Haushalten der Bundesregierung, Landesregierungen und zahlreicher Städte und Gemeinden sind stets zwei Tatsachen zu erkennen:

    1. Operative Hektik ersetzt geistige Windstille
    2. Je öfter diese Dummheiten (Neuverschuldungen) wiederholt werden, desto mehr bekommen sie den Anschein von Klugheit.

  2. Jo/St sagt:

    an spezi oben

    Wer produziert die Schulden-Milliarden?
    Mit den vielen Nullen!

    Die „Nullen“ in der Regierung!

  3. n-Or sagt:

    Von der Griechenland-Hilfe wird Deutschland voraussichtlich nichts wieder sehen. Das wird uns nichts ausmachen.

    Und die Große Kreisstadt Bretten wird ihren Schuldenstand bestenfalls ausweiten, was sie erneut unter Beweis gestellt hat. Und schlechtestenfalls auf einem zu hohen Niveau beibehalten.

    Das wird den Brettener Steuerzahlern jedoch teuer zu stehen kommen.

  4. spezi sagt:

    In der Samstagsausgabe (01.05.10) der BNN war in einer Zeichnung die Sprechblase mit folgendem Inhalt zu finden:
    „PEINLICH… WIEDER EIN SCHULABGÄNGER, DER NICHT WEISS, WIEVIELE NULLEN EINE SCHULDENMILLIARDE HAT“.
    Ich glaube nicht, dass man diese Botschaft nur als Witz verstehen soll.

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